Dies war ihm ein ganz unmöglicher Gedanke, und ich beruhigte ihn auch auf der Stelle:
"Ich bin nicht entflohen, und das Pferd gehört noch mir. Es befindet sich in der Obhut von Hadschi Halef Omar, bei dem es sicher ist."
"Du bist nicht entflohen?" fragte er erstaunt.
"Nein. Ich komme als der Abgesandte des Bey von Gumri und des Melek von Lizan. Wo ist der Mann, der hier zu gebieten hat?"
"Ich bin es," antwortete eine tiefe Stimme.
Ich sah mir den Mann scharf an. Er saß auf einem starkknochigen, zottigen Pferde, das nur mit Palmen- faser aufgezäumt war. Es war sehr lang und außer- ordentlich hager gebaut. Ein ungeheurer Turban bedeckte seinen Kopf, und sein Angesicht starrte von einem so bor- stigen und dichten Bart, daß man nur die Nase und zwei Augen erblickte, die mich jetzt unheimlich forschend an- funkelten.
"Du bist der Rais von Dalascha?" fragte ich ihn.
"Ja. Wer bist du?"
Mohammed Emin antwortete an meiner Stelle:
"Es ist Kara Ben Nemsi Emir, von dem ich dir erzählt habe."
Der Kurde grub seinen Blick abermals tief in den meinigen, und es schien dann, als ob er sich im klaren über mich befände. Er sagte:
"Er soll uns später erzählen und mag sich uns jetzt anschließen. Vorwärts!"
"Laß halten; ich habe mit dir zu sprechen," bat ich.
"Schweig!" fuhr er mich an. "Ich bin der General dieser Truppen, und was ich sage, das hat ohne Wider- rede zu geschehen. Ein Weib redet, ein Mann aber han- delt. Jetzt wird nicht geplaudert!"
Dies war ihm ein ganz unmöglicher Gedanke, und ich beruhigte ihn auch auf der Stelle:
„Ich bin nicht entflohen, und das Pferd gehört noch mir. Es befindet ſich in der Obhut von Hadſchi Halef Omar, bei dem es ſicher iſt.“
„Du biſt nicht entflohen?“ fragte er erſtaunt.
„Nein. Ich komme als der Abgeſandte des Bey von Gumri und des Melek von Lizan. Wo iſt der Mann, der hier zu gebieten hat?“
„Ich bin es,“ antwortete eine tiefe Stimme.
Ich ſah mir den Mann ſcharf an. Er ſaß auf einem ſtarkknochigen, zottigen Pferde, das nur mit Palmen- faſer aufgezäumt war. Es war ſehr lang und außer- ordentlich hager gebaut. Ein ungeheurer Turban bedeckte ſeinen Kopf, und ſein Angeſicht ſtarrte von einem ſo bor- ſtigen und dichten Bart, daß man nur die Naſe und zwei Augen erblickte, die mich jetzt unheimlich forſchend an- funkelten.
„Du biſt der Raïs von Dalaſcha?“ fragte ich ihn.
„Ja. Wer biſt du?“
Mohammed Emin antwortete an meiner Stelle:
„Es iſt Kara Ben Nemſi Emir, von dem ich dir erzählt habe.“
Der Kurde grub ſeinen Blick abermals tief in den meinigen, und es ſchien dann, als ob er ſich im klaren über mich befände. Er ſagte:
„Er ſoll uns ſpäter erzählen und mag ſich uns jetzt anſchließen. Vorwärts!“
„Laß halten; ich habe mit dir zu ſprechen,“ bat ich.
„Schweig!“ fuhr er mich an. „Ich bin der General dieſer Truppen, und was ich ſage, das hat ohne Wider- rede zu geſchehen. Ein Weib redet, ein Mann aber han- delt. Jetzt wird nicht geplaudert!“
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Dies war ihm ein ganz unmöglicher Gedanke, und
ich beruhigte ihn auch auf der Stelle:
„Ich bin nicht entflohen, und das Pferd gehört noch
mir. Es befindet ſich in der Obhut von Hadſchi Halef
Omar, bei dem es ſicher iſt.“
„Du biſt nicht entflohen?“ fragte er erſtaunt.
„Nein. Ich komme als der Abgeſandte des Bey von
Gumri und des Melek von Lizan. Wo iſt der Mann,
der hier zu gebieten hat?“
„Ich bin es,“ antwortete eine tiefe Stimme.
Ich ſah mir den Mann ſcharf an. Er ſaß auf einem
ſtarkknochigen, zottigen Pferde, das nur mit Palmen-
faſer aufgezäumt war. Es war ſehr lang und außer-
ordentlich hager gebaut. Ein ungeheurer Turban bedeckte
ſeinen Kopf, und ſein Angeſicht ſtarrte von einem ſo bor-
ſtigen und dichten Bart, daß man nur die Naſe und zwei
Augen erblickte, die mich jetzt unheimlich forſchend an-
funkelten.
„Du biſt der Raïs von Dalaſcha?“ fragte ich ihn.
„Ja. Wer biſt du?“
Mohammed Emin antwortete an meiner Stelle:
„Es iſt Kara Ben Nemſi Emir, von dem ich dir
erzählt habe.“
Der Kurde grub ſeinen Blick abermals tief in den
meinigen, und es ſchien dann, als ob er ſich im klaren
über mich befände. Er ſagte:
„Er ſoll uns ſpäter erzählen und mag ſich uns jetzt
anſchließen. Vorwärts!“
„Laß halten; ich habe mit dir zu ſprechen,“ bat ich.
„Schweig!“ fuhr er mich an. „Ich bin der General
dieſer Truppen, und was ich ſage, das hat ohne Wider-
rede zu geſchehen. Ein Weib redet, ein Mann aber han-
delt. Jetzt wird nicht geplaudert!“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/550>, abgerufen am 23.12.2024.
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