"Hinaus, um zu unterhandeln und die Sache viel- leicht im Guten beilegen zu helfen."
"Pshaw! Sie werden wenig Kram mit Euch machen. Sie werden Euch erschießen! Yes!"
"Das ist höchst unwahrscheinlich."
"Darf ich nicht mit?"
"Nein. Nur ich und Halef."
"So geht! Aber wenn ihr nicht wiederkommt, schlage ich ganz Lizan in Grund und Boden! Well!"
Auch die andern fügten sich. Nur der Bey machte eine Bedingung:
"Chodih, du wirst nichts ohne meinen Willen thun?"
"Nein. Ich werde entweder selbst kommen oder dich holen lassen."
Damit nahm ich meine Waffen, stieg hinab und sprang in den Sattel. Der Platz vor dem Hause war leer ge- worden. Nur der Melek wartete auf mich, und einige Bewaffnete waren geblieben, um die gefangenen ,Gäste' zu bewachen.
Wir mußten die gebrechliche Brücke wieder passieren. Drüben auf der andern Seite des Stromes ging es wirr zu. Landesverteidiger zu Fuß und zu Roß ritten und liefen bunt durcheinander. Der eine hatte eine alte Flinte, der andere eine Keule. Ein jeder wollte kommandieren, aber nicht gehorchen. Dazu war das Terrain mit Felsen, Bäumen und Büschen besetzt, und bei jedem Schritte hörte man eine andere Neuigkeit von den Kurden. Zuletzt kam gar die Kunde, daß der Rais von Schuhrd mit seinen Leuten davongezogen sei, weil sich der Melek mit ihm gestritten hatte.
"Herr, was thue ich?" fragte der Melek in nicht geringer Sorge.
"Suche zu erfahren, wo sich die Kurden befinden."
II. 34
„Hinaus, um zu unterhandeln und die Sache viel- leicht im Guten beilegen zu helfen.“
„Pshaw! Sie werden wenig Kram mit Euch machen. Sie werden Euch erſchießen! Yes!“
„Das iſt höchſt unwahrſcheinlich.“
„Darf ich nicht mit?“
„Nein. Nur ich und Halef.“
„So geht! Aber wenn ihr nicht wiederkommt, ſchlage ich ganz Lizan in Grund und Boden! Well!“
Auch die andern fügten ſich. Nur der Bey machte eine Bedingung:
„Chodih, du wirſt nichts ohne meinen Willen thun?“
„Nein. Ich werde entweder ſelbſt kommen oder dich holen laſſen.“
Damit nahm ich meine Waffen, ſtieg hinab und ſprang in den Sattel. Der Platz vor dem Hauſe war leer ge- worden. Nur der Melek wartete auf mich, und einige Bewaffnete waren geblieben, um die gefangenen ‚Gäſte‘ zu bewachen.
Wir mußten die gebrechliche Brücke wieder paſſieren. Drüben auf der andern Seite des Stromes ging es wirr zu. Landesverteidiger zu Fuß und zu Roß ritten und liefen bunt durcheinander. Der eine hatte eine alte Flinte, der andere eine Keule. Ein jeder wollte kommandieren, aber nicht gehorchen. Dazu war das Terrain mit Felſen, Bäumen und Büſchen beſetzt, und bei jedem Schritte hörte man eine andere Neuigkeit von den Kurden. Zuletzt kam gar die Kunde, daß der Raïs von Schuhrd mit ſeinen Leuten davongezogen ſei, weil ſich der Melek mit ihm geſtritten hatte.
„Herr, was thue ich?“ fragte der Melek in nicht geringer Sorge.
„Suche zu erfahren, wo ſich die Kurden befinden.“
II. 34
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[529/0543]
„Hinaus, um zu unterhandeln und die Sache viel-
leicht im Guten beilegen zu helfen.“
„Pshaw! Sie werden wenig Kram mit Euch machen.
Sie werden Euch erſchießen! Yes!“
„Das iſt höchſt unwahrſcheinlich.“
„Darf ich nicht mit?“
„Nein. Nur ich und Halef.“
„So geht! Aber wenn ihr nicht wiederkommt, ſchlage
ich ganz Lizan in Grund und Boden! Well!“
Auch die andern fügten ſich. Nur der Bey machte
eine Bedingung:
„Chodih, du wirſt nichts ohne meinen Willen thun?“
„Nein. Ich werde entweder ſelbſt kommen oder dich
holen laſſen.“
Damit nahm ich meine Waffen, ſtieg hinab und ſprang
in den Sattel. Der Platz vor dem Hauſe war leer ge-
worden. Nur der Melek wartete auf mich, und einige
Bewaffnete waren geblieben, um die gefangenen ‚Gäſte‘ zu
bewachen.
Wir mußten die gebrechliche Brücke wieder paſſieren.
Drüben auf der andern Seite des Stromes ging es wirr
zu. Landesverteidiger zu Fuß und zu Roß ritten und
liefen bunt durcheinander. Der eine hatte eine alte Flinte,
der andere eine Keule. Ein jeder wollte kommandieren,
aber nicht gehorchen. Dazu war das Terrain mit Felſen,
Bäumen und Büſchen beſetzt, und bei jedem Schritte hörte
man eine andere Neuigkeit von den Kurden. Zuletzt kam
gar die Kunde, daß der Raïs von Schuhrd mit ſeinen
Leuten davongezogen ſei, weil ſich der Melek mit ihm
geſtritten hatte.
„Herr, was thue ich?“ fragte der Melek in nicht
geringer Sorge.
„Suche zu erfahren, wo ſich die Kurden befinden.“
II. 34
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/543>, abgerufen am 12.12.2024.
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