"Nein. Ich stehe unter dem Schutze des Großherrn und des Mutessarif."
"Aber du bist unser Freund; du hast die Artilleristen gefangen genommen; das wird dir das Leben kosten!"
"Wer wird das den Türken erzählen? Ich bleibe hier mit Halef und dem Baschi-Bozuk. So kann ich für euch vielleicht mehr thun, als wenn ich in euren Reihen kämpfe"
"Du magst recht haben, Emir; aber wenn wir schießen, kannst auch du verwundet oder vielleicht gar ge- tötet werden!"
"Das glaube ich nicht, denn ich werde mich hüten, mich euern Kugeln auszusetzen."
Da öffnete sich die Thüre, und ein Mann trat herein. Er gehörte zu den Posten, welche Ali Bey ausgestellt hatte.
"Herr," meldete er ihm, "wir haben uns zurückge- zogen, denn die Türken sind bereits in Baadri. In einer Stunde sind sie hier."
"Kehre zurück und sage den Deinen, daß sie immer in der Nähe der Türken bleiben, sich aber von ihnen nicht sehen lassen sollen!"
Wir gingen vor das Haus. Die Frauen und Kinder zogen an uns vorüber und verschwanden hinter dem Heilig- tume. Da kam ein zweiter Bote atemlos gelaufen und meldete:
"Herr, die Türken haben Kaloni längst verlassen und marschieren durch die Wälder. In einer Stunde können sie hier sein."
"Postiert euch jenseits des ersten Thales und zieht euch, wenn sie kommen, zurück. Die Unserigen werden euch oben erwarten!"
„Ich denke, daß dies das Richtige ſein wird.“
„Man wird dich töten!“
„Nein. Ich ſtehe unter dem Schutze des Großherrn und des Muteſſarif.“
„Aber du biſt unſer Freund; du haſt die Artilleriſten gefangen genommen; das wird dir das Leben koſten!“
„Wer wird das den Türken erzählen? Ich bleibe hier mit Halef und dem Baſchi-Bozuk. So kann ich für euch vielleicht mehr thun, als wenn ich in euren Reihen kämpfe“
„Du magſt recht haben, Emir; aber wenn wir ſchießen, kannſt auch du verwundet oder vielleicht gar ge- tötet werden!“
„Das glaube ich nicht, denn ich werde mich hüten, mich euern Kugeln auszuſetzen.“
Da öffnete ſich die Thüre, und ein Mann trat herein. Er gehörte zu den Poſten, welche Ali Bey ausgeſtellt hatte.
„Herr,“ meldete er ihm, „wir haben uns zurückge- zogen, denn die Türken ſind bereits in Baadri. In einer Stunde ſind ſie hier.“
„Kehre zurück und ſage den Deinen, daß ſie immer in der Nähe der Türken bleiben, ſich aber von ihnen nicht ſehen laſſen ſollen!“
Wir gingen vor das Haus. Die Frauen und Kinder zogen an uns vorüber und verſchwanden hinter dem Heilig- tume. Da kam ein zweiter Bote atemlos gelaufen und meldete:
„Herr, die Türken haben Kaloni längſt verlaſſen und marſchieren durch die Wälder. In einer Stunde können ſie hier ſein.“
„Poſtiert euch jenſeits des erſten Thales und zieht euch, wenn ſie kommen, zurück. Die Unſerigen werden euch oben erwarten!“
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[38/0052]
„Ich denke, daß dies das Richtige ſein wird.“
„Man wird dich töten!“
„Nein. Ich ſtehe unter dem Schutze des Großherrn
und des Muteſſarif.“
„Aber du biſt unſer Freund; du haſt die Artilleriſten
gefangen genommen; das wird dir das Leben koſten!“
„Wer wird das den Türken erzählen? Ich bleibe
hier mit Halef und dem Baſchi-Bozuk. So kann ich für
euch vielleicht mehr thun, als wenn ich in euren Reihen
kämpfe“
„Du magſt recht haben, Emir; aber wenn wir
ſchießen, kannſt auch du verwundet oder vielleicht gar ge-
tötet werden!“
„Das glaube ich nicht, denn ich werde mich hüten,
mich euern Kugeln auszuſetzen.“
Da öffnete ſich die Thüre, und ein Mann trat herein.
Er gehörte zu den Poſten, welche Ali Bey ausgeſtellt hatte.
„Herr,“ meldete er ihm, „wir haben uns zurückge-
zogen, denn die Türken ſind bereits in Baadri. In einer
Stunde ſind ſie hier.“
„Kehre zurück und ſage den Deinen, daß ſie immer
in der Nähe der Türken bleiben, ſich aber von ihnen nicht
ſehen laſſen ſollen!“
Wir gingen vor das Haus. Die Frauen und Kinder
zogen an uns vorüber und verſchwanden hinter dem Heilig-
tume. Da kam ein zweiter Bote atemlos gelaufen und
meldete:
„Herr, die Türken haben Kaloni längſt verlaſſen und
marſchieren durch die Wälder. In einer Stunde können
ſie hier ſein.“
„Poſtiert euch jenſeits des erſten Thales und zieht
euch, wenn ſie kommen, zurück. Die Unſerigen werden
euch oben erwarten!“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/52>, abgerufen am 23.12.2024.
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