bist im stande, deine Drohung wahr zu machen. Ihr sollt meine Gäste sein!"
"Auch der Bey?"
"Auch er. Aber auch ihr müßt mir versprechen, Lizan nicht ohne meine Erlaubnis zu verlassen!"
"Ich verspreche es."
"Für dich und alle anderen?"
"Ja. Doch stelle ich einige Bedingungen."
"Welche?"
"Wir dürfen alles behalten, was uns gehört?"
"Zugestanden!"
"Und sobald man sich feindselig gegen uns verhält, bin ich meines Versprechens entbunden?"
"So sei es!"
"Nun bin ich zufrieden. Reiche uns deine Hand, und dann magst du zu dem Verwundeten zurückkehren. Soll ich ihn verbinden?"
"Nein, Herr! Dein Anblick würde ihn zur größten Wut entflammen, und es wird wohl andere Hilfe geben. Ich zürne dir, denn du hast mich besiegt. Ich fürchte mich vor dir, aber ich habe dich dennoch lieb. Eßt euer Lamm, und schlaft dann in Frieden. Es wird euch nie- mand ein Leid thun!"
Er reichte uns allen die Hand und kehrte dann in das Haus zurück. Dieser Mann war mir nicht mehr ge- fährlich. Und auch den Mienen der anderen sah man es an, daß unser Verhalten nicht ohne tiefen Eindruck ge- blieben sei. Dem Mutigen gehört die Welt, und Kur- distan gehört ja auch zu derselben.
Jetzt konnten wir ohne Besorgnis dem Spießbraten zusprechen, und während des Essens mußte ich den Ge- fährten meine mit dem Melek geführte Verhandlung verdolmetschen. Der Engländer schüttelte bedenklich den
biſt im ſtande, deine Drohung wahr zu machen. Ihr ſollt meine Gäſte ſein!“
„Auch der Bey?“
„Auch er. Aber auch ihr müßt mir verſprechen, Lizan nicht ohne meine Erlaubnis zu verlaſſen!“
„Ich verſpreche es.“
„Für dich und alle anderen?“
„Ja. Doch ſtelle ich einige Bedingungen.“
„Welche?“
„Wir dürfen alles behalten, was uns gehört?“
„Zugeſtanden!“
„Und ſobald man ſich feindſelig gegen uns verhält, bin ich meines Verſprechens entbunden?“
„So ſei es!“
„Nun bin ich zufrieden. Reiche uns deine Hand, und dann magſt du zu dem Verwundeten zurückkehren. Soll ich ihn verbinden?“
„Nein, Herr! Dein Anblick würde ihn zur größten Wut entflammen, und es wird wohl andere Hilfe geben. Ich zürne dir, denn du haſt mich beſiegt. Ich fürchte mich vor dir, aber ich habe dich dennoch lieb. Eßt euer Lamm, und ſchlaft dann in Frieden. Es wird euch nie- mand ein Leid thun!“
Er reichte uns allen die Hand und kehrte dann in das Haus zurück. Dieſer Mann war mir nicht mehr ge- fährlich. Und auch den Mienen der anderen ſah man es an, daß unſer Verhalten nicht ohne tiefen Eindruck ge- blieben ſei. Dem Mutigen gehört die Welt, und Kur- diſtan gehört ja auch zu derſelben.
Jetzt konnten wir ohne Beſorgnis dem Spießbraten zuſprechen, und während des Eſſens mußte ich den Ge- fährten meine mit dem Melek geführte Verhandlung verdolmetſchen. Der Engländer ſchüttelte bedenklich den
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[505/0519]
biſt im ſtande, deine Drohung wahr zu machen. Ihr ſollt
meine Gäſte ſein!“
„Auch der Bey?“
„Auch er. Aber auch ihr müßt mir verſprechen,
Lizan nicht ohne meine Erlaubnis zu verlaſſen!“
„Ich verſpreche es.“
„Für dich und alle anderen?“
„Ja. Doch ſtelle ich einige Bedingungen.“
„Welche?“
„Wir dürfen alles behalten, was uns gehört?“
„Zugeſtanden!“
„Und ſobald man ſich feindſelig gegen uns verhält,
bin ich meines Verſprechens entbunden?“
„So ſei es!“
„Nun bin ich zufrieden. Reiche uns deine Hand, und
dann magſt du zu dem Verwundeten zurückkehren. Soll
ich ihn verbinden?“
„Nein, Herr! Dein Anblick würde ihn zur größten
Wut entflammen, und es wird wohl andere Hilfe geben.
Ich zürne dir, denn du haſt mich beſiegt. Ich fürchte
mich vor dir, aber ich habe dich dennoch lieb. Eßt euer
Lamm, und ſchlaft dann in Frieden. Es wird euch nie-
mand ein Leid thun!“
Er reichte uns allen die Hand und kehrte dann in
das Haus zurück. Dieſer Mann war mir nicht mehr ge-
fährlich. Und auch den Mienen der anderen ſah man es
an, daß unſer Verhalten nicht ohne tiefen Eindruck ge-
blieben ſei. Dem Mutigen gehört die Welt, und Kur-
diſtan gehört ja auch zu derſelben.
Jetzt konnten wir ohne Beſorgnis dem Spießbraten
zuſprechen, und während des Eſſens mußte ich den Ge-
fährten meine mit dem Melek geführte Verhandlung
verdolmetſchen. Der Engländer ſchüttelte bedenklich den
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/519>, abgerufen am 23.12.2024.
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