Plätzen erhoben und zu den Waffen gegriffen. Ganz dasselbe thaten auch wir. Nur allein der Englishman saß noch am Boden. Sein Mund klappte in allen mög- lichen geometrischen Figuren auf und zu, und seine Nase war von einer so außerordentlichen Bestürzung ergriffen, daß sie matt und hoffnungslos hernieder hing.
"Seid ihr perplex, Sir?" fragte ich ihn.
Er holte tief Atem, nahm sein Gewehr und stand langsam auf.
"Master, bald hätte mich der Schlag gerührt!" ge- stand er aufrichtig.
"Eines Schusses wegen? Pah!"
"Oh, nicht dieses Schusses wegen!"
"Weshalb sonst?"
"Des Hiebes wegen, den ich erhalten habe. Mein Messer ist in alle Welt gefahren, und dieses Stück Fleisch vom Schafe flog mir in das Gesicht mit einer Gewalt, als hätte ich von dem Obersteuermann eines Orlogschiffes eine riesige Ohrfeige erhalten. Da, seht meine Wange, und hier liegt das Fleisch im Grase!"
"Sihdi, kommt es zum Kampfe?" fragte Halef, indem er seine Pistolen im Gürtel lockerte.
"Ich glaube es nicht."
"Und wenn auch; wir fürchten uns nicht!"
Der kleine, wackere Mann warf einen verächtlichen Blick auf die Chaldäer, welche allerdings noch keine feind- seligen Bewegungen machten, sondern ruhig abwarteten, was der Unteranführer für eine Botschaft bringen werde.
Er kam sehr bald zurück, und zwar in Begleitung des Melek, welcher mit drohender Miene zu unserm Feuer trat.
"Wer hat hier geschossen?" erkundigte er sich.
"Ich," antwortete ich. "Weil auf mich geschossen wurde."
Plätzen erhoben und zu den Waffen gegriffen. Ganz dasſelbe thaten auch wir. Nur allein der Engliſhman ſaß noch am Boden. Sein Mund klappte in allen mög- lichen geometriſchen Figuren auf und zu, und ſeine Naſe war von einer ſo außerordentlichen Beſtürzung ergriffen, daß ſie matt und hoffnungslos hernieder hing.
„Seid ihr perplex, Sir?“ fragte ich ihn.
Er holte tief Atem, nahm ſein Gewehr und ſtand langſam auf.
„Maſter, bald hätte mich der Schlag gerührt!“ ge- ſtand er aufrichtig.
„Eines Schuſſes wegen? Pah!“
„Oh, nicht dieſes Schuſſes wegen!“
„Weshalb ſonſt?“
„Des Hiebes wegen, den ich erhalten habe. Mein Meſſer iſt in alle Welt gefahren, und dieſes Stück Fleiſch vom Schafe flog mir in das Geſicht mit einer Gewalt, als hätte ich von dem Oberſteuermann eines Orlogſchiffes eine rieſige Ohrfeige erhalten. Da, ſeht meine Wange, und hier liegt das Fleiſch im Graſe!“
„Sihdi, kommt es zum Kampfe?“ fragte Halef, indem er ſeine Piſtolen im Gürtel lockerte.
„Ich glaube es nicht.“
„Und wenn auch; wir fürchten uns nicht!“
Der kleine, wackere Mann warf einen verächtlichen Blick auf die Chaldäer, welche allerdings noch keine feind- ſeligen Bewegungen machten, ſondern ruhig abwarteten, was der Unteranführer für eine Botſchaft bringen werde.
Er kam ſehr bald zurück, und zwar in Begleitung des Melek, welcher mit drohender Miene zu unſerm Feuer trat.
„Wer hat hier geſchoſſen?“ erkundigte er ſich.
„Ich,“ antwortete ich. „Weil auf mich geſchoſſen wurde.“
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Plätzen erhoben und zu den Waffen gegriffen. Ganz
dasſelbe thaten auch wir. Nur allein der Engliſhman
ſaß noch am Boden. Sein Mund klappte in allen mög-
lichen geometriſchen Figuren auf und zu, und ſeine Naſe
war von einer ſo außerordentlichen Beſtürzung ergriffen,
daß ſie matt und hoffnungslos hernieder hing.
„Seid ihr perplex, Sir?“ fragte ich ihn.
Er holte tief Atem, nahm ſein Gewehr und ſtand
langſam auf.
„Maſter, bald hätte mich der Schlag gerührt!“ ge-
ſtand er aufrichtig.
„Eines Schuſſes wegen? Pah!“
„Oh, nicht dieſes Schuſſes wegen!“
„Weshalb ſonſt?“
„Des Hiebes wegen, den ich erhalten habe. Mein
Meſſer iſt in alle Welt gefahren, und dieſes Stück Fleiſch
vom Schafe flog mir in das Geſicht mit einer Gewalt,
als hätte ich von dem Oberſteuermann eines Orlogſchiffes
eine rieſige Ohrfeige erhalten. Da, ſeht meine Wange,
und hier liegt das Fleiſch im Graſe!“
„Sihdi, kommt es zum Kampfe?“ fragte Halef, indem
er ſeine Piſtolen im Gürtel lockerte.
„Ich glaube es nicht.“
„Und wenn auch; wir fürchten uns nicht!“
Der kleine, wackere Mann warf einen verächtlichen
Blick auf die Chaldäer, welche allerdings noch keine feind-
ſeligen Bewegungen machten, ſondern ruhig abwarteten,
was der Unteranführer für eine Botſchaft bringen werde.
Er kam ſehr bald zurück, und zwar in Begleitung
des Melek, welcher mit drohender Miene zu unſerm
Feuer trat.
„Wer hat hier geſchoſſen?“ erkundigte er ſich.
„Ich,“ antwortete ich. „Weil auf mich geſchoſſen wurde.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/512>, abgerufen am 23.12.2024.
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