glaube mir, daß wir hier besser aufgehoben sind, als unter diesem Dache, unter welchem ich bereits einmal be- trogen und verraten wurde."
"Es wird nicht wieder geschehen. Komm!"
Er nahm mich bei dem Arme; ich aber zog denselben zurück und trat zur Seite.
"Wir bleiben hier!" sagte ich sehr bestimmt. "Wir sind nicht gewohnt, uns von unsern Pferden zu trennen. Hier wächst Gras genug für sie zum Futter und für uns zum Lager."
"Ganz wie du willst, Chodih," antwortete er. "Aber ich sage dir, daß ich euch sehr scharf bewachen lassen werde."
"Thue es!"
"Sollte einer von euch zu entfliehen versuchen, so lasse ich ihn erschießen."
"Thue auch das!"
"Du siehst, daß ich dir deinen Willen lasse; aber einer muß mir doch in das Haus folgen."
"Welcher?"
"Der Bey."
"Warum dieser?"
"Ihr seid nicht eigentlich meine Gefangenen; er aber ist ein solcher."
"Er wird dennoch bei mir bleiben, denn ich gebe dir mein Wort, daß er nicht entfliehen wird. Und dieses Wort ist sicherer als die Mauern, zwischen denen du ihn einschließen willst."
"Du bürgst für ihn?"
"Mit meinem Leben!"
"Nun wohl, so geschehe, wie du willst. Aber ich sage dir, daß ich dein Leben wirklich von dir fordern werde, wenn er sich entfernt! Ich werde dir Matten
glaube mir, daß wir hier beſſer aufgehoben ſind, als unter dieſem Dache, unter welchem ich bereits einmal be- trogen und verraten wurde.“
„Es wird nicht wieder geſchehen. Komm!“
Er nahm mich bei dem Arme; ich aber zog denſelben zurück und trat zur Seite.
„Wir bleiben hier!“ ſagte ich ſehr beſtimmt. „Wir ſind nicht gewohnt, uns von unſern Pferden zu trennen. Hier wächſt Gras genug für ſie zum Futter und für uns zum Lager.“
„Ganz wie du willſt, Chodih,“ antwortete er. „Aber ich ſage dir, daß ich euch ſehr ſcharf bewachen laſſen werde.“
„Thue es!“
„Sollte einer von euch zu entfliehen verſuchen, ſo laſſe ich ihn erſchießen.“
„Thue auch das!“
„Du ſiehſt, daß ich dir deinen Willen laſſe; aber einer muß mir doch in das Haus folgen.“
„Welcher?“
„Der Bey.“
„Warum dieſer?“
„Ihr ſeid nicht eigentlich meine Gefangenen; er aber iſt ein ſolcher.“
„Er wird dennoch bei mir bleiben, denn ich gebe dir mein Wort, daß er nicht entfliehen wird. Und dieſes Wort iſt ſicherer als die Mauern, zwiſchen denen du ihn einſchließen willſt.“
„Du bürgſt für ihn?“
„Mit meinem Leben!“
„Nun wohl, ſo geſchehe, wie du willſt. Aber ich ſage dir, daß ich dein Leben wirklich von dir fordern werde, wenn er ſich entfernt! Ich werde dir Matten
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glaube mir, daß wir hier beſſer aufgehoben ſind, als
unter dieſem Dache, unter welchem ich bereits einmal be-
trogen und verraten wurde.“
„Es wird nicht wieder geſchehen. Komm!“
Er nahm mich bei dem Arme; ich aber zog denſelben
zurück und trat zur Seite.
„Wir bleiben hier!“ ſagte ich ſehr beſtimmt. „Wir
ſind nicht gewohnt, uns von unſern Pferden zu trennen.
Hier wächſt Gras genug für ſie zum Futter und für uns
zum Lager.“
„Ganz wie du willſt, Chodih,“ antwortete er. „Aber
ich ſage dir, daß ich euch ſehr ſcharf bewachen laſſen
werde.“
„Thue es!“
„Sollte einer von euch zu entfliehen verſuchen, ſo
laſſe ich ihn erſchießen.“
„Thue auch das!“
„Du ſiehſt, daß ich dir deinen Willen laſſe; aber
einer muß mir doch in das Haus folgen.“
„Welcher?“
„Der Bey.“
„Warum dieſer?“
„Ihr ſeid nicht eigentlich meine Gefangenen; er aber
iſt ein ſolcher.“
„Er wird dennoch bei mir bleiben, denn ich gebe dir
mein Wort, daß er nicht entfliehen wird. Und dieſes
Wort iſt ſicherer als die Mauern, zwiſchen denen du ihn
einſchließen willſt.“
„Du bürgſt für ihn?“
„Mit meinem Leben!“
„Nun wohl, ſo geſchehe, wie du willſt. Aber ich
ſage dir, daß ich dein Leben wirklich von dir fordern
werde, wenn er ſich entfernt! Ich werde dir Matten
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/509>, abgerufen am 23.12.2024.
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