"Versuche es!" antwortete ich. "Ehe du das Messer erhebst, ist dein Bruder zerrissen, und du liegst an seiner Stelle an der Erde. Dieser Hund ist ein Slogi von der reinsten Rasse. Siehst du, daß er dich bereits im Auge hat?"
"Ich gebiete dir, ihn wegzurufen!"
"Gebieten? Pah! Ich habe dir gesagt, daß wir dir nach Lizan folgen wollen, ohne Gebrauch von unsern Waffen zu machen; aber ich habe dir nicht erlaubt, dich als unsern Herrn und Gebieter zu betrachten. Dein Bruder hat bereits einmal unter diesem tapfern Hunde gelegen, und ich gab ihm seine Freiheit wieder. Jetzt werde ich dies nicht mehr thun, als bis ich die Ueber- zeugung habe, daß er fortan Frieden hält."
"Er wird es thun."
"Giebst du mir dein Wort darauf?"
"Ich gebe es!"
"Ich halte es fest und warne dich, es nicht zu brechen!"
Auf ein Wort von mir ließ Dojan von dem Chal- däer ab. Dieser erhob sich, um sich eiligst zurückzuziehen; aber ehe er unter der Thüre verschwand, hob er die ge- ballte Rechte drohend gegen mich empor. Ich hatte einen schlimmen Feind an ihm bekommen.
Auch auf den Melek schien der unangenehme Vor- gang einen für uns nicht vorteilhaften Eindruck hervor- gebracht zu haben. Seine Miene war strenger und sein Auge finsterer geworden, als vorher.
"Tretet ein!" gebot er, auf die Thüre des Hauses deutend.
"Erlaube, daß wir im Freien bleiben!" sagte ich.
"Ihr werdet in dem Hause sicherer und auch besser schlafen," antwortete er in sehr entschiedenem Tone.
"Wenn es dir auf unsere Sicherheit ankommt, so
„Verſuche es!“ antwortete ich. „Ehe du das Meſſer erhebſt, iſt dein Bruder zerriſſen, und du liegſt an ſeiner Stelle an der Erde. Dieſer Hund iſt ein Slogi von der reinſten Raſſe. Siehſt du, daß er dich bereits im Auge hat?“
„Ich gebiete dir, ihn wegzurufen!“
„Gebieten? Pah! Ich habe dir geſagt, daß wir dir nach Lizan folgen wollen, ohne Gebrauch von unſern Waffen zu machen; aber ich habe dir nicht erlaubt, dich als unſern Herrn und Gebieter zu betrachten. Dein Bruder hat bereits einmal unter dieſem tapfern Hunde gelegen, und ich gab ihm ſeine Freiheit wieder. Jetzt werde ich dies nicht mehr thun, als bis ich die Ueber- zeugung habe, daß er fortan Frieden hält.“
„Er wird es thun.“
„Giebſt du mir dein Wort darauf?“
„Ich gebe es!“
„Ich halte es feſt und warne dich, es nicht zu brechen!“
Auf ein Wort von mir ließ Dojan von dem Chal- däer ab. Dieſer erhob ſich, um ſich eiligſt zurückzuziehen; aber ehe er unter der Thüre verſchwand, hob er die ge- ballte Rechte drohend gegen mich empor. Ich hatte einen ſchlimmen Feind an ihm bekommen.
Auch auf den Melek ſchien der unangenehme Vor- gang einen für uns nicht vorteilhaften Eindruck hervor- gebracht zu haben. Seine Miene war ſtrenger und ſein Auge finſterer geworden, als vorher.
„Tretet ein!“ gebot er, auf die Thüre des Hauſes deutend.
„Erlaube, daß wir im Freien bleiben!“ ſagte ich.
„Ihr werdet in dem Hauſe ſicherer und auch beſſer ſchlafen,“ antwortete er in ſehr entſchiedenem Tone.
„Wenn es dir auf unſere Sicherheit ankommt, ſo
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„Verſuche es!“ antwortete ich. „Ehe du das Meſſer
erhebſt, iſt dein Bruder zerriſſen, und du liegſt an ſeiner
Stelle an der Erde. Dieſer Hund iſt ein Slogi von der
reinſten Raſſe. Siehſt du, daß er dich bereits im Auge hat?“
„Ich gebiete dir, ihn wegzurufen!“
„Gebieten? Pah! Ich habe dir geſagt, daß wir
dir nach Lizan folgen wollen, ohne Gebrauch von unſern
Waffen zu machen; aber ich habe dir nicht erlaubt, dich
als unſern Herrn und Gebieter zu betrachten. Dein
Bruder hat bereits einmal unter dieſem tapfern Hunde
gelegen, und ich gab ihm ſeine Freiheit wieder. Jetzt
werde ich dies nicht mehr thun, als bis ich die Ueber-
zeugung habe, daß er fortan Frieden hält.“
„Er wird es thun.“
„Giebſt du mir dein Wort darauf?“
„Ich gebe es!“
„Ich halte es feſt und warne dich, es nicht zu
brechen!“
Auf ein Wort von mir ließ Dojan von dem Chal-
däer ab. Dieſer erhob ſich, um ſich eiligſt zurückzuziehen;
aber ehe er unter der Thüre verſchwand, hob er die ge-
ballte Rechte drohend gegen mich empor. Ich hatte einen
ſchlimmen Feind an ihm bekommen.
Auch auf den Melek ſchien der unangenehme Vor-
gang einen für uns nicht vorteilhaften Eindruck hervor-
gebracht zu haben. Seine Miene war ſtrenger und ſein
Auge finſterer geworden, als vorher.
„Tretet ein!“ gebot er, auf die Thüre des Hauſes
deutend.
„Erlaube, daß wir im Freien bleiben!“ ſagte ich.
„Ihr werdet in dem Hauſe ſicherer und auch beſſer
ſchlafen,“ antwortete er in ſehr entſchiedenem Tone.
„Wenn es dir auf unſere Sicherheit ankommt, ſo
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/508>, abgerufen am 23.12.2024.
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