Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm nach, und die Kurden waren gerettet.
Nun aber mußte ich sehr bald eine Bemerkung machen, die mir nicht angenehm sein konnte. Der Falbe des Melek war nämlich ein besserer Bergsteiger noch als mein Rappe. Diesen mußte ich immer mehr anstrengen, und dennoch verkleinerte sich die Distanz zwischen mir und dem Ver- folger. Am beschwerlichsten war der obere Teil der Schlucht, wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die aus losem Gestein bestand, welches unter den Hufen des Pferdes nachgab. Ich streichelte und liebkoste das Tier; es stöhnte und schnaufte und that sein möglichstes -- end- lich waren wir oben.
Da aber krachte hinter mir auch schon der Schuß des Melek; glücklicherweise traf er nicht.
Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über- blicken. Ich sah nichts als unbewaldete, kahle Höhen, zwischen denen es keinen Pfad zu geben schien. Am gang- barsten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten lag, und lenkte auf sie zu. Die Kuppe, auf welcher ich mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben; darum gewann ich wieder etwas Vorsprung.
Jetzt ging es bergab, wo sich mir eine natürliche Felsenbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den- selben und ritt auf ihm rasch vorwärts.
Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek hatte ihn ausgestoßen. War es ein Ruf des Aergers, mich entkommen zu sehen? Fast klang es aber wie ein War- nungsruf. Ich ritt vorwärts und sah den Melek mir vorsichtig folgen. Die Terrainverhältnisse wurden immer schwieriger. Zu meiner Rechten stieg der Fels steil in die Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer schmaler.
Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm nach, und die Kurden waren gerettet.
Nun aber mußte ich ſehr bald eine Bemerkung machen, die mir nicht angenehm ſein konnte. Der Falbe des Melek war nämlich ein beſſerer Bergſteiger noch als mein Rappe. Dieſen mußte ich immer mehr anſtrengen, und dennoch verkleinerte ſich die Diſtanz zwiſchen mir und dem Ver- folger. Am beſchwerlichſten war der obere Teil der Schlucht, wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die aus loſem Geſtein beſtand, welches unter den Hufen des Pferdes nachgab. Ich ſtreichelte und liebkoſte das Tier; es ſtöhnte und ſchnaufte und that ſein möglichſtes — end- lich waren wir oben.
Da aber krachte hinter mir auch ſchon der Schuß des Melek; glücklicherweiſe traf er nicht.
Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über- blicken. Ich ſah nichts als unbewaldete, kahle Höhen, zwiſchen denen es keinen Pfad zu geben ſchien. Am gang- barſten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten lag, und lenkte auf ſie zu. Die Kuppe, auf welcher ich mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben; darum gewann ich wieder etwas Vorſprung.
Jetzt ging es bergab, wo ſich mir eine natürliche Felſenbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den- ſelben und ritt auf ihm raſch vorwärts.
Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek hatte ihn ausgeſtoßen. War es ein Ruf des Aergers, mich entkommen zu ſehen? Faſt klang es aber wie ein War- nungsruf. Ich ritt vorwärts und ſah den Melek mir vorſichtig folgen. Die Terrainverhältniſſe wurden immer ſchwieriger. Zu meiner Rechten ſtieg der Fels ſteil in die Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer ſchmaler.
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Melek mir folgte. Jedenfalls ritten auch die Seinen ihm
nach, und die Kurden waren gerettet.
Nun aber mußte ich ſehr bald eine Bemerkung machen,
die mir nicht angenehm ſein konnte. Der Falbe des Melek
war nämlich ein beſſerer Bergſteiger noch als mein Rappe.
Dieſen mußte ich immer mehr anſtrengen, und dennoch
verkleinerte ſich die Diſtanz zwiſchen mir und dem Ver-
folger. Am beſchwerlichſten war der obere Teil der Schlucht,
wo es eine ziemliche Steilung zu überwinden gab, die
aus loſem Geſtein beſtand, welches unter den Hufen des
Pferdes nachgab. Ich ſtreichelte und liebkoſte das Tier;
es ſtöhnte und ſchnaufte und that ſein möglichſtes — end-
lich waren wir oben.
Da aber krachte hinter mir auch ſchon der Schuß des
Melek; glücklicherweiſe traf er nicht.
Nun galt es vor allen Dingen, das Terrain zu über-
blicken. Ich ſah nichts als unbewaldete, kahle Höhen,
zwiſchen denen es keinen Pfad zu geben ſchien. Am gang-
barſten hielt ich eine Bergwand, welche mir zur Rechten
lag, und lenkte auf ſie zu. Die Kuppe, auf welcher ich
mich befand, war eine ziemliche Strecke lang beinahe eben;
darum gewann ich wieder etwas Vorſprung.
Jetzt ging es bergab, wo ſich mir eine natürliche
Felſenbahn zeigte, die einem Wege glich. Ich erreichte den-
ſelben und ritt auf ihm raſch vorwärts.
Ueber mir ertönte ein lauter Schrei. Der Melek
hatte ihn ausgeſtoßen. War es ein Ruf des Aergers, mich
entkommen zu ſehen? Faſt klang es aber wie ein War-
nungsruf. Ich ritt vorwärts und ſah den Melek mir
vorſichtig folgen. Die Terrainverhältniſſe wurden immer
ſchwieriger. Zu meiner Rechten ſtieg der Fels ſteil in die
Höhe, und zu meiner Linken fiel er beinahe lotrecht zur
Tiefe hinab, und dabei wurde der Pfad immer ſchmaler.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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