sich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe grasen, und augenblicklich forteilen, so könnte ich ihnen vielleicht den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß die Nestorianer nicht auf mich schießen werden."
"Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!"
"Müßte aber schnell geschehen. Seid Ihr dabei?"
"Yes! Wird interessant!"
"Aber wir schießen nicht, Sir!"
"Warum nicht?"
"Das wäre undankbar gegen den Melek."
"Aber dann werden sie uns fangen!"
"Ich glaube nicht. Mein Pferd ist gut, das Eurige auch, und wenn die andern Klepper schlecht sind, so ent- weicht man in die Büsche. Also seid Ihr bereit?"
"O, yes!"
"So paßt auf!"
Ich drehte mich wieder zu dem Melek.
"Was habt Ihr beschlossen?" fragte er.
"Wir bleiben dem Bey treu."
"So lehnt ihr meine Freundschaft ab?"
"Nein. Aber du wirst uns erlauben, unsere Pflicht zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich sage dir auf- richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be- freien."
Er lächelte und sagte:
"Und wenn ihr geht und alle seine Krieger ruft, so werden sie dennoch zu spät kommen, weil wir dann bereits fort sind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn ihr ihm helfen wollt, so muß ich euch zurückbehalten."
Ich hatte mich erhoben, und Lindsay stand bereits bei seinem Pferde.
"Zurückbehalten?" fragte ich, aber nur um Zeit zu gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und
II. 31
ſich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe graſen, und augenblicklich forteilen, ſo könnte ich ihnen vielleicht den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß die Neſtorianer nicht auf mich ſchießen werden.“
„Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!“
„Müßte aber ſchnell geſchehen. Seid Ihr dabei?“
„Yes! Wird intereſſant!“
„Aber wir ſchießen nicht, Sir!“
„Warum nicht?“
„Das wäre undankbar gegen den Melek.“
„Aber dann werden ſie uns fangen!“
„Ich glaube nicht. Mein Pferd iſt gut, das Eurige auch, und wenn die andern Klepper ſchlecht ſind, ſo ent- weicht man in die Büſche. Alſo ſeid Ihr bereit?“
„O, yes!“
„So paßt auf!“
Ich drehte mich wieder zu dem Melek.
„Was habt Ihr beſchloſſen?“ fragte er.
„Wir bleiben dem Bey treu.“
„So lehnt ihr meine Freundſchaft ab?“
„Nein. Aber du wirſt uns erlauben, unſere Pflicht zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich ſage dir auf- richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be- freien.“
Er lächelte und ſagte:
„Und wenn ihr geht und alle ſeine Krieger ruft, ſo werden ſie dennoch zu ſpät kommen, weil wir dann bereits fort ſind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn ihr ihm helfen wollt, ſo muß ich euch zurückbehalten.“
Ich hatte mich erhoben, und Lindſay ſtand bereits bei ſeinem Pferde.
„Zurückbehalten?“ fragte ich, aber nur um Zeit zu gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und
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ſich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe graſen,
und augenblicklich forteilen, ſo könnte ich ihnen vielleicht
den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß
die Neſtorianer nicht auf mich ſchießen werden.“
„Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!“
„Müßte aber ſchnell geſchehen. Seid Ihr dabei?“
„Yes! Wird intereſſant!“
„Aber wir ſchießen nicht, Sir!“
„Warum nicht?“
„Das wäre undankbar gegen den Melek.“
„Aber dann werden ſie uns fangen!“
„Ich glaube nicht. Mein Pferd iſt gut, das Eurige
auch, und wenn die andern Klepper ſchlecht ſind, ſo ent-
weicht man in die Büſche. Alſo ſeid Ihr bereit?“
„O, yes!“
„So paßt auf!“
Ich drehte mich wieder zu dem Melek.
„Was habt Ihr beſchloſſen?“ fragte er.
„Wir bleiben dem Bey treu.“
„So lehnt ihr meine Freundſchaft ab?“
„Nein. Aber du wirſt uns erlauben, unſere Pflicht
zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich ſage dir auf-
richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be-
freien.“
Er lächelte und ſagte:
„Und wenn ihr geht und alle ſeine Krieger ruft, ſo
werden ſie dennoch zu ſpät kommen, weil wir dann bereits
fort ſind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn
ihr ihm helfen wollt, ſo muß ich euch zurückbehalten.“
Ich hatte mich erhoben, und Lindſay ſtand bereits
bei ſeinem Pferde.
„Zurückbehalten?“ fragte ich, aber nur um Zeit zu
gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/495>, abgerufen am 22.11.2024.
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