"Ich bin der Gast des Bey; sein Schicksal ist auch das meinige. Ich werde mit ihm kämpfen, mit ihm siegen oder unterliegen."
"Marah Durimeh hat mir gesagt, daß du ein Emir bist, also ein tapferer Krieger. Aber bedenke, daß die Tapferkeit sehr oft in das Verderben führt, wenn sie nicht auch besonnen ist. Dein Gefährte hat nicht verstanden, was wir sprechen. Rede mit ihm und frage ihn, was du beschließen sollst!"
Diese Aufforderung kam mir ungemein erwünscht, denn sie gab mir Gelegenheit, mich mit dem Engländer zu verständigen.
Ich wandte mich also zu diesem:
"Sir, wir haben einen Empfang gefunden, wie ich ihn mir nicht träumen lassen konnte!"
So! Schlimm?"
"Nein, freundlich. Der Melek kennt uns. Die alte Christin, deren Enkelkind ich in Amadijah heilte, hat ihm von uns erzählt. Wir sollen als seine Gastfreunde mit nach Lizan gehen."
"Well! Sehr gut! Vortrefflich!"
"Aber dann handeln wir, sozusagen, undankbar an dem Bey; denn er bleibt gefangen und wird vielleicht getötet."
"Hm! Unangenehm! Ist ein guter Kerl!"
"Freilich! Vielleicht wäre es möglich, mit ihm von hier zu entkommen."
"Wie so?"
"Die Gefangenen sind nicht gefesselt. Jeder von ihnen bedarf nur ein Pferd. Wenn sie schnell aufspringen,
„Das iſt möglich.“
„So kann ich nicht mit dir gehen!“
„Warum nicht?“
„Ich bin der Gaſt des Bey; ſein Schickſal iſt auch das meinige. Ich werde mit ihm kämpfen, mit ihm ſiegen oder unterliegen.“
„Marah Durimeh hat mir geſagt, daß du ein Emir biſt, alſo ein tapferer Krieger. Aber bedenke, daß die Tapferkeit ſehr oft in das Verderben führt, wenn ſie nicht auch beſonnen iſt. Dein Gefährte hat nicht verſtanden, was wir ſprechen. Rede mit ihm und frage ihn, was du beſchließen ſollſt!“
Dieſe Aufforderung kam mir ungemein erwünſcht, denn ſie gab mir Gelegenheit, mich mit dem Engländer zu verſtändigen.
Ich wandte mich alſo zu dieſem:
„Sir, wir haben einen Empfang gefunden, wie ich ihn mir nicht träumen laſſen konnte!“
So! Schlimm?“
„Nein, freundlich. Der Melek kennt uns. Die alte Chriſtin, deren Enkelkind ich in Amadijah heilte, hat ihm von uns erzählt. Wir ſollen als ſeine Gaſtfreunde mit nach Lizan gehen.“
„Well! Sehr gut! Vortrefflich!“
„Aber dann handeln wir, ſozuſagen, undankbar an dem Bey; denn er bleibt gefangen und wird vielleicht getötet.“
„Hm! Unangenehm! Iſt ein guter Kerl!“
„Freilich! Vielleicht wäre es möglich, mit ihm von hier zu entkommen.“
„Wie ſo?“
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„Das iſt möglich.“
„So kann ich nicht mit dir gehen!“
„Warum nicht?“
„Ich bin der Gaſt des Bey; ſein Schickſal iſt auch
das meinige. Ich werde mit ihm kämpfen, mit ihm
ſiegen oder unterliegen.“
„Marah Durimeh hat mir geſagt, daß du ein Emir
biſt, alſo ein tapferer Krieger. Aber bedenke, daß die
Tapferkeit ſehr oft in das Verderben führt, wenn ſie
nicht auch beſonnen iſt. Dein Gefährte hat nicht verſtanden,
was wir ſprechen. Rede mit ihm und frage ihn, was
du beſchließen ſollſt!“
Dieſe Aufforderung kam mir ungemein erwünſcht,
denn ſie gab mir Gelegenheit, mich mit dem Engländer
zu verſtändigen.
Ich wandte mich alſo zu dieſem:
„Sir, wir haben einen Empfang gefunden, wie ich
ihn mir nicht träumen laſſen konnte!“
So! Schlimm?“
„Nein, freundlich. Der Melek kennt uns. Die alte
Chriſtin, deren Enkelkind ich in Amadijah heilte, hat ihm
von uns erzählt. Wir ſollen als ſeine Gaſtfreunde mit
nach Lizan gehen.“
„Well! Sehr gut! Vortrefflich!“
„Aber dann handeln wir, ſozuſagen, undankbar an
dem Bey; denn er bleibt gefangen und wird vielleicht
getötet.“
„Hm! Unangenehm! Iſt ein guter Kerl!“
„Freilich! Vielleicht wäre es möglich, mit ihm von
hier zu entkommen.“
„Wie ſo?“
„Die Gefangenen ſind nicht gefeſſelt. Jeder von
ihnen bedarf nur ein Pferd. Wenn ſie ſchnell aufſpringen,
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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