"Nie, und müßte ich sie einzeln in Kurdistan wieder zusammensuchen!"
"Well; ich suche mit!"
Wir ritten durch ein breites Thal, welches zwei Höhenzüge trennte, die sich von Nordwest nach Südost erstreckten; dann ging es links zwischen den Bergen empor, bis wir auf eine Hochebene gelangten, von welcher aus man im Osten die Häuser mehrerer Ortschaften und einen Fluß erblickte, in welchen sich mehrere Bäche ergossen. In dieser Gegend mußten Murghi und Lizan liegen, denn nach meiner Ansicht waren wir bereits über Seraruh hinaus.
Hier oben wurde unter Eichen Halt gemacht. Die Reiter stiegen von den Pferden. Auch wir durften herab, wurden aber miteinander an den Stamm eines Baumes gebunden. Ein jeder holte hervor, was er an Eßwaren bei sich hatte, und wir erhielten die Erlaubnis, zuzusehen. Lindsay räusperte sich verdrießlich und knurrte:
"Wißt Ihr, worauf ich mich gefreut hatte, Sir?"
"Nun auf was?"
"Auf Bärenschinken und Bärentatzen."
"Dieses Gelüste laßt Euch vergehen! Habt Ihr Hunger?"
"Nein, bin satt vor Aerger! Schaut den Kerl! Kann sich mit den Revolvern nicht zurechtfinden!"
Die Leute konnten jetzt mit Ruhe alles betrachten, was sie uns abgenommen hatten. Wir sahen unser Eigen- tum durch alle Hände wandern, und nächst dem Gelde, welches aber sehr sorgfältig wieder aufgehoben wurde, erregten besonders unsere Waffen die Aufmerksamkeit der neuen Inhaber. Der Anführer hielt meine beiden Re- volver in der Hand. Er konnte über sie nicht klug wer- den, drehte sie hin und her und wandte sich endlich an mich mit den Worten: "Das sind Waffen?"
„Nie, und müßte ich ſie einzeln in Kurdiſtan wieder zuſammenſuchen!“
„Well; ich ſuche mit!“
Wir ritten durch ein breites Thal, welches zwei Höhenzüge trennte, die ſich von Nordweſt nach Südoſt erſtreckten; dann ging es links zwiſchen den Bergen empor, bis wir auf eine Hochebene gelangten, von welcher aus man im Oſten die Häuſer mehrerer Ortſchaften und einen Fluß erblickte, in welchen ſich mehrere Bäche ergoſſen. In dieſer Gegend mußten Murghi und Lizan liegen, denn nach meiner Anſicht waren wir bereits über Seraruh hinaus.
Hier oben wurde unter Eichen Halt gemacht. Die Reiter ſtiegen von den Pferden. Auch wir durften herab, wurden aber miteinander an den Stamm eines Baumes gebunden. Ein jeder holte hervor, was er an Eßwaren bei ſich hatte, und wir erhielten die Erlaubnis, zuzuſehen. Lindſay räuſperte ſich verdrießlich und knurrte:
„Wißt Ihr, worauf ich mich gefreut hatte, Sir?“
„Nun auf was?“
„Auf Bärenſchinken und Bärentatzen.“
„Dieſes Gelüſte laßt Euch vergehen! Habt Ihr Hunger?“
„Nein, bin ſatt vor Aerger! Schaut den Kerl! Kann ſich mit den Revolvern nicht zurechtfinden!“
Die Leute konnten jetzt mit Ruhe alles betrachten, was ſie uns abgenommen hatten. Wir ſahen unſer Eigen- tum durch alle Hände wandern, und nächſt dem Gelde, welches aber ſehr ſorgfältig wieder aufgehoben wurde, erregten beſonders unſere Waffen die Aufmerkſamkeit der neuen Inhaber. Der Anführer hielt meine beiden Re- volver in der Hand. Er konnte über ſie nicht klug wer- den, drehte ſie hin und her und wandte ſich endlich an mich mit den Worten: „Das ſind Waffen?“
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„Nie, und müßte ich ſie einzeln in Kurdiſtan wieder
zuſammenſuchen!“
„Well; ich ſuche mit!“
Wir ritten durch ein breites Thal, welches zwei
Höhenzüge trennte, die ſich von Nordweſt nach Südoſt
erſtreckten; dann ging es links zwiſchen den Bergen empor,
bis wir auf eine Hochebene gelangten, von welcher aus
man im Oſten die Häuſer mehrerer Ortſchaften und einen
Fluß erblickte, in welchen ſich mehrere Bäche ergoſſen. In
dieſer Gegend mußten Murghi und Lizan liegen, denn nach
meiner Anſicht waren wir bereits über Seraruh hinaus.
Hier oben wurde unter Eichen Halt gemacht. Die
Reiter ſtiegen von den Pferden. Auch wir durften herab,
wurden aber miteinander an den Stamm eines Baumes
gebunden. Ein jeder holte hervor, was er an Eßwaren
bei ſich hatte, und wir erhielten die Erlaubnis, zuzuſehen.
Lindſay räuſperte ſich verdrießlich und knurrte:
„Wißt Ihr, worauf ich mich gefreut hatte, Sir?“
„Nun auf was?“
„Auf Bärenſchinken und Bärentatzen.“
„Dieſes Gelüſte laßt Euch vergehen! Habt Ihr
Hunger?“
„Nein, bin ſatt vor Aerger! Schaut den Kerl! Kann
ſich mit den Revolvern nicht zurechtfinden!“
Die Leute konnten jetzt mit Ruhe alles betrachten,
was ſie uns abgenommen hatten. Wir ſahen unſer Eigen-
tum durch alle Hände wandern, und nächſt dem Gelde,
welches aber ſehr ſorgfältig wieder aufgehoben wurde,
erregten beſonders unſere Waffen die Aufmerkſamkeit der
neuen Inhaber. Der Anführer hielt meine beiden Re-
volver in der Hand. Er konnte über ſie nicht klug wer-
den, drehte ſie hin und her und wandte ſich endlich an
mich mit den Worten: „Das ſind Waffen?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/472>, abgerufen am 25.11.2024.
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