May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].Ich öffnete die Augen und sah mich zwischen zwei Pferden Da wendete einer der Reiter den Kopf und sah, daß "Halt!" rief er. "Er lebt!" Sofort stockte der Zug. Alle hielten an und bildeten Schweigen konnte zu nichts führen; ich antwortete "Du bist der Bey von Gumri?" begann er das Verhör. "Nein." "Lüge nicht." "Ich rede die Wahrheit." "Du bist der Bey!" "Ich bin es nicht!" "Wer bist du sonst?" "Ein Fremder." "Woher?" "Aus dem Abendlande." Er lachte höhnisch. "Hört ihr's? Er ist ein Fremdling aus dem Abend- Ich öffnete die Augen und ſah mich zwiſchen zwei Pferden Da wendete einer der Reiter den Kopf und ſah, daß „Halt!“ rief er. „Er lebt!“ Sofort ſtockte der Zug. Alle hielten an und bildeten Schweigen konnte zu nichts führen; ich antwortete „Du biſt der Bey von Gumri?“ begann er das Verhör. „Nein.“ „Lüge nicht.“ „Ich rede die Wahrheit.“ „Du biſt der Bey!“ „Ich bin es nicht!“ „Wer biſt du ſonſt?“ „Ein Fremder.“ „Woher?“ „Aus dem Abendlande.“ Er lachte höhniſch. „Hört ihr's? Er iſt ein Fremdling aus dem Abend- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0465" n="451"/> Ich öffnete die Augen und ſah mich zwiſchen zwei Pferden<lb/> hangen. Man hatte Stangen an die Sättel befeſtigt<lb/> und mich darauf gebunden. Vor und hinter mir ritten<lb/> gegen dreißig kriegeriſche Geſtalten, von denen mehrere<lb/> verwundet zu ſein ſchienen, und unter ihnen befand ſich<lb/> — Maſter Lindſay, aber gefeſſelt. Der Anführer der<lb/> Schar ritt meinen Hengſt und trug auch meine Waffen.<lb/> Mir hatte man nur Hemd und Hoſe gelaſſen, während<lb/> Lindſay außer dieſen beiden notwendigen Kleidungsſtücken<lb/> auch noch ſeinen ſchönen Turban behalten durfte. Wir<lb/> waren vollſtändig ausgeraubt und gefangen.</p><lb/> <p>Da wendete einer der Reiter den Kopf und ſah, daß<lb/> ich die Augen geöffnet hatte.</p><lb/> <p>„Halt!“ rief er. „Er lebt!“</p><lb/> <p>Sofort ſtockte der Zug. Alle hielten an und bildeten<lb/> einen Kreis um mich. Der Anführer drängte meinen<lb/> Hengſt heran und fragte mich: „Kannſt du reden?“</p><lb/> <p>Schweigen konnte zu nichts führen; ich antwortete<lb/> daher mit einem Ja.</p><lb/> <p>„Du biſt der Bey von Gumri?“ begann er das Verhör.</p><lb/> <p>„Nein.“</p><lb/> <p>„Lüge nicht.“</p><lb/> <p>„Ich rede die Wahrheit.“</p><lb/> <p>„Du biſt der Bey!“</p><lb/> <p>„Ich bin es nicht!“</p><lb/> <p>„Wer biſt du ſonſt?“</p><lb/> <p>„Ein Fremder.“</p><lb/> <p>„Woher?“</p><lb/> <p>„Aus dem Abendlande.“</p><lb/> <p>Er lachte höhniſch.</p><lb/> <p>„Hört ihr's? Er iſt ein Fremdling aus dem Abend-<lb/> lande, geht mit den Leuten von Gumri und Mia auf die<lb/> Bärenjagd und ſpricht die Sprache dieſes Landes!“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [451/0465]
Ich öffnete die Augen und ſah mich zwiſchen zwei Pferden
hangen. Man hatte Stangen an die Sättel befeſtigt
und mich darauf gebunden. Vor und hinter mir ritten
gegen dreißig kriegeriſche Geſtalten, von denen mehrere
verwundet zu ſein ſchienen, und unter ihnen befand ſich
— Maſter Lindſay, aber gefeſſelt. Der Anführer der
Schar ritt meinen Hengſt und trug auch meine Waffen.
Mir hatte man nur Hemd und Hoſe gelaſſen, während
Lindſay außer dieſen beiden notwendigen Kleidungsſtücken
auch noch ſeinen ſchönen Turban behalten durfte. Wir
waren vollſtändig ausgeraubt und gefangen.
Da wendete einer der Reiter den Kopf und ſah, daß
ich die Augen geöffnet hatte.
„Halt!“ rief er. „Er lebt!“
Sofort ſtockte der Zug. Alle hielten an und bildeten
einen Kreis um mich. Der Anführer drängte meinen
Hengſt heran und fragte mich: „Kannſt du reden?“
Schweigen konnte zu nichts führen; ich antwortete
daher mit einem Ja.
„Du biſt der Bey von Gumri?“ begann er das Verhör.
„Nein.“
„Lüge nicht.“
„Ich rede die Wahrheit.“
„Du biſt der Bey!“
„Ich bin es nicht!“
„Wer biſt du ſonſt?“
„Ein Fremder.“
„Woher?“
„Aus dem Abendlande.“
Er lachte höhniſch.
„Hört ihr's? Er iſt ein Fremdling aus dem Abend-
lande, geht mit den Leuten von Gumri und Mia auf die
Bärenjagd und ſpricht die Sprache dieſes Landes!“
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