den Bären jagen, und darum wünsche ich nicht, daß Ihr sofort schießt. Laßt ihm erst einige Speere geben! Nicht?"
"Werde Euch den Gefallen thun."
"Aber nehmt Euch wohl in acht! Schießt ihm in das Auge oder grad in das Herz, sobald er sich erhebt. Die hiesigen Bären sind zwar nicht sehr schlimm, aber man kann doch immerhin Gefahr laufen."
"Ha! Wollt Ihr mir einen Gefallen thun?"
"Recht gern, wenn ich kann."
"Tretet mir für diese Weile Eure Büchse ab. Sie ist viel besser als die meinige. Tauscht Ihr mit mir so lange?"
"Wenn Ihr mir versprecht, daß sie dem Bären nicht zwischen die Tatzen kommen soll!"
"Werde sie in meinen eigenen Tatzen behalten!"
"So gebt her!"
Wir tauschten die Gewehre. Der Engländer war ein guter Schütze, aber ich war doch neugierig, wie er sich einem Bären gegenüber verhalten werde.
Die Schar der Kurden löste sich auf. Die Hälfte derselben ritt mit den Hunden fort, um als Treiber zu dienen, und wir andern blieben zurück, um die bezeich- nete Linie zu bilden. Halef und die beiden Araber hatten Wurfspieße angenommen und wurden in die Zwischen- räume eingereiht; ich aber mußte mit dem Engländer bei dem Bey halten bleiben. Meinen Hund hatte ich nicht zum Treiben hergegeben; er blieb an meiner Seite.
"Eure Hunde holen den Bären nicht, sondern sie treiben ihn?" fragte ich den Bey.
"Sie können ihn nicht holen oder stellen, denn er flieht vor ihnen."
"So ist er feig!"
"Du wirst ihn kennen lernen."
den Bären jagen, und darum wünſche ich nicht, daß Ihr ſofort ſchießt. Laßt ihm erſt einige Speere geben! Nicht?“
„Werde Euch den Gefallen thun.“
„Aber nehmt Euch wohl in acht! Schießt ihm in das Auge oder grad in das Herz, ſobald er ſich erhebt. Die hieſigen Bären ſind zwar nicht ſehr ſchlimm, aber man kann doch immerhin Gefahr laufen.“
„Ha! Wollt Ihr mir einen Gefallen thun?“
„Recht gern, wenn ich kann.“
„Tretet mir für dieſe Weile Eure Büchſe ab. Sie iſt viel beſſer als die meinige. Tauſcht Ihr mit mir ſo lange?“
„Wenn Ihr mir verſprecht, daß ſie dem Bären nicht zwiſchen die Tatzen kommen ſoll!“
„Werde ſie in meinen eigenen Tatzen behalten!“
„So gebt her!“
Wir tauſchten die Gewehre. Der Engländer war ein guter Schütze, aber ich war doch neugierig, wie er ſich einem Bären gegenüber verhalten werde.
Die Schar der Kurden löſte ſich auf. Die Hälfte derſelben ritt mit den Hunden fort, um als Treiber zu dienen, und wir andern blieben zurück, um die bezeich- nete Linie zu bilden. Halef und die beiden Araber hatten Wurfſpieße angenommen und wurden in die Zwiſchen- räume eingereiht; ich aber mußte mit dem Engländer bei dem Bey halten bleiben. Meinen Hund hatte ich nicht zum Treiben hergegeben; er blieb an meiner Seite.
„Eure Hunde holen den Bären nicht, ſondern ſie treiben ihn?“ fragte ich den Bey.
„Sie können ihn nicht holen oder ſtellen, denn er flieht vor ihnen.“
„So iſt er feig!“
„Du wirſt ihn kennen lernen.“
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[445/0459]
den Bären jagen, und darum wünſche ich nicht, daß Ihr
ſofort ſchießt. Laßt ihm erſt einige Speere geben! Nicht?“
„Werde Euch den Gefallen thun.“
„Aber nehmt Euch wohl in acht! Schießt ihm in
das Auge oder grad in das Herz, ſobald er ſich erhebt.
Die hieſigen Bären ſind zwar nicht ſehr ſchlimm, aber
man kann doch immerhin Gefahr laufen.“
„Ha! Wollt Ihr mir einen Gefallen thun?“
„Recht gern, wenn ich kann.“
„Tretet mir für dieſe Weile Eure Büchſe ab. Sie
iſt viel beſſer als die meinige. Tauſcht Ihr mit mir ſo
lange?“
„Wenn Ihr mir verſprecht, daß ſie dem Bären nicht
zwiſchen die Tatzen kommen ſoll!“
„Werde ſie in meinen eigenen Tatzen behalten!“
„So gebt her!“
Wir tauſchten die Gewehre. Der Engländer war
ein guter Schütze, aber ich war doch neugierig, wie er ſich
einem Bären gegenüber verhalten werde.
Die Schar der Kurden löſte ſich auf. Die Hälfte
derſelben ritt mit den Hunden fort, um als Treiber zu
dienen, und wir andern blieben zurück, um die bezeich-
nete Linie zu bilden. Halef und die beiden Araber hatten
Wurfſpieße angenommen und wurden in die Zwiſchen-
räume eingereiht; ich aber mußte mit dem Engländer bei
dem Bey halten bleiben. Meinen Hund hatte ich nicht
zum Treiben hergegeben; er blieb an meiner Seite.
„Eure Hunde holen den Bären nicht, ſondern ſie
treiben ihn?“ fragte ich den Bey.
„Sie können ihn nicht holen oder ſtellen, denn er
flieht vor ihnen.“
„So iſt er feig!“
„Du wirſt ihn kennen lernen.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/459>, abgerufen am 22.11.2024.
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