so sprechen, daß deine Freunde mitreden können. Welche Sprache reden sie am liebsten?
"Die arabische. Aber, Bey, befiehl vorher deinen Leuten, daß sie sich setzen! Sie sind nicht Türken und Perser, sondern freie Kurden, die nur zum Gruße sich zu erheben brauchen."
"Chondekar*), ich sehe, daß du ein Mann bist, welcher die Kurden kennt und ehrt; ich werde ihnen erlauben, sich niederzulassen."
Er gab ihnen ein Zeichen, und die Blicke, welche sie sich beim Niedersetzen zuwarfen, sagten mir, daß sie meine Höflichkeit anerkannten. Ich hatte es hier jedenfalls mit einem intelligenten Häuptling zu thun, denn im Innern von Kurdistan ist ein Mann, der neben einigen Dialekten seiner Muttersprache auch das Türkische und Arabische versteht, eine Seltenheit. Es ließ sich erwarten, daß der Bey sich auch noch des Persischen zu bedienen verstand, und im Verlaufe meines leider nur sehr kurzen Bei- sammenseins mit ihm erfuhr ich, daß ich mit dieser Ver- mutung das Richtige getroffen hatte.
Es wurden Pfeifen gebracht, zu denen man uns einen lieblich schmeckenden Reisbranntwein kredenzte, dem die Kurden mit großem Eifer zusprachen.
"Was denkst du von den Kurden von Berwari?" fragte mich der Bey.
Diese Frage sollte wohl ohne alle Verfänglichkeit nur als Einleitung dienen.
"Wenn alle so sind wie du, dann werde ich von ihnen nur Gutes erzählen können."
"Ich weiß, was du mir sagen willst. Du hast bis- her nur Uebles von ihnen erfahren," bemerkte er.
*) "Herrscher", eine Höflichkeitssteigerung von Chodih, Herr.
ſo ſprechen, daß deine Freunde mitreden können. Welche Sprache reden ſie am liebſten?
„Die arabiſche. Aber, Bey, befiehl vorher deinen Leuten, daß ſie ſich ſetzen! Sie ſind nicht Türken und Perſer, ſondern freie Kurden, die nur zum Gruße ſich zu erheben brauchen.“
„Chondekar*), ich ſehe, daß du ein Mann biſt, welcher die Kurden kennt und ehrt; ich werde ihnen erlauben, ſich niederzulaſſen.“
Er gab ihnen ein Zeichen, und die Blicke, welche ſie ſich beim Niederſetzen zuwarfen, ſagten mir, daß ſie meine Höflichkeit anerkannten. Ich hatte es hier jedenfalls mit einem intelligenten Häuptling zu thun, denn im Innern von Kurdiſtan iſt ein Mann, der neben einigen Dialekten ſeiner Mutterſprache auch das Türkiſche und Arabiſche verſteht, eine Seltenheit. Es ließ ſich erwarten, daß der Bey ſich auch noch des Perſiſchen zu bedienen verſtand, und im Verlaufe meines leider nur ſehr kurzen Bei- ſammenſeins mit ihm erfuhr ich, daß ich mit dieſer Ver- mutung das Richtige getroffen hatte.
Es wurden Pfeifen gebracht, zu denen man uns einen lieblich ſchmeckenden Reisbranntwein kredenzte, dem die Kurden mit großem Eifer zuſprachen.
„Was denkſt du von den Kurden von Berwari?“ fragte mich der Bey.
Dieſe Frage ſollte wohl ohne alle Verfänglichkeit nur als Einleitung dienen.
„Wenn alle ſo ſind wie du, dann werde ich von ihnen nur Gutes erzählen können.“
„Ich weiß, was du mir ſagen willſt. Du haſt bis- her nur Uebles von ihnen erfahren,“ bemerkte er.
*) „Herrſcher“, eine Höflichkeitsſteigerung von Chodih, Herr.
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ſo ſprechen, daß deine Freunde mitreden können. Welche
Sprache reden ſie am liebſten?
„Die arabiſche. Aber, Bey, befiehl vorher deinen
Leuten, daß ſie ſich ſetzen! Sie ſind nicht Türken und
Perſer, ſondern freie Kurden, die nur zum Gruße ſich zu
erheben brauchen.“
„Chondekar *), ich ſehe, daß du ein Mann biſt, welcher
die Kurden kennt und ehrt; ich werde ihnen erlauben,
ſich niederzulaſſen.“
Er gab ihnen ein Zeichen, und die Blicke, welche ſie
ſich beim Niederſetzen zuwarfen, ſagten mir, daß ſie meine
Höflichkeit anerkannten. Ich hatte es hier jedenfalls mit
einem intelligenten Häuptling zu thun, denn im Innern
von Kurdiſtan iſt ein Mann, der neben einigen Dialekten
ſeiner Mutterſprache auch das Türkiſche und Arabiſche
verſteht, eine Seltenheit. Es ließ ſich erwarten, daß der
Bey ſich auch noch des Perſiſchen zu bedienen verſtand,
und im Verlaufe meines leider nur ſehr kurzen Bei-
ſammenſeins mit ihm erfuhr ich, daß ich mit dieſer Ver-
mutung das Richtige getroffen hatte.
Es wurden Pfeifen gebracht, zu denen man uns einen
lieblich ſchmeckenden Reisbranntwein kredenzte, dem die
Kurden mit großem Eifer zuſprachen.
„Was denkſt du von den Kurden von Berwari?“
fragte mich der Bey.
Dieſe Frage ſollte wohl ohne alle Verfänglichkeit
nur als Einleitung dienen.
„Wenn alle ſo ſind wie du, dann werde ich von
ihnen nur Gutes erzählen können.“
„Ich weiß, was du mir ſagen willſt. Du haſt bis-
her nur Uebles von ihnen erfahren,“ bemerkte er.
*) „Herrſcher“, eine Höflichkeitsſteigerung von Chodih, Herr.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/441>, abgerufen am 24.11.2024.
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