sich auf der Weide befanden. Sie graseten in ziemlicher Entfernung von dem Dorfe, so daß wir hoffentlich einen guten Vorsprung gewannen, ehe sie von ihren Reitern bestiegen werden konnten.
Der Weg ging durch ebenes, aber wohl bewässertes Land, welches uns Gelegenheit gab, die Schnelligkeit unserer Pferde vollständig zur Entfaltung zu bringen; nur nicht in Beziehung auf meinen Rappen, der ver- langend in die Zügel knirschte und doch gezügelt wurde, weil sonst die andern weit zurückgeblieben wären.
Endlich bemerkten wir hinter uns eine breite Linie von Reitern, welche uns verfolgten.
Mohammed Emin warf jetzt einen besorgten Blick auf das Pferd, welches sein Sohn ritt, und sagte: "Wenn wir dieses Pferd nicht hätten, so würden sie uns wohl nicht erreichen."
Er hatte recht. Es war das beste Pferd, welches in Amadijah überhaupt zu bekommen gewesen, und dennoch hatte es einen harten Gang und eine so mühsame Atmung, daß es bei einem langen Schnellritt sicherlich sehr bald zusammengebrochen wäre.
"Aber auf ihre Pferde können wir doch wohl schießen?"
"Es wird uns nichts anderes übrig bleiben."
Er nahm seine lange, arabische Flinte von der Schulter und sah nach dem Schlosse. Auf fünfhundert Schritt Ent- fernung hatte er mit diesem Gewehre sein Ziel noch nie verfehlt, und meine Büchse trug noch weiter.
Die Verfolger kamen uns immer näher. Ihr lautes Geschrei klang ganz anders als dasjenige, welches man bei einer Phantasia, einem Dscheridwerfen, einem Schein- gefechte zu hören bekommt: sie machten Ernst. Einer ritt
ſich auf der Weide befanden. Sie graſeten in ziemlicher Entfernung von dem Dorfe, ſo daß wir hoffentlich einen guten Vorſprung gewannen, ehe ſie von ihren Reitern beſtiegen werden konnten.
Der Weg ging durch ebenes, aber wohl bewäſſertes Land, welches uns Gelegenheit gab, die Schnelligkeit unſerer Pferde vollſtändig zur Entfaltung zu bringen; nur nicht in Beziehung auf meinen Rappen, der ver- langend in die Zügel knirſchte und doch gezügelt wurde, weil ſonſt die andern weit zurückgeblieben wären.
Endlich bemerkten wir hinter uns eine breite Linie von Reitern, welche uns verfolgten.
Mohammed Emin warf jetzt einen beſorgten Blick auf das Pferd, welches ſein Sohn ritt, und ſagte: „Wenn wir dieſes Pferd nicht hätten, ſo würden ſie uns wohl nicht erreichen.“
Er hatte recht. Es war das beſte Pferd, welches in Amadijah überhaupt zu bekommen geweſen, und dennoch hatte es einen harten Gang und eine ſo mühſame Atmung, daß es bei einem langen Schnellritt ſicherlich ſehr bald zuſammengebrochen wäre.
„Aber auf ihre Pferde können wir doch wohl ſchießen?“
„Es wird uns nichts anderes übrig bleiben.“
Er nahm ſeine lange, arabiſche Flinte von der Schulter und ſah nach dem Schloſſe. Auf fünfhundert Schritt Ent- fernung hatte er mit dieſem Gewehre ſein Ziel noch nie verfehlt, und meine Büchſe trug noch weiter.
Die Verfolger kamen uns immer näher. Ihr lautes Geſchrei klang ganz anders als dasjenige, welches man bei einer Phantaſia, einem Dſcheridwerfen, einem Schein- gefechte zu hören bekommt: ſie machten Ernſt. Einer ritt
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ſich auf der Weide befanden. Sie graſeten in ziemlicher
Entfernung von dem Dorfe, ſo daß wir hoffentlich einen
guten Vorſprung gewannen, ehe ſie von ihren Reitern
beſtiegen werden konnten.
Der Weg ging durch ebenes, aber wohl bewäſſertes
Land, welches uns Gelegenheit gab, die Schnelligkeit
unſerer Pferde vollſtändig zur Entfaltung zu bringen;
nur nicht in Beziehung auf meinen Rappen, der ver-
langend in die Zügel knirſchte und doch gezügelt wurde,
weil ſonſt die andern weit zurückgeblieben wären.
Endlich bemerkten wir hinter uns eine breite Linie
von Reitern, welche uns verfolgten.
Mohammed Emin warf jetzt einen beſorgten Blick auf
das Pferd, welches ſein Sohn ritt, und ſagte: „Wenn
wir dieſes Pferd nicht hätten, ſo würden ſie uns wohl
nicht erreichen.“
Er hatte recht. Es war das beſte Pferd, welches in
Amadijah überhaupt zu bekommen geweſen, und dennoch
hatte es einen harten Gang und eine ſo mühſame Atmung,
daß es bei einem langen Schnellritt ſicherlich ſehr bald
zuſammengebrochen wäre.
„Sihdi,“ fragte Halef, „du willſt keinen Kurden töten!“
„So lange es zu vermeiden iſt, nein.“
„Aber auf ihre Pferde können wir doch wohl ſchießen?“
„Es wird uns nichts anderes übrig bleiben.“
Er nahm ſeine lange, arabiſche Flinte von der Schulter
und ſah nach dem Schloſſe. Auf fünfhundert Schritt Ent-
fernung hatte er mit dieſem Gewehre ſein Ziel noch nie
verfehlt, und meine Büchſe trug noch weiter.
Die Verfolger kamen uns immer näher. Ihr lautes
Geſchrei klang ganz anders als dasjenige, welches man
bei einer Phantaſia, einem Dſcheridwerfen, einem Schein-
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/426>, abgerufen am 25.11.2024.
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