Er öffnete die Thüre des Hauses und trat zwei Schritte vor dasselbe hinaus.
"Was fällt Euch ein, Sir! Wollt Ihr gleich herein- kommen?"
"Pshaw! Haben schlechtes Pulver. Hätten sonst den Hund getroffen!"
Drüben krachte ein Schuß, und die Kugel flog in die Mauer. Lindsay sah sich um und deutete mit dem Zeige- finger auf das Loch, welches sie gebohrt hatte, um dem Schützen zu zeigen, daß er auf beinahe vier Ellen weit gefehlt habe. Eine zweite Kugel hätte ihn beinahe ge- troffen; da trat ich hinaus, faßte ihn und schob ihn hinein. Nun erscholl drüben ein lauter Schrei; ein dritter Schuß krachte, und die Kugel traf ganz in der Nähe meiner Achsel an die Kante der Thüre. Das war sicher des Toten Sohn gewesen, welcher mir durch seinen Ruf andeuten wollte, daß die Kugel aus dem Gewehre des Bluträchers komme. Es war also nun wirklich Ernst geworden.
"Sihdi," meinte Halef, "schießen wir nicht auch?"
"Jetzt noch nicht."
"Warum jetzt nicht? Wir schießen besser wie sie, und wenn wir auf ihre Fenster zielen, so werden sie sich sehr in acht zu nehmen haben."
"Das weiß ich. Aber wir wollen zunächst sehen, ob wir ihnen nicht entrinnen können, ohne einen von ihnen töten zu müssen. Es ist genug an dem Erbissenen."
"Wie wollen wir entrinnen? Sobald wir mit den Pferden vor die Thüre kommen, werden wir Kugeln er- halten."
"Aber diese Leute wollen ja die Pferde haben und werden diese also nicht treffen wollen. Wenn wir uns hinter die Tiere verstecken, so schießen sie vielleicht nicht."
Er öffnete die Thüre des Hauſes und trat zwei Schritte vor dasſelbe hinaus.
„Was fällt Euch ein, Sir! Wollt Ihr gleich herein- kommen?“
„Pſhaw! Haben ſchlechtes Pulver. Hätten ſonſt den Hund getroffen!“
Drüben krachte ein Schuß, und die Kugel flog in die Mauer. Lindſay ſah ſich um und deutete mit dem Zeige- finger auf das Loch, welches ſie gebohrt hatte, um dem Schützen zu zeigen, daß er auf beinahe vier Ellen weit gefehlt habe. Eine zweite Kugel hätte ihn beinahe ge- troffen; da trat ich hinaus, faßte ihn und ſchob ihn hinein. Nun erſcholl drüben ein lauter Schrei; ein dritter Schuß krachte, und die Kugel traf ganz in der Nähe meiner Achſel an die Kante der Thüre. Das war ſicher des Toten Sohn geweſen, welcher mir durch ſeinen Ruf andeuten wollte, daß die Kugel aus dem Gewehre des Bluträchers komme. Es war alſo nun wirklich Ernſt geworden.
„Sihdi,“ meinte Halef, „ſchießen wir nicht auch?“
„Jetzt noch nicht.“
„Warum jetzt nicht? Wir ſchießen beſſer wie ſie, und wenn wir auf ihre Fenſter zielen, ſo werden ſie ſich ſehr in acht zu nehmen haben.“
„Das weiß ich. Aber wir wollen zunächſt ſehen, ob wir ihnen nicht entrinnen können, ohne einen von ihnen töten zu müſſen. Es iſt genug an dem Erbiſſenen.“
„Wie wollen wir entrinnen? Sobald wir mit den Pferden vor die Thüre kommen, werden wir Kugeln er- halten.“
„Aber dieſe Leute wollen ja die Pferde haben und werden dieſe alſo nicht treffen wollen. Wenn wir uns hinter die Tiere verſtecken, ſo ſchießen ſie vielleicht nicht.“
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Er öffnete die Thüre des Hauſes und trat zwei
Schritte vor dasſelbe hinaus.
„Was fällt Euch ein, Sir! Wollt Ihr gleich herein-
kommen?“
„Pſhaw! Haben ſchlechtes Pulver. Hätten ſonſt den
Hund getroffen!“
Drüben krachte ein Schuß, und die Kugel flog in die
Mauer. Lindſay ſah ſich um und deutete mit dem Zeige-
finger auf das Loch, welches ſie gebohrt hatte, um dem
Schützen zu zeigen, daß er auf beinahe vier Ellen weit
gefehlt habe. Eine zweite Kugel hätte ihn beinahe ge-
troffen; da trat ich hinaus, faßte ihn und ſchob ihn hinein.
Nun erſcholl drüben ein lauter Schrei; ein dritter Schuß
krachte, und die Kugel traf ganz in der Nähe meiner
Achſel an die Kante der Thüre. Das war ſicher des
Toten Sohn geweſen, welcher mir durch ſeinen Ruf
andeuten wollte, daß die Kugel aus dem Gewehre des
Bluträchers komme. Es war alſo nun wirklich Ernſt
geworden.
„Sihdi,“ meinte Halef, „ſchießen wir nicht auch?“
„Jetzt noch nicht.“
„Warum jetzt nicht? Wir ſchießen beſſer wie ſie, und
wenn wir auf ihre Fenſter zielen, ſo werden ſie ſich ſehr
in acht zu nehmen haben.“
„Das weiß ich. Aber wir wollen zunächſt ſehen, ob
wir ihnen nicht entrinnen können, ohne einen von ihnen
töten zu müſſen. Es iſt genug an dem Erbiſſenen.“
„Wie wollen wir entrinnen? Sobald wir mit den
Pferden vor die Thüre kommen, werden wir Kugeln er-
halten.“
„Aber dieſe Leute wollen ja die Pferde haben und
werden dieſe alſo nicht treffen wollen. Wenn wir uns
hinter die Tiere verſtecken, ſo ſchießen ſie vielleicht nicht.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/422>, abgerufen am 25.11.2024.
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