Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

Dach und untersuchte den Fußboden desselben sehr genau.
Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht
Amads erhellte, eine sehr dünne Spalte, die ein regel-
mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Messer hin-
ein und -- hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge-
heimnis war entdeckt.

Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden
Wohnräumen einige schadhafte Stellen, welche es ermög-
lichten, hinabzusehen und nicht nur alles zu überblicken,
sondern auch das Gespräch der darunter Befindlichen zu
belauschen.

Jetzt stieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte
meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.

"Hallo!" rief der Engländer. "Was ist los?"

"Holt Euer Pferd auch herein, denn auf diese war
es wohl abgesehen. Da draußen über dem Flur ist ein
Loch, durch welches man hinabsteigen und die Thüre öff-
nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir schliefen,
und wären dann mit unseren Pferden davongegangen."

"Ist richtig, sehr richtig! Werden das thun! Yes!"

Auch die andern waren einverstanden. Die Fenster
wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach
gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und schaffte
den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur-
den immerhin über die Mauer in den Hof steigen; sie
fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht
irrte ich mich auch, und sie hegten gar keine diebischen
Absichten; dann war es um so besser.

Jetzt nun konnten wir endlich auch über unsere weite-
ren Pläne sprechen. In Amadijah war dies nicht ge-
schehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin-
gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge-
wesen, schnell vorwärts zu kommen. Es handelte sich

Dach und unterſuchte den Fußboden desſelben ſehr genau.
Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht
Amads erhellte, eine ſehr dünne Spalte, die ein regel-
mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Meſſer hin-
ein und — hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge-
heimnis war entdeckt.

Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden
Wohnräumen einige ſchadhafte Stellen, welche es ermög-
lichten, hinabzuſehen und nicht nur alles zu überblicken,
ſondern auch das Geſpräch der darunter Befindlichen zu
belauſchen.

Jetzt ſtieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte
meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.

„Hallo!“ rief der Engländer. „Was iſt los?“

„Holt Euer Pferd auch herein, denn auf dieſe war
es wohl abgeſehen. Da draußen über dem Flur iſt ein
Loch, durch welches man hinabſteigen und die Thüre öff-
nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir ſchliefen,
und wären dann mit unſeren Pferden davongegangen.“

„Iſt richtig, ſehr richtig! Werden das thun! Yes!

Auch die andern waren einverſtanden. Die Fenſter
wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach
gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und ſchaffte
den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur-
den immerhin über die Mauer in den Hof ſteigen; ſie
fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht
irrte ich mich auch, und ſie hegten gar keine diebiſchen
Abſichten; dann war es um ſo beſſer.

Jetzt nun konnten wir endlich auch über unſere weite-
ren Pläne ſprechen. In Amadijah war dies nicht ge-
ſchehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin-
gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge-
weſen, ſchnell vorwärts zu kommen. Es handelte ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0402" n="388"/>
Dach und unter&#x017F;uchte den Fußboden des&#x017F;elben &#x017F;ehr genau.<lb/>
Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht<lb/>
Amads erhellte, eine &#x017F;ehr dünne Spalte, die ein regel-<lb/>
mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Me&#x017F;&#x017F;er hin-<lb/>
ein und &#x2014; hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge-<lb/>
heimnis war entdeckt.</p><lb/>
        <p>Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden<lb/>
Wohnräumen einige &#x017F;chadhafte Stellen, welche es ermög-<lb/>
lichten, hinabzu&#x017F;ehen und nicht nur alles zu überblicken,<lb/>
&#x017F;ondern auch das Ge&#x017F;präch der darunter Befindlichen zu<lb/>
belau&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>Jetzt &#x017F;tieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte<lb/>
meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hallo!&#x201C; rief der Engländer. &#x201E;Was i&#x017F;t los?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Holt Euer Pferd auch herein, denn auf die&#x017F;e war<lb/>
es wohl abge&#x017F;ehen. Da draußen über dem Flur i&#x017F;t ein<lb/>
Loch, durch welches man hinab&#x017F;teigen und die Thüre öff-<lb/>
nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir &#x017F;chliefen,<lb/>
und wären dann mit un&#x017F;eren Pferden davongegangen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t richtig, &#x017F;ehr richtig! Werden das thun! <hi rendition="#aq">Yes!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>Auch die andern waren einver&#x017F;tanden. Die Fen&#x017F;ter<lb/>
wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach<lb/>
gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und &#x017F;chaffte<lb/>
den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur-<lb/>
den immerhin über die Mauer in den Hof &#x017F;teigen; &#x017F;ie<lb/>
fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht<lb/>
irrte ich mich auch, und &#x017F;ie hegten gar keine diebi&#x017F;chen<lb/>
Ab&#x017F;ichten; dann war es um &#x017F;o be&#x017F;&#x017F;er.</p><lb/>
        <p>Jetzt nun konnten wir endlich auch über un&#x017F;ere weite-<lb/>
ren Pläne &#x017F;prechen. In Amadijah war dies nicht ge-<lb/>
&#x017F;chehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin-<lb/>
gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge-<lb/>
we&#x017F;en, &#x017F;chnell vorwärts zu kommen. Es handelte &#x017F;ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0402] Dach und unterſuchte den Fußboden desſelben ſehr genau. Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht Amads erhellte, eine ſehr dünne Spalte, die ein regel- mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Meſſer hin- ein und — hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge- heimnis war entdeckt. Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden Wohnräumen einige ſchadhafte Stellen, welche es ermög- lichten, hinabzuſehen und nicht nur alles zu überblicken, ſondern auch das Geſpräch der darunter Befindlichen zu belauſchen. Jetzt ſtieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube. „Hallo!“ rief der Engländer. „Was iſt los?“ „Holt Euer Pferd auch herein, denn auf dieſe war es wohl abgeſehen. Da draußen über dem Flur iſt ein Loch, durch welches man hinabſteigen und die Thüre öff- nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir ſchliefen, und wären dann mit unſeren Pferden davongegangen.“ „Iſt richtig, ſehr richtig! Werden das thun! Yes!“ Auch die andern waren einverſtanden. Die Fenſter wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und ſchaffte den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur- den immerhin über die Mauer in den Hof ſteigen; ſie fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht irrte ich mich auch, und ſie hegten gar keine diebiſchen Abſichten; dann war es um ſo beſſer. Jetzt nun konnten wir endlich auch über unſere weite- ren Pläne ſprechen. In Amadijah war dies nicht ge- ſchehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin- gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge- weſen, ſchnell vorwärts zu kommen. Es handelte ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/402
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/402>, abgerufen am 25.11.2024.