und fünf von den Unserigen haben sich erboten, je einen von euch bei sich aufzunehmen. Du wirst bei mir wohnen."
Hm, ich mußte vorsichtig sein. Warum gaben sie auf einmal nach? Warum ließen sie uns nicht weiter reiten?
"Wir werden dennoch weiter reiten," erklärte ich ihm, "weil wir uns teilen sollen. Wir sind Gefährten und werden nur da bleiben, wo wir beisammen wohnen können."
"So warte noch ein wenig!"
Wieder verhandelte er. Es dauerte etwas länger als vorher, und es schien mir, als ob sie uns mit Absicht hinhalten wollten, bis es zu dunkel zum Weiterreiten ge- worden sei. Endlich kam er wieder mit der Erklärung: "Chodih, du sollst deinen Willen haben. Wir überlassen euch ein Haus, in welchem ihr gemeinsam schlafen könnt."
"Haben auch unsere Pferde Platz?"
"Ja; es ist ein Hof an dem Hause, wo sie stehen können."
"Werden wir es allein bewohnen?"
"Es soll niemand darin bleiben dürfen. Siehe, da reitet schon einer fort, um diesen Befehl zu überbringen. Wollt ihr die Speisen geschenkt erhalten, oder werdet ihr sie bezahlen?"
"Wir wünschen, eure Gäste zu sein. Versprichst du mir das?"
"Ich verspreche es."
"Du bist wohl der Nezanum *) dieses Dorfes?"
"Ja, ich bin es."
"So reiche mir deine beiden Hände und sage, daß ich dein Hemscher **) bin!"
Er that es, aber doch mit einigem Widerstreben. Jetzt fühlte ich mich sicher und winkte den Gefährten,
*) Vorsteher.
**) Freund, Genosse.
und fünf von den Unſerigen haben ſich erboten, je einen von euch bei ſich aufzunehmen. Du wirſt bei mir wohnen.“
Hm, ich mußte vorſichtig ſein. Warum gaben ſie auf einmal nach? Warum ließen ſie uns nicht weiter reiten?
„Wir werden dennoch weiter reiten,“ erklärte ich ihm, „weil wir uns teilen ſollen. Wir ſind Gefährten und werden nur da bleiben, wo wir beiſammen wohnen können.“
„So warte noch ein wenig!“
Wieder verhandelte er. Es dauerte etwas länger als vorher, und es ſchien mir, als ob ſie uns mit Abſicht hinhalten wollten, bis es zu dunkel zum Weiterreiten ge- worden ſei. Endlich kam er wieder mit der Erklärung: „Chodih, du ſollſt deinen Willen haben. Wir überlaſſen euch ein Haus, in welchem ihr gemeinſam ſchlafen könnt.“
„Haben auch unſere Pferde Platz?“
„Ja; es iſt ein Hof an dem Hauſe, wo ſie ſtehen können.“
„Werden wir es allein bewohnen?“
„Es ſoll niemand darin bleiben dürfen. Siehe, da reitet ſchon einer fort, um dieſen Befehl zu überbringen. Wollt ihr die Speiſen geſchenkt erhalten, oder werdet ihr ſie bezahlen?“
„Wir wünſchen, eure Gäſte zu ſein. Verſprichſt du mir das?“
„Ich verſpreche es.“
„Du biſt wohl der Nezanum *) dieſes Dorfes?“
„Ja, ich bin es.“
„So reiche mir deine beiden Hände und ſage, daß ich dein Hemſcher **) bin!“
Er that es, aber doch mit einigem Widerſtreben. Jetzt fühlte ich mich ſicher und winkte den Gefährten,
*) Vorſteher.
**) Freund, Genoſſe.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0395"n="381"/>
und fünf von den Unſerigen haben ſich erboten, je einen<lb/>
von euch bei ſich aufzunehmen. Du wirſt bei mir wohnen.“</p><lb/><p>Hm, ich mußte vorſichtig ſein. Warum gaben ſie auf<lb/>
einmal nach? Warum ließen ſie uns nicht weiter reiten?</p><lb/><p>„Wir werden dennoch weiter reiten,“ erklärte ich<lb/>
ihm, „weil wir uns teilen ſollen. Wir ſind Gefährten<lb/>
und werden nur da bleiben, wo wir beiſammen wohnen<lb/>
können.“</p><lb/><p>„So warte noch ein wenig!“</p><lb/><p>Wieder verhandelte er. Es dauerte etwas länger als<lb/>
vorher, und es ſchien mir, als ob ſie uns mit Abſicht<lb/>
hinhalten wollten, bis es zu dunkel zum Weiterreiten ge-<lb/>
worden ſei. Endlich kam er wieder mit der Erklärung:<lb/>„Chodih, du ſollſt deinen Willen haben. Wir überlaſſen<lb/>
euch ein Haus, in welchem ihr gemeinſam ſchlafen könnt.“</p><lb/><p>„Haben auch unſere Pferde Platz?“</p><lb/><p>„Ja; es iſt ein Hof an dem Hauſe, wo ſie ſtehen<lb/>
können.“</p><lb/><p>„Werden wir es allein bewohnen?“</p><lb/><p>„Es ſoll niemand darin bleiben dürfen. Siehe, da<lb/>
reitet ſchon einer fort, um dieſen Befehl zu überbringen.<lb/>
Wollt ihr die Speiſen geſchenkt erhalten, oder werdet ihr<lb/>ſie bezahlen?“</p><lb/><p>„Wir wünſchen, eure Gäſte zu ſein. Verſprichſt du<lb/>
mir das?“</p><lb/><p>„Ich verſpreche es.“</p><lb/><p>„Du biſt wohl der Nezanum <noteplace="foot"n="*)">Vorſteher.</note> dieſes Dorfes?“</p><lb/><p>„Ja, ich bin es.“</p><lb/><p>„So reiche mir deine beiden Hände und ſage, daß ich<lb/>
dein Hemſcher <noteplace="foot"n="**)">Freund, Genoſſe.</note> bin!“</p><lb/><p>Er that es, aber doch mit einigem Widerſtreben.<lb/>
Jetzt fühlte ich mich ſicher und winkte den Gefährten,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[381/0395]
und fünf von den Unſerigen haben ſich erboten, je einen
von euch bei ſich aufzunehmen. Du wirſt bei mir wohnen.“
Hm, ich mußte vorſichtig ſein. Warum gaben ſie auf
einmal nach? Warum ließen ſie uns nicht weiter reiten?
„Wir werden dennoch weiter reiten,“ erklärte ich
ihm, „weil wir uns teilen ſollen. Wir ſind Gefährten
und werden nur da bleiben, wo wir beiſammen wohnen
können.“
„So warte noch ein wenig!“
Wieder verhandelte er. Es dauerte etwas länger als
vorher, und es ſchien mir, als ob ſie uns mit Abſicht
hinhalten wollten, bis es zu dunkel zum Weiterreiten ge-
worden ſei. Endlich kam er wieder mit der Erklärung:
„Chodih, du ſollſt deinen Willen haben. Wir überlaſſen
euch ein Haus, in welchem ihr gemeinſam ſchlafen könnt.“
„Haben auch unſere Pferde Platz?“
„Ja; es iſt ein Hof an dem Hauſe, wo ſie ſtehen
können.“
„Werden wir es allein bewohnen?“
„Es ſoll niemand darin bleiben dürfen. Siehe, da
reitet ſchon einer fort, um dieſen Befehl zu überbringen.
Wollt ihr die Speiſen geſchenkt erhalten, oder werdet ihr
ſie bezahlen?“
„Wir wünſchen, eure Gäſte zu ſein. Verſprichſt du
mir das?“
„Ich verſpreche es.“
„Du biſt wohl der Nezanum *) dieſes Dorfes?“
„Ja, ich bin es.“
„So reiche mir deine beiden Hände und ſage, daß ich
dein Hemſcher **) bin!“
Er that es, aber doch mit einigem Widerſtreben.
Jetzt fühlte ich mich ſicher und winkte den Gefährten,
*) Vorſteher.
**) Freund, Genoſſe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/395>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.