dort würge. Endlich reichte er Halef die Hand zum Ab- schied. Er fing von unten an.
"Lebe wohl, Hadschi Halef Omar! Allah sei bei dir immerdar!"
Er hörte gar nicht auf das, was ihm der kleine Hadschi antwortete, sondern sprang zu dem Pferde Mo- hammeds, um eine Fliege tot zu schlagen, welche am Halse des Rosses saß. Dann fuhr er mit einem energischen Rucke herum und hielt dem Haddedihn die Hand entgegen:
"Allah sei mit dir und allen den Deinen! Kehre wieder bei uns ein, wenn dich dein Weg nach Amadijah führt!"
Da bemerkte er plötzlich, daß der Sattelgurt des Engländers um den zwanzigsten Teil eines Zolles zu weit nach hinten lag. Er eilte dort hin, kroch unter das Pferd und schob und zerrte, als habe er eine schwere Last zu bewältigen. Endlich war er fertig und streckte nun dem Reiter die Rechte hin:
"Sihdi, dein Weg sei -- -- --"
"Well!" unterbrach ihn der Master. "Hier!"
Ein Trinkgeld fiel in die Hand des Agha, und es war, wie ich Lindsay kannte, gewiß sehr reichlich. Diese Güte machte den gerührten Anführer der Arnauten noch verwirrter. Er begann also von neuem:
"Sihdi, dein Weg sei wie der Weg -- -- -- "
"Well!" nickte Lindsay, und eine zweite Auflage des Bakschisch gelangte zur Ausgabe. Der Geber hielt die zum Abschiede hingestreckte Hand für eine Forderung.
"Sihdi," begann der Agha mit erhöhter Stimme, "dein Weg sei wie der Weg der Gerechten, und -- --"
"Well!" ertönte es zum drittenmal.
Aber der Agha zog nun seine Hand plötzlich zurück und nahm die Gelegenheit, daß ich eben zu Pferde steigen wollte, wahr, um mir den Steigbügel zu halten. Jetzt
dort würge. Endlich reichte er Halef die Hand zum Ab- ſchied. Er fing von unten an.
„Lebe wohl, Hadſchi Halef Omar! Allah ſei bei dir immerdar!“
Er hörte gar nicht auf das, was ihm der kleine Hadſchi antwortete, ſondern ſprang zu dem Pferde Mo- hammeds, um eine Fliege tot zu ſchlagen, welche am Halſe des Roſſes ſaß. Dann fuhr er mit einem energiſchen Rucke herum und hielt dem Haddedihn die Hand entgegen:
„Allah ſei mit dir und allen den Deinen! Kehre wieder bei uns ein, wenn dich dein Weg nach Amadijah führt!“
Da bemerkte er plötzlich, daß der Sattelgurt des Engländers um den zwanzigſten Teil eines Zolles zu weit nach hinten lag. Er eilte dort hin, kroch unter das Pferd und ſchob und zerrte, als habe er eine ſchwere Laſt zu bewältigen. Endlich war er fertig und ſtreckte nun dem Reiter die Rechte hin:
„Sihdi, dein Weg ſei — — —“
„Well!“ unterbrach ihn der Maſter. „Hier!“
Ein Trinkgeld fiel in die Hand des Agha, und es war, wie ich Lindſay kannte, gewiß ſehr reichlich. Dieſe Güte machte den gerührten Anführer der Arnauten noch verwirrter. Er begann alſo von neuem:
„Sihdi, dein Weg ſei wie der Weg — — — “
„Well!“ nickte Lindſay, und eine zweite Auflage des Bakſchiſch gelangte zur Ausgabe. Der Geber hielt die zum Abſchiede hingeſtreckte Hand für eine Forderung.
„Sihdi,“ begann der Agha mit erhöhter Stimme, „dein Weg ſei wie der Weg der Gerechten, und — —“
„Well!“ ertönte es zum drittenmal.
Aber der Agha zog nun ſeine Hand plötzlich zurück und nahm die Gelegenheit, daß ich eben zu Pferde ſteigen wollte, wahr, um mir den Steigbügel zu halten. Jetzt
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dort würge. Endlich reichte er Halef die Hand zum Ab-
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„Lebe wohl, Hadſchi Halef Omar! Allah ſei bei dir
immerdar!“
Er hörte gar nicht auf das, was ihm der kleine
Hadſchi antwortete, ſondern ſprang zu dem Pferde Mo-
hammeds, um eine Fliege tot zu ſchlagen, welche am Halſe
des Roſſes ſaß. Dann fuhr er mit einem energiſchen Rucke
herum und hielt dem Haddedihn die Hand entgegen:
„Allah ſei mit dir und allen den Deinen! Kehre wieder
bei uns ein, wenn dich dein Weg nach Amadijah führt!“
Da bemerkte er plötzlich, daß der Sattelgurt des
Engländers um den zwanzigſten Teil eines Zolles zu weit
nach hinten lag. Er eilte dort hin, kroch unter das Pferd
und ſchob und zerrte, als habe er eine ſchwere Laſt zu
bewältigen. Endlich war er fertig und ſtreckte nun dem
Reiter die Rechte hin:
„Sihdi, dein Weg ſei — — —“
„Well!“ unterbrach ihn der Maſter. „Hier!“
Ein Trinkgeld fiel in die Hand des Agha, und es
war, wie ich Lindſay kannte, gewiß ſehr reichlich. Dieſe
Güte machte den gerührten Anführer der Arnauten noch
verwirrter. Er begann alſo von neuem:
„Sihdi, dein Weg ſei wie der Weg — — —
“
„Well!“ nickte Lindſay, und eine zweite Auflage des
Bakſchiſch gelangte zur Ausgabe. Der Geber hielt die
zum Abſchiede hingeſtreckte Hand für eine Forderung.
„Sihdi,“ begann der Agha mit erhöhter Stimme,
„dein Weg ſei wie der Weg der Gerechten, und — —“
„Well!“ ertönte es zum drittenmal.
Aber der Agha zog nun ſeine Hand plötzlich zurück
und nahm die Gelegenheit, daß ich eben zu Pferde ſteigen
wollte, wahr, um mir den Steigbügel zu halten. Jetzt
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/382>, abgerufen am 25.11.2024.
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