May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892]."Allah illa Allah! Wann, wann?" "Jetzt gleich." "Hamdulillah, Preis und Dank sei Allah! Er macht "Hier ist es. Komm her, Selim Agha!" Ich zählte ihm die volle Summe in die Hand. Er "Mersinah!" donnerte er. "Selim Agha!" blitzte sie. "Es ist ja mein!" grollte er. "Es bleibt auch dein!" beteuerte sie. "Ich kann es selbst aufheben!" murmelte er. "Bei mir ist es sicherer!" redete sie ihm zu. "Gieb mir nur etwas davon!" bat er. "Laß es mir nur!" schmeichelte sie. "So gieb mir wenigstens die gestrigen fünfzig Piaster!" "Du sollst sie haben, Selim Agha!" "Alle?" "Alle; aber dreiundzwanzig sind bereits davon weg." "Alle! Und dreiundzwanzig sind bereits fort! Wo "Fort! Für Mehl und Wasser für die Gefangenen." "Für Wasser? Das kostet doch nichts!" "Für die Gefangenen ist nichts umsonst; das merke Jetzt nun, da sie das Geld in den Händen hatte, "Ich mag es nicht; ja, ich darf es nicht nehmen." "Du darfst nicht? Warum?" "Mein Glaube verbietet es mir." „Allah illa Allah! Wann, wann?“ „Jetzt gleich.“ „Hamdulillah, Preis und Dank ſei Allah! Er macht „Hier iſt es. Komm her, Selim Agha!“ Ich zählte ihm die volle Summe in die Hand. Er „Merſinah!“ donnerte er. „Selim Agha!“ blitzte ſie. „Es iſt ja mein!“ grollte er. „Es bleibt auch dein!“ beteuerte ſie. „Ich kann es ſelbſt aufheben!“ murmelte er. „Bei mir iſt es ſicherer!“ redete ſie ihm zu. „Gieb mir nur etwas davon!“ bat er. „Laß es mir nur!“ ſchmeichelte ſie. „So gieb mir wenigſtens die geſtrigen fünfzig Piaſter!“ „Du ſollſt ſie haben, Selim Agha!“ „Alle?“ „Alle; aber dreiundzwanzig ſind bereits davon weg.“ „Alle! Und dreiundzwanzig ſind bereits fort! Wo „Fort! Für Mehl und Waſſer für die Gefangenen.“ „Für Waſſer? Das koſtet doch nichts!“ „Für die Gefangenen iſt nichts umſonſt; das merke Jetzt nun, da ſie das Geld in den Händen hatte, „Ich mag es nicht; ja, ich darf es nicht nehmen.“ „Du darfſt nicht? Warum?“ „Mein Glaube verbietet es mir.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0378" n="364"/> <p>„Allah illa Allah! Wann, wann?“</p><lb/> <p>„Jetzt gleich.“</p><lb/> <p>„Hamdulillah, Preis und Dank ſei Allah! Er macht<lb/> uns reich durch dich! Aber nun mußt du es uns auch<lb/> geben!“</p><lb/> <p>„Hier iſt es. Komm her, Selim Agha!“</p><lb/> <p>Ich zählte ihm die volle Summe in die Hand. Er<lb/> wollte die Hand ſchnell ſchließen, that es aber doch zu<lb/> ſpät, denn die ‚Myrte‘ hatte ihm mit einem ſehr geſchickten<lb/> Griff ſämtliche Hundertpiaſterſtücke weggeſtrichen.</p><lb/> <p>„Merſinah!“ donnerte er.</p><lb/> <p>„Selim Agha!“ blitzte ſie.</p><lb/> <p>„Es iſt ja mein!“ grollte er.</p><lb/> <p>„Es bleibt auch dein!“ beteuerte ſie.</p><lb/> <p>„Ich kann es ſelbſt aufheben!“ murmelte er.</p><lb/> <p>„Bei mir iſt es ſicherer!“ redete ſie ihm zu.</p><lb/> <p>„Gieb mir nur etwas davon!“ bat er.</p><lb/> <p>„Laß es mir nur!“ ſchmeichelte ſie.</p><lb/> <p>„So gieb mir wenigſtens die geſtrigen fünfzig Piaſter!“</p><lb/> <p>„Du ſollſt ſie haben, Selim Agha!“</p><lb/> <p>„Alle?“</p><lb/> <p>„Alle; aber dreiundzwanzig ſind bereits davon weg.“</p><lb/> <p>„Alle! Und dreiundzwanzig ſind bereits fort! Wo<lb/> ſind ſie?“</p><lb/> <p>„Fort! Für Mehl und Waſſer für die Gefangenen.“</p><lb/> <p>„Für Waſſer? Das koſtet doch nichts!“</p><lb/> <p>„Für die Gefangenen iſt nichts umſonſt; das merke<lb/> dir, Selim Agha! Aber, Emir, nun haſt du ja nichts!“</p><lb/> <p>Jetzt nun, da ſie das Geld in den Händen hatte,<lb/> wurde ſie auch rückſichtsvoll gegen mich.</p><lb/> <p>„Ich mag es nicht; ja, ich darf es nicht nehmen.“</p><lb/> <p>„Du darfſt nicht? Warum?“</p><lb/> <p>„Mein Glaube verbietet es mir.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [364/0378]
„Allah illa Allah! Wann, wann?“
„Jetzt gleich.“
„Hamdulillah, Preis und Dank ſei Allah! Er macht
uns reich durch dich! Aber nun mußt du es uns auch
geben!“
„Hier iſt es. Komm her, Selim Agha!“
Ich zählte ihm die volle Summe in die Hand. Er
wollte die Hand ſchnell ſchließen, that es aber doch zu
ſpät, denn die ‚Myrte‘ hatte ihm mit einem ſehr geſchickten
Griff ſämtliche Hundertpiaſterſtücke weggeſtrichen.
„Merſinah!“ donnerte er.
„Selim Agha!“ blitzte ſie.
„Es iſt ja mein!“ grollte er.
„Es bleibt auch dein!“ beteuerte ſie.
„Ich kann es ſelbſt aufheben!“ murmelte er.
„Bei mir iſt es ſicherer!“ redete ſie ihm zu.
„Gieb mir nur etwas davon!“ bat er.
„Laß es mir nur!“ ſchmeichelte ſie.
„So gieb mir wenigſtens die geſtrigen fünfzig Piaſter!“
„Du ſollſt ſie haben, Selim Agha!“
„Alle?“
„Alle; aber dreiundzwanzig ſind bereits davon weg.“
„Alle! Und dreiundzwanzig ſind bereits fort! Wo
ſind ſie?“
„Fort! Für Mehl und Waſſer für die Gefangenen.“
„Für Waſſer? Das koſtet doch nichts!“
„Für die Gefangenen iſt nichts umſonſt; das merke
dir, Selim Agha! Aber, Emir, nun haſt du ja nichts!“
Jetzt nun, da ſie das Geld in den Händen hatte,
wurde ſie auch rückſichtsvoll gegen mich.
„Ich mag es nicht; ja, ich darf es nicht nehmen.“
„Du darfſt nicht? Warum?“
„Mein Glaube verbietet es mir.“
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