"Selim Agha, du hast gesagt: Du liebst mich und seist mein Freund, und dennoch glaubst du, daß ich mein Wort so schlecht halte? Ich mußte ja so thun, als ob es für mich wäre!"
"So thun -- -- --?"
Er starrte mich wie versteinert an.
"So thun?" rief Mersinah. Aber ihr kam das Ver- ständnis schneller. "Warum mußtest du so thun? Rede weiter, Emir!"
"Das habe ich ja dem Agha bereits erklärt -- -- --"
"Effendi," rief sie, "erkläre diesem Agha der Ar- nauten nichts mehr, denn er wird es nie verstehen! Sage es lieber mir!"
"Wenn ich für den Agha Geld gefordert hätte, so wäre der Mutesselim sein Feind geworden -- --"
"Das ist richtig, Effendi," fiel sie eilig ein. "Ja, es wäre noch schlimmeres geschehen, denn nach deiner Ab- reise hätten wir das Geld wieder hergeben müssen."
"So dachte ich auch, und daher that ich, als ob ich das Geld für mich verlangte."
"Und es war wohl nicht für dich? Oh, sage es schnell!"
Die edle ,Myrte' zitterte an ihrem ganzen Gebein vor Begierde.
"Für den Agha," antwortete ich ihr.
"Maschallah! Ist dies wahr?"
"Natürlich!"
"Und er soll wirklich außer diesen fünfzig Piastern noch Geld erhalten?"
"Sehr viel."
"Wie viel?"
"Alles."
„Das war ja für dich, Effendi!“
„Selim Agha, du haſt geſagt: Du liebſt mich und ſeiſt mein Freund, und dennoch glaubſt du, daß ich mein Wort ſo ſchlecht halte? Ich mußte ja ſo thun, als ob es für mich wäre!“
„So thun — — —?“
Er ſtarrte mich wie verſteinert an.
„So thun?“ rief Merſinah. Aber ihr kam das Ver- ſtändnis ſchneller. „Warum mußteſt du ſo thun? Rede weiter, Emir!“
„Das habe ich ja dem Agha bereits erklärt — — —“
„Effendi,“ rief ſie, „erkläre dieſem Agha der Ar- nauten nichts mehr, denn er wird es nie verſtehen! Sage es lieber mir!“
„Wenn ich für den Agha Geld gefordert hätte, ſo wäre der Muteſſelim ſein Feind geworden — —“
„Das iſt richtig, Effendi,“ fiel ſie eilig ein. „Ja, es wäre noch ſchlimmeres geſchehen, denn nach deiner Ab- reiſe hätten wir das Geld wieder hergeben müſſen.“
„So dachte ich auch, und daher that ich, als ob ich das Geld für mich verlangte.“
„Und es war wohl nicht für dich? Oh, ſage es ſchnell!“
Die edle ‚Myrte‘ zitterte an ihrem ganzen Gebein vor Begierde.
„Für den Agha,“ antwortete ich ihr.
„Maſchallah! Iſt dies wahr?“
„Natürlich!“
„Und er ſoll wirklich außer dieſen fünfzig Piaſtern noch Geld erhalten?“
„Sehr viel.“
„Wie viel?“
„Alles.“
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„Das war ja für dich, Effendi!“
„Selim Agha, du haſt geſagt: Du liebſt mich und
ſeiſt mein Freund, und dennoch glaubſt du, daß ich mein
Wort ſo ſchlecht halte? Ich mußte ja ſo thun, als ob
es für mich wäre!“
„So thun — — —?“
Er ſtarrte mich wie verſteinert an.
„So thun?“ rief Merſinah. Aber ihr kam das Ver-
ſtändnis ſchneller. „Warum mußteſt du ſo thun? Rede
weiter, Emir!“
„Das habe ich ja dem Agha bereits erklärt — — —“
„Effendi,“ rief ſie, „erkläre dieſem Agha der Ar-
nauten nichts mehr, denn er wird es nie verſtehen! Sage
es lieber mir!“
„Wenn ich für den Agha Geld gefordert hätte, ſo
wäre der Muteſſelim ſein Feind geworden — —“
„Das iſt richtig, Effendi,“ fiel ſie eilig ein. „Ja,
es wäre noch ſchlimmeres geſchehen, denn nach deiner Ab-
reiſe hätten wir das Geld wieder hergeben müſſen.“
„So dachte ich auch, und daher that ich, als ob ich
das Geld für mich verlangte.“
„Und es war wohl nicht für dich? Oh, ſage es
ſchnell!“
Die edle ‚Myrte‘ zitterte an ihrem ganzen Gebein
vor Begierde.
„Für den Agha,“ antwortete ich ihr.
„Maſchallah! Iſt dies wahr?“
„Natürlich!“
„Und er ſoll wirklich außer dieſen fünfzig Piaſtern
noch Geld erhalten?“
„Sehr viel.“
„Wie viel?“
„Alles.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/377>, abgerufen am 25.11.2024.
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