"Der Basch Tschausch holte mich zu ihm, und ich mußte Antwort geben auf sehr viele Fragen."
"Auf welche?"
"Ob ein Gefangener bei uns sei; ob du bei den Dschesidi viel Türken ermordet hast; ob du vielleicht ein Minister aus Stambul bist, und noch vieles andere, was ich mir gar nicht gemerkt habe."
"Euer Weg, Ifra, führt euch nach Spandareh. Sage dem Dorfältesten dort, daß ich heute nach Gumri auf- breche, und daß ich dem Bey von Gumri das Geschenk bereits übersandt habe. Und in Baadri gehst du zu Ali Bey, um das zu vervollständigen, was ihm Selek er- zählen wird."
"Dieser geht auch fort?"
"Ja; wo ist er?"
"Bei seinem Pferde."
"Sage ihm, daß er satteln kann. Ich werde ihm einen Brief mitgeben. Und nun lebe wohl, Ifra. Allah behüte dich und deinen Esel. Mögest du nie vergessen, daß ein Stein an seinen Schwanz gehört!" -- --
Die drei Gefährten saßen kampfgerüstet in der Stube des Engländers beisammen. Halef umarmte mich beinahe vor Freude, und der Engländer reichte mir mit einem so frohen Gesichte die Hand, daß ich erkennen mußte, er sei in herzlichster Sorge um mich gewesen.
"Gefahr gehabt, Sir?" fragte er.
"Ich stak bereits in demselben Loche, aus welchem ich Amad el Ghandur geholt habe."
"Ah! Prächtiges Abenteuer! Gefangener gewesen! Wie lange Zeit?"
"Zwei Minuten."
"Selbst wieder freigemacht?"
"Selbst! Soll ich Euch die Geschichte erzählen?"
„Der Baſch Tſchauſch holte mich zu ihm, und ich mußte Antwort geben auf ſehr viele Fragen.“
„Auf welche?“
„Ob ein Gefangener bei uns ſei; ob du bei den Dſcheſidi viel Türken ermordet haſt; ob du vielleicht ein Miniſter aus Stambul biſt, und noch vieles andere, was ich mir gar nicht gemerkt habe.“
„Euer Weg, Ifra, führt euch nach Spandareh. Sage dem Dorfälteſten dort, daß ich heute nach Gumri auf- breche, und daß ich dem Bey von Gumri das Geſchenk bereits überſandt habe. Und in Baadri gehſt du zu Ali Bey, um das zu vervollſtändigen, was ihm Selek er- zählen wird.“
„Dieſer geht auch fort?“
„Ja; wo iſt er?“
„Bei ſeinem Pferde.“
„Sage ihm, daß er ſatteln kann. Ich werde ihm einen Brief mitgeben. Und nun lebe wohl, Ifra. Allah behüte dich und deinen Eſel. Mögeſt du nie vergeſſen, daß ein Stein an ſeinen Schwanz gehört!“ — —
Die drei Gefährten ſaßen kampfgerüſtet in der Stube des Engländers beiſammen. Halef umarmte mich beinahe vor Freude, und der Engländer reichte mir mit einem ſo frohen Geſichte die Hand, daß ich erkennen mußte, er ſei in herzlichſter Sorge um mich geweſen.
„Gefahr gehabt, Sir?“ fragte er.
„Ich ſtak bereits in demſelben Loche, aus welchem ich Amad el Ghandur geholt habe.“
„Ah! Prächtiges Abenteuer! Gefangener geweſen! Wie lange Zeit?“
„Zwei Minuten.“
„Selbſt wieder freigemacht?“
„Selbſt! Soll ich Euch die Geſchichte erzählen?“
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„Der Baſch Tſchauſch holte mich zu ihm, und ich
mußte Antwort geben auf ſehr viele Fragen.“
„Auf welche?“
„Ob ein Gefangener bei uns ſei; ob du bei den
Dſcheſidi viel Türken ermordet haſt; ob du vielleicht ein
Miniſter aus Stambul biſt, und noch vieles andere, was
ich mir gar nicht gemerkt habe.“
„Euer Weg, Ifra, führt euch nach Spandareh. Sage
dem Dorfälteſten dort, daß ich heute nach Gumri auf-
breche, und daß ich dem Bey von Gumri das Geſchenk
bereits überſandt habe. Und in Baadri gehſt du zu Ali
Bey, um das zu vervollſtändigen, was ihm Selek er-
zählen wird.“
„Dieſer geht auch fort?“
„Ja; wo iſt er?“
„Bei ſeinem Pferde.“
„Sage ihm, daß er ſatteln kann. Ich werde ihm
einen Brief mitgeben. Und nun lebe wohl, Ifra. Allah
behüte dich und deinen Eſel. Mögeſt du nie vergeſſen,
daß ein Stein an ſeinen Schwanz gehört!“ — —
Die drei Gefährten ſaßen kampfgerüſtet in der Stube
des Engländers beiſammen. Halef umarmte mich beinahe
vor Freude, und der Engländer reichte mir mit einem
ſo frohen Geſichte die Hand, daß ich erkennen mußte, er
ſei in herzlichſter Sorge um mich geweſen.
„Gefahr gehabt, Sir?“ fragte er.
„Ich ſtak bereits in demſelben Loche, aus welchem
ich Amad el Ghandur geholt habe.“
„Ah! Prächtiges Abenteuer! Gefangener geweſen!
Wie lange Zeit?“
„Zwei Minuten.“
„Selbſt wieder freigemacht?“
„Selbſt! Soll ich Euch die Geſchichte erzählen?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/374>, abgerufen am 25.11.2024.
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