"Du wirst gleich hören, daß ich noch mehr für dich thue."
Als der Kommandant wieder eintrat, machte er ein sehr verdrießliches Gesicht und begann:
"Draußen steht jetzt der Basch Tschausch, der nach Mossul gehen soll -- -- --"
"Der meinen Baschi-Bozuk holte," unterbrach ich ihn, "damit du ihn über mich verhören konntest! Hast du wohl ein Wort von ihm erfahren, das mich verdächtigt?"
"Nein, er war deines Lobes voll. Aber sage mir, was ich dem Anatoli Kasi Askeri über den entsprungenen Gefangenen schreiben soll!"
"Schreibe die Wahrheit!"
"Das wird mir großen Schaden machen, Effendi. Denkst du nicht, daß ich schreiben könnte, er sei gestorben?"
"Das ist deine Sache!"
"Würdest du mich verraten?"
"Ich habe keinen Grund dazu, solange du mein Freund bist."
"Ich werde es thun!"
"Aber wenn es dir gelingt, ihn wieder zu ergreifen? Oder wenn er glücklich seine Heimat erreicht?"
"So hat sich der abgesetzte Mutessarif geirrt und mir einen Mann geschickt, den er zwar für Amad el Ghandur hielt, der es aber nicht war. Und wenn ich ihn wieder ergreife -- -- Effendi, es wird das beste sein, daß ich gar nicht nach ihm suchen lasse!"
Das war eine echt türkische Weise, sich aus der Not zu helfen; mir jedoch kam sie sehr willkommen.
"Aber der Basch Tschausch weiß ja, daß der Araber entflohen ist?"
"Das ist ein anderer Araber gewesen, kein Haddedihn, sondern ein Abu Salman, der mir den Zoll verweigerte."
II. 23
„Du wirſt gleich hören, daß ich noch mehr für dich thue.“
Als der Kommandant wieder eintrat, machte er ein ſehr verdrießliches Geſicht und begann:
„Draußen ſteht jetzt der Baſch Tſchauſch, der nach Moſſul gehen ſoll — — —“
„Der meinen Baſchi-Bozuk holte,“ unterbrach ich ihn, „damit du ihn über mich verhören konnteſt! Haſt du wohl ein Wort von ihm erfahren, das mich verdächtigt?“
„Nein, er war deines Lobes voll. Aber ſage mir, was ich dem Anatoli Kaſi Askeri über den entſprungenen Gefangenen ſchreiben ſoll!“
„Schreibe die Wahrheit!“
„Das wird mir großen Schaden machen, Effendi. Denkſt du nicht, daß ich ſchreiben könnte, er ſei geſtorben?“
„Das iſt deine Sache!“
„Würdeſt du mich verraten?“
„Ich habe keinen Grund dazu, ſolange du mein Freund biſt.“
„Ich werde es thun!“
„Aber wenn es dir gelingt, ihn wieder zu ergreifen? Oder wenn er glücklich ſeine Heimat erreicht?“
„So hat ſich der abgeſetzte Muteſſarif geirrt und mir einen Mann geſchickt, den er zwar für Amad el Ghandur hielt, der es aber nicht war. Und wenn ich ihn wieder ergreife — — Effendi, es wird das beſte ſein, daß ich gar nicht nach ihm ſuchen laſſe!“
Das war eine echt türkiſche Weiſe, ſich aus der Not zu helfen; mir jedoch kam ſie ſehr willkommen.
„Aber der Baſch Tſchauſch weiß ja, daß der Araber entflohen iſt?“
„Das iſt ein anderer Araber geweſen, kein Haddedihn, ſondern ein Abu Salman, der mir den Zoll verweigerte.“
II. 23
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„Du wirſt gleich hören, daß ich noch mehr für dich
thue.“
Als der Kommandant wieder eintrat, machte er ein
ſehr verdrießliches Geſicht und begann:
„Draußen ſteht jetzt der Baſch Tſchauſch, der nach
Moſſul gehen ſoll — — —“
„Der meinen Baſchi-Bozuk holte,“ unterbrach ich ihn,
„damit du ihn über mich verhören konnteſt! Haſt du wohl
ein Wort von ihm erfahren, das mich verdächtigt?“
„Nein, er war deines Lobes voll. Aber ſage mir,
was ich dem Anatoli Kaſi Askeri über den entſprungenen
Gefangenen ſchreiben ſoll!“
„Schreibe die Wahrheit!“
„Das wird mir großen Schaden machen, Effendi.
Denkſt du nicht, daß ich ſchreiben könnte, er ſei geſtorben?“
„Das iſt deine Sache!“
„Würdeſt du mich verraten?“
„Ich habe keinen Grund dazu, ſolange du mein
Freund biſt.“
„Ich werde es thun!“
„Aber wenn es dir gelingt, ihn wieder zu ergreifen?
Oder wenn er glücklich ſeine Heimat erreicht?“
„So hat ſich der abgeſetzte Muteſſarif geirrt und mir
einen Mann geſchickt, den er zwar für Amad el Ghandur
hielt, der es aber nicht war. Und wenn ich ihn wieder
ergreife — — Effendi, es wird das beſte ſein, daß ich
gar nicht nach ihm ſuchen laſſe!“
Das war eine echt türkiſche Weiſe, ſich aus der Not
zu helfen; mir jedoch kam ſie ſehr willkommen.
„Aber der Baſch Tſchauſch weiß ja, daß der Araber
entflohen iſt?“
„Das iſt ein anderer Araber geweſen, kein Haddedihn,
ſondern ein Abu Salman, der mir den Zoll verweigerte.“
II. 23
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/367>, abgerufen am 25.11.2024.
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