Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

Diplomat, daß ich in Stambul gewiß deine Verdienste
sehr viel rühmen werde! Man wird sich dann beeilen,
dir eine noch viel höhere Stellung als die jetzige zu geben.
Vielleicht macht dich der Padischah gar zum Vicekönig
von Bagdad. Hadschi Lindsay-Bey will einen Mann
aufsuchen. Hat er gesagt, daß ich dieser Mann sei? Dieser
Mann will einen Gefangenen befreien. Hat er gesagt,
daß es dein Gefangener sein soll? Wird ein Inglis sein
Vaterland, welches beinahe tausend Kameltagreisen von
hier entfernt ist, verlassen, um einen Araber aus der Ge-
fangenschaft zu befreien? Er hatte, als er es verließ, noch
niemals einen Araber gesehen."

"Aber du, du bist ein Freund von Amad el Ghandur?"

"Ich sage dir, daß ich ihn noch nie gesehen hatte,
als bis ich ihn hier in dem Loche sah! Hadschi Lindsay-
Bey versteht nicht Türkisch und nicht Arabisch, und sein
Dolmetscher konnte nicht gut englisch sprechen. Wer weiß,
was dieser Mann gehört und verstanden hat. Vielleicht
hat der Hadschi ihm nur ein Märchen erzählt."

"Aber er redet doch nicht!"

"Damals sprach er noch. Er hat sein Gelübde erst
später gethan."

"So komm, du sollst auch den andern Zeugen hören!
Man klopft. Es wird dein Diener sein."

Er öffnete den Eingang. Der Arnaute brachte Halef,
dem ich sagte, daß ich mit der Haussuchung einverstanden
sei, und fügte bei:

"Ich will dem Mutesselim beweisen, daß ich sein
Freund bin. Die Leute sollen überall hingelassen werden.
Nun gehe!"

"Wo gehest denn du jetzt hin?"

"Zum Mutesselim."

"Wann kommst du wieder?"

Diplomat, daß ich in Stambul gewiß deine Verdienſte
ſehr viel rühmen werde! Man wird ſich dann beeilen,
dir eine noch viel höhere Stellung als die jetzige zu geben.
Vielleicht macht dich der Padiſchah gar zum Vicekönig
von Bagdad. Hadſchi Lindſay-Bey will einen Mann
aufſuchen. Hat er geſagt, daß ich dieſer Mann ſei? Dieſer
Mann will einen Gefangenen befreien. Hat er geſagt,
daß es dein Gefangener ſein ſoll? Wird ein Inglis ſein
Vaterland, welches beinahe tauſend Kameltagreiſen von
hier entfernt iſt, verlaſſen, um einen Araber aus der Ge-
fangenſchaft zu befreien? Er hatte, als er es verließ, noch
niemals einen Araber geſehen.“

„Aber du, du biſt ein Freund von Amad el Ghandur?“

„Ich ſage dir, daß ich ihn noch nie geſehen hatte,
als bis ich ihn hier in dem Loche ſah! Hadſchi Lindſay-
Bey verſteht nicht Türkiſch und nicht Arabiſch, und ſein
Dolmetſcher konnte nicht gut engliſch ſprechen. Wer weiß,
was dieſer Mann gehört und verſtanden hat. Vielleicht
hat der Hadſchi ihm nur ein Märchen erzählt.“

„Aber er redet doch nicht!“

„Damals ſprach er noch. Er hat ſein Gelübde erſt
ſpäter gethan.“

„So komm, du ſollſt auch den andern Zeugen hören!
Man klopft. Es wird dein Diener ſein.“

Er öffnete den Eingang. Der Arnaute brachte Halef,
dem ich ſagte, daß ich mit der Hausſuchung einverſtanden
ſei, und fügte bei:

„Ich will dem Muteſſelim beweiſen, daß ich ſein
Freund bin. Die Leute ſollen überall hingelaſſen werden.
Nun gehe!“

„Wo geheſt denn du jetzt hin?“

„Zum Muteſſelim.“

„Wann kommſt du wieder?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0363" n="349"/>
Diplomat, daß ich in Stambul gewiß deine Verdien&#x017F;te<lb/>
&#x017F;ehr viel rühmen werde! Man wird &#x017F;ich dann beeilen,<lb/>
dir eine noch viel höhere Stellung als die jetzige zu geben.<lb/>
Vielleicht macht dich der Padi&#x017F;chah gar zum Vicekönig<lb/>
von Bagdad. Had&#x017F;chi Lind&#x017F;ay-Bey will einen Mann<lb/>
auf&#x017F;uchen. Hat er ge&#x017F;agt, daß ich die&#x017F;er Mann &#x017F;ei? Die&#x017F;er<lb/>
Mann will einen Gefangenen befreien. Hat er ge&#x017F;agt,<lb/>
daß es dein Gefangener &#x017F;ein &#x017F;oll? Wird ein Inglis &#x017F;ein<lb/>
Vaterland, welches beinahe tau&#x017F;end Kameltagrei&#x017F;en von<lb/>
hier entfernt i&#x017F;t, verla&#x017F;&#x017F;en, um einen Araber aus der Ge-<lb/>
fangen&#x017F;chaft zu befreien? Er hatte, als er es verließ, noch<lb/>
niemals einen Araber ge&#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber du, du bi&#x017F;t ein Freund von Amad el Ghandur?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;age dir, daß ich ihn noch nie ge&#x017F;ehen hatte,<lb/>
als bis ich ihn hier in dem Loche &#x017F;ah! Had&#x017F;chi Lind&#x017F;ay-<lb/>
Bey ver&#x017F;teht nicht Türki&#x017F;ch und nicht Arabi&#x017F;ch, und &#x017F;ein<lb/>
Dolmet&#x017F;cher konnte nicht gut engli&#x017F;ch &#x017F;prechen. Wer weiß,<lb/>
was die&#x017F;er Mann gehört und ver&#x017F;tanden hat. Vielleicht<lb/>
hat der Had&#x017F;chi ihm nur ein Märchen erzählt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber er redet doch nicht!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Damals &#x017F;prach er noch. Er hat &#x017F;ein Gelübde er&#x017F;t<lb/>
&#x017F;päter gethan.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So komm, du &#x017F;oll&#x017F;t auch den andern Zeugen hören!<lb/>
Man klopft. Es wird dein Diener &#x017F;ein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er öffnete den Eingang. Der Arnaute brachte Halef,<lb/>
dem ich &#x017F;agte, daß ich mit der Haus&#x017F;uchung einver&#x017F;tanden<lb/>
&#x017F;ei, und fügte bei:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich will dem Mute&#x017F;&#x017F;elim bewei&#x017F;en, daß ich &#x017F;ein<lb/>
Freund bin. Die Leute &#x017F;ollen überall hingela&#x017F;&#x017F;en werden.<lb/>
Nun gehe!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wo gehe&#x017F;t denn du jetzt hin?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zum Mute&#x017F;&#x017F;elim.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wann komm&#x017F;t du wieder?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0363] Diplomat, daß ich in Stambul gewiß deine Verdienſte ſehr viel rühmen werde! Man wird ſich dann beeilen, dir eine noch viel höhere Stellung als die jetzige zu geben. Vielleicht macht dich der Padiſchah gar zum Vicekönig von Bagdad. Hadſchi Lindſay-Bey will einen Mann aufſuchen. Hat er geſagt, daß ich dieſer Mann ſei? Dieſer Mann will einen Gefangenen befreien. Hat er geſagt, daß es dein Gefangener ſein ſoll? Wird ein Inglis ſein Vaterland, welches beinahe tauſend Kameltagreiſen von hier entfernt iſt, verlaſſen, um einen Araber aus der Ge- fangenſchaft zu befreien? Er hatte, als er es verließ, noch niemals einen Araber geſehen.“ „Aber du, du biſt ein Freund von Amad el Ghandur?“ „Ich ſage dir, daß ich ihn noch nie geſehen hatte, als bis ich ihn hier in dem Loche ſah! Hadſchi Lindſay- Bey verſteht nicht Türkiſch und nicht Arabiſch, und ſein Dolmetſcher konnte nicht gut engliſch ſprechen. Wer weiß, was dieſer Mann gehört und verſtanden hat. Vielleicht hat der Hadſchi ihm nur ein Märchen erzählt.“ „Aber er redet doch nicht!“ „Damals ſprach er noch. Er hat ſein Gelübde erſt ſpäter gethan.“ „So komm, du ſollſt auch den andern Zeugen hören! Man klopft. Es wird dein Diener ſein.“ Er öffnete den Eingang. Der Arnaute brachte Halef, dem ich ſagte, daß ich mit der Hausſuchung einverſtanden ſei, und fügte bei: „Ich will dem Muteſſelim beweiſen, daß ich ſein Freund bin. Die Leute ſollen überall hingelaſſen werden. Nun gehe!“ „Wo geheſt denn du jetzt hin?“ „Zum Muteſſelim.“ „Wann kommſt du wieder?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/363
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/363>, abgerufen am 25.11.2024.