sich jetzt gewiß in sehr großer Verlegenheit, aus der ich ihn erretten mußte.
"Tretet ein wenig zurück, ihr Männer, denn jetzt geht es los!"
Ich richtete die Mündung der Waffe auf sie und bekam die Oeffnung frei. Nach einer schnellen Kraft- anstrengung stand ich oben vor dem Kommandanten, dem ich die Pistole unter die Nase hielt.
"Mutesselim, ich habe da unten keine Spur gefunden!"
"Alla illa Allah! Emir, thue diese Waffe weg!"
Daß er selbst ein solches Schießding, mit dem er sich ja wehren konnte, im Gürtel trug, schien ihm gar nicht einzufallen.
"Sie kommt erst dann zurück an ihre Stelle, wenn diese Wächter zurückgekehrt sind nach oben. Selim Agha, schaffe sie fort!"
Diesem Befehle leistete der Agha augenblicklich Folge:
"Packt euch, und laßt euch nicht wieder sehen!"
Sie retirierten schleunigst die Treppe empor.
"So, jetzt stecke ich die Waffe ein. O, Mutesselim, in welche Schande hast du dich gebracht! Deine List ist nicht gelungen, deine Gewalt hat nichts genützt; und nun stehest du da wie ein Fakara günakiar *), der um Gnade bitten muß. Warum wolltest du mich einschließen lassen?"
"Weil ich bei dir aussuchen muß."
"Darf ich nicht dabei sein?"
"Du hättest dich gewehrt."
"Ah, du hast also Respekt vor mir? Das höre ich gern! Und du meinst, daß die andern sich nicht gewehrt hätten?"
"Du bist der schlimmste, sie aber hätten wir nicht gefürchtet."
*) Armer Sünder.
ſich jetzt gewiß in ſehr großer Verlegenheit, aus der ich ihn erretten mußte.
„Tretet ein wenig zurück, ihr Männer, denn jetzt geht es los!“
Ich richtete die Mündung der Waffe auf ſie und bekam die Oeffnung frei. Nach einer ſchnellen Kraft- anſtrengung ſtand ich oben vor dem Kommandanten, dem ich die Piſtole unter die Naſe hielt.
„Muteſſelim, ich habe da unten keine Spur gefunden!“
„Alla illa Allah! Emir, thue dieſe Waffe weg!“
Daß er ſelbſt ein ſolches Schießding, mit dem er ſich ja wehren konnte, im Gürtel trug, ſchien ihm gar nicht einzufallen.
„Sie kommt erſt dann zurück an ihre Stelle, wenn dieſe Wächter zurückgekehrt ſind nach oben. Selim Agha, ſchaffe ſie fort!“
Dieſem Befehle leiſtete der Agha augenblicklich Folge:
„Packt euch, und laßt euch nicht wieder ſehen!“
Sie retirierten ſchleunigſt die Treppe empor.
„So, jetzt ſtecke ich die Waffe ein. O, Muteſſelim, in welche Schande haſt du dich gebracht! Deine Liſt iſt nicht gelungen, deine Gewalt hat nichts genützt; und nun ſteheſt du da wie ein Fakara günakiar *), der um Gnade bitten muß. Warum wollteſt du mich einſchließen laſſen?“
„Weil ich bei dir ausſuchen muß.“
„Darf ich nicht dabei ſein?“
„Du hätteſt dich gewehrt.“
„Ah, du haſt alſo Reſpekt vor mir? Das höre ich gern! Und du meinſt, daß die andern ſich nicht gewehrt hätten?“
„Du biſt der ſchlimmſte, ſie aber hätten wir nicht gefürchtet.“
*) Armer Sünder.
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ſich jetzt gewiß in ſehr großer Verlegenheit, aus der ich
ihn erretten mußte.
„Tretet ein wenig zurück, ihr Männer, denn jetzt
geht es los!“
Ich richtete die Mündung der Waffe auf ſie und
bekam die Oeffnung frei. Nach einer ſchnellen Kraft-
anſtrengung ſtand ich oben vor dem Kommandanten, dem
ich die Piſtole unter die Naſe hielt.
„Muteſſelim, ich habe da unten keine Spur gefunden!“
„Alla illa Allah! Emir, thue dieſe Waffe weg!“
Daß er ſelbſt ein ſolches Schießding, mit dem er ſich
ja wehren konnte, im Gürtel trug, ſchien ihm gar nicht
einzufallen.
„Sie kommt erſt dann zurück an ihre Stelle, wenn
dieſe Wächter zurückgekehrt ſind nach oben. Selim Agha,
ſchaffe ſie fort!“
Dieſem Befehle leiſtete der Agha augenblicklich Folge:
„Packt euch, und laßt euch nicht wieder ſehen!“
Sie retirierten ſchleunigſt die Treppe empor.
„So, jetzt ſtecke ich die Waffe ein. O, Muteſſelim,
in welche Schande haſt du dich gebracht! Deine Liſt iſt
nicht gelungen, deine Gewalt hat nichts genützt; und nun
ſteheſt du da wie ein Fakara günakiar *), der um Gnade
bitten muß. Warum wollteſt du mich einſchließen laſſen?“
„Weil ich bei dir ausſuchen muß.“
„Darf ich nicht dabei ſein?“
„Du hätteſt dich gewehrt.“
„Ah, du haſt alſo Reſpekt vor mir? Das höre ich
gern! Und du meinſt, daß die andern ſich nicht gewehrt
hätten?“
„Du biſt der ſchlimmſte, ſie aber hätten wir nicht
gefürchtet.“
*) Armer Sünder.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/358>, abgerufen am 25.11.2024.
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