"Weil er sich an den Felsen zu Tode gestürzt hat."
"Und wenn wir uns getäuscht hätten?"
"Wieso?"
"Der Mutesselim scheint jetzt zu glauben, daß er noch lebt."
"Hat er dir nähere Mitteilung darüber gemacht?"
"Nein; aber ich hörte es aus verschiedenen Worten, welche er sprach."
"So wünsche ich ihm, daß er sich nicht irren möge!"
Ich begab mich nach meinem Zimmer. Sollte ein von mir oder von uns unbeachteter Umstand den Verdacht des Kommandanten erregt haben? Möglich war es. Aber dann war es auch geraten, sich auf alles gefaßt zu machen. Doch ehe ich meinen Gefährten eine Mitteilung machte, ging ich im Geiste noch einmal alles Geschehene durch. Ich konnte nichts finden, was mir hätte auffallen können, und noch war ich mit mir nicht im klaren, als der Agha die Treppen emporkam und bei mir eintrat.
"Effendi, es ist ein Bote des Mutesselim da. Er läßt uns sagen, daß wir nochmals in das Gefängnis kommen sollen."
"Er ist bereits dort?"
"Ja."
"Erwarte mich unten. Ich komme sogleich!"
War es in Frieden oder war es Feindseligkeit, daß er mich kommen ließ? Ich beschloß mich auch auf letz- tere vorzubereiten. Die beiden Revolver waren geladen. Ich steckte auch die Pistolen zu mir und [...]ging dann zu Halef. Dieser war allein in seiner Stube.
"Wo ist der Buluk Emini?"
"Der Basch Tschausch hat ihn geholt."
„Dazu iſt wohl keine Hoffnung vorhanden.“
„Warum?“
„Weil er ſich an den Felſen zu Tode geſtürzt hat.“
„Und wenn wir uns getäuſcht hätten?“
„Wieſo?“
„Der Muteſſelim ſcheint jetzt zu glauben, daß er noch lebt.“
„Hat er dir nähere Mitteilung darüber gemacht?“
„Nein; aber ich hörte es aus verſchiedenen Worten, welche er ſprach.“
„So wünſche ich ihm, daß er ſich nicht irren möge!“
Ich begab mich nach meinem Zimmer. Sollte ein von mir oder von uns unbeachteter Umſtand den Verdacht des Kommandanten erregt haben? Möglich war es. Aber dann war es auch geraten, ſich auf alles gefaßt zu machen. Doch ehe ich meinen Gefährten eine Mitteilung machte, ging ich im Geiſte noch einmal alles Geſchehene durch. Ich konnte nichts finden, was mir hätte auffallen können, und noch war ich mit mir nicht im klaren, als der Agha die Treppen emporkam und bei mir eintrat.
„Effendi, es iſt ein Bote des Muteſſelim da. Er läßt uns ſagen, daß wir nochmals in das Gefängnis kommen ſollen.“
„Er iſt bereits dort?“
„Ja.“
„Erwarte mich unten. Ich komme ſogleich!“
War es in Frieden oder war es Feindſeligkeit, daß er mich kommen ließ? Ich beſchloß mich auch auf letz- tere vorzubereiten. Die beiden Revolver waren geladen. Ich ſteckte auch die Piſtolen zu mir und […]ging dann zu Halef. Dieſer war allein in ſeiner Stube.
„Wo iſt der Buluk Emini?“
„Der Baſch Tſchauſch hat ihn geholt.“
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„Dazu iſt wohl keine Hoffnung vorhanden.“
„Warum?“
„Weil er ſich an den Felſen zu Tode geſtürzt hat.“
„Und wenn wir uns getäuſcht hätten?“
„Wieſo?“
„Der Muteſſelim ſcheint jetzt zu glauben, daß er
noch lebt.“
„Hat er dir nähere Mitteilung darüber gemacht?“
„Nein; aber ich hörte es aus verſchiedenen Worten,
welche er ſprach.“
„So wünſche ich ihm, daß er ſich nicht irren möge!“
Ich begab mich nach meinem Zimmer. Sollte ein
von mir oder von uns unbeachteter Umſtand den Verdacht
des Kommandanten erregt haben? Möglich war es. Aber
dann war es auch geraten, ſich auf alles gefaßt zu machen.
Doch ehe ich meinen Gefährten eine Mitteilung machte,
ging ich im Geiſte noch einmal alles Geſchehene durch.
Ich konnte nichts finden, was mir hätte auffallen können,
und noch war ich mit mir nicht im klaren, als der Agha
die Treppen emporkam und bei mir eintrat.
„Effendi, es iſt ein Bote des Muteſſelim da. Er
läßt uns ſagen, daß wir nochmals in das Gefängnis
kommen ſollen.“
„Er iſt bereits dort?“
„Ja.“
„Erwarte mich unten. Ich komme ſogleich!“
War es in Frieden oder war es Feindſeligkeit, daß
er mich kommen ließ? Ich beſchloß mich auch auf letz-
tere vorzubereiten. Die beiden Revolver waren geladen.
Ich ſteckte auch die Piſtolen zu mir und ging dann
zu Halef. Dieſer war allein in ſeiner Stube.
„Wo iſt der Buluk Emini?“
„Der Baſch Tſchauſch hat ihn geholt.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/349>, abgerufen am 25.11.2024.
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