"Hast du das Verzeichnis, welches der Kommandant nach Mossul schicken muß, unterschrieben?"
"Ja."
"Wie viel hat er angegeben?"
"Vierhundert Piaster in Gold und einundachtzig Piaster in Silber."
"Weiter nichts?"
"Nein."
"Die Uhr und die Ringe?"
"Auch nicht."
"Er ist dein Vorgesetzter, und du darfst ihn dir nicht zum Feinde machen; darum ist es gut, daß du das Geld ruhig genommen hast. Weißt du noch, was ich dir ver- sprochen habe?"
"Ich weiß es!"
"Ich werde mein Wort halten und mit dem Kom- mandanten sprechen. Tausend Piaster wenigstens sollst du erhalten."
"Ist das wahr, Effendi?" frug Mersinah.
"Ja. Das Geld gehört weder dem Mutesselim noch dem Agha, aber es kommt auf alle Fälle in Hände, welche kein Recht daran haben, und so mag es bleiben, wo es ist. Aber der Agha soll nicht so schmählich betrogen werden!"
"Er sollte doch wohl siebentausend erhalten?"
"Die bekommt er nicht. Das wurde nur als Vor- wand gesagt. Selim, ist der Basch Tschausch schon fort?"
"Nein, Effendi."
"Er sollte doch am Vormittage fortgehen."
"Der Mutesselim hat ja einen neuen Bericht zu schreiben, weil er in dem alten sagte, daß er den Araber schicken werde. Vielleicht soll der Basch Tschausch warten, bis wir den Entflohenen wieder haben."
Ich wandte mich an den Agha:
„Haſt du das Verzeichnis, welches der Kommandant nach Moſſul ſchicken muß, unterſchrieben?“
„Ja.“
„Wie viel hat er angegeben?“
„Vierhundert Piaſter in Gold und einundachtzig Piaſter in Silber.“
„Weiter nichts?“
„Nein.“
„Die Uhr und die Ringe?“
„Auch nicht.“
„Er iſt dein Vorgeſetzter, und du darfſt ihn dir nicht zum Feinde machen; darum iſt es gut, daß du das Geld ruhig genommen haſt. Weißt du noch, was ich dir ver- ſprochen habe?“
„Ich weiß es!“
„Ich werde mein Wort halten und mit dem Kom- mandanten ſprechen. Tauſend Piaſter wenigſtens ſollſt du erhalten.“
„Iſt das wahr, Effendi?“ frug Merſinah.
„Ja. Das Geld gehört weder dem Muteſſelim noch dem Agha, aber es kommt auf alle Fälle in Hände, welche kein Recht daran haben, und ſo mag es bleiben, wo es iſt. Aber der Agha ſoll nicht ſo ſchmählich betrogen werden!“
„Er ſollte doch wohl ſiebentauſend erhalten?“
„Die bekommt er nicht. Das wurde nur als Vor- wand geſagt. Selim, iſt der Baſch Tſchauſch ſchon fort?“
„Nein, Effendi.“
„Er ſollte doch am Vormittage fortgehen.“
„Der Muteſſelim hat ja einen neuen Bericht zu ſchreiben, weil er in dem alten ſagte, daß er den Araber ſchicken werde. Vielleicht ſoll der Baſch Tſchauſch warten, bis wir den Entflohenen wieder haben.“
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Ich wandte mich an den Agha:
„Haſt du das Verzeichnis, welches der Kommandant
nach Moſſul ſchicken muß, unterſchrieben?“
„Ja.“
„Wie viel hat er angegeben?“
„Vierhundert Piaſter in Gold und einundachtzig Piaſter
in Silber.“
„Weiter nichts?“
„Nein.“
„Die Uhr und die Ringe?“
„Auch nicht.“
„Er iſt dein Vorgeſetzter, und du darfſt ihn dir nicht
zum Feinde machen; darum iſt es gut, daß du das Geld
ruhig genommen haſt. Weißt du noch, was ich dir ver-
ſprochen habe?“
„Ich weiß es!“
„Ich werde mein Wort halten und mit dem Kom-
mandanten ſprechen. Tauſend Piaſter wenigſtens ſollſt
du erhalten.“
„Iſt das wahr, Effendi?“ frug Merſinah.
„Ja. Das Geld gehört weder dem Muteſſelim noch
dem Agha, aber es kommt auf alle Fälle in Hände, welche
kein Recht daran haben, und ſo mag es bleiben, wo es
iſt. Aber der Agha ſoll nicht ſo ſchmählich betrogen werden!“
„Er ſollte doch wohl ſiebentauſend erhalten?“
„Die bekommt er nicht. Das wurde nur als Vor-
wand geſagt. Selim, iſt der Baſch Tſchauſch ſchon fort?“
„Nein, Effendi.“
„Er ſollte doch am Vormittage fortgehen.“
„Der Muteſſelim hat ja einen neuen Bericht zu ſchreiben,
weil er in dem alten ſagte, daß er den Araber ſchicken
werde. Vielleicht ſoll der Baſch Tſchauſch warten, bis
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/348>, abgerufen am 25.11.2024.
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