"Ich hatte ja keinen Schlüssel!" fügte der Agha hinzu.
"Keinen Schlüssel -- -- --! Ja, Agha, das ist wahr, und das ist auch dein Glück, sonst wäre dir sehr Uebles widerfahren. Komm her und sieh einmal in das Loch hinab!"
Wir schritten den Gang entlang. Die Zellenthüre war geöffnet, und in dem Loche war nichts zu sehen, als das Loch.
"Fort!" meinte der Agha.
"Ja, fort!" zürnte der Mutesselim.
"Wer hat ihm aufgemacht?"
"Ja, wer? Sage es, Agha!"
"Ich nicht, Herr!"
"Ich auch nicht! Nur die Wächter waren da."
Der Agha drehte sich nach diesen um.
"Kommt einmal her, ihr Hunde!"
Sie traten zögernd näher.
"Ihr habt hier geöffnet!"
Der Sergeant wagte es, zu antworten:
"Agha, es hat keiner von uns einen Riegel berührt. Wir haben die Thüren erst am Nachmittage zu öffnen, wenn das Essen gegeben wird, und so ist nicht eine einzige geöffnet worden."
"So war ich der erste, welcher diese Thüre hier öffnete?" fragte der Kommandant.
"Ja, Effendi!"
"Und als ich öffnete, war das Loch leer. Er ist entflohen. Aber wie hätte er herausgekonnt? Gestern abend war er noch da; jetzt ist er fort. Zwischen dieser Zeit seid nur ihr dagewesen. Einer von euch hat ihn herausgelassen!"
"Ich schwöre bei Allah, daß wir diese Thüre nicht geöffnet haben!" versicherte zitternd der Sergeant.
„Ich hatte ja keinen Schlüſſel!“ fügte der Agha hinzu.
„Keinen Schlüſſel — — —! Ja, Agha, das iſt wahr, und das iſt auch dein Glück, ſonſt wäre dir ſehr Uebles widerfahren. Komm her und ſieh einmal in das Loch hinab!“
Wir ſchritten den Gang entlang. Die Zellenthüre war geöffnet, und in dem Loche war nichts zu ſehen, als das Loch.
„Fort!“ meinte der Agha.
„Ja, fort!“ zürnte der Muteſſelim.
„Wer hat ihm aufgemacht?“
„Ja, wer? Sage es, Agha!“
„Ich nicht, Herr!“
„Ich auch nicht! Nur die Wächter waren da.“
Der Agha drehte ſich nach dieſen um.
„Kommt einmal her, ihr Hunde!“
Sie traten zögernd näher.
„Ihr habt hier geöffnet!“
Der Sergeant wagte es, zu antworten:
„Agha, es hat keiner von uns einen Riegel berührt. Wir haben die Thüren erſt am Nachmittage zu öffnen, wenn das Eſſen gegeben wird, und ſo iſt nicht eine einzige geöffnet worden.“
„So war ich der erſte, welcher dieſe Thüre hier öffnete?“ fragte der Kommandant.
„Ja, Effendi!“
„Und als ich öffnete, war das Loch leer. Er iſt entflohen. Aber wie hätte er herausgekonnt? Geſtern abend war er noch da; jetzt iſt er fort. Zwiſchen dieſer Zeit ſeid nur ihr dageweſen. Einer von euch hat ihn herausgelaſſen!“
„Ich ſchwöre bei Allah, daß wir dieſe Thüre nicht geöffnet haben!“ verſicherte zitternd der Sergeant.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0341"n="327"/><p>„Ich hatte ja keinen Schlüſſel!“ fügte der Agha hinzu.</p><lb/><p>„Keinen Schlüſſel ———! Ja, Agha, das iſt wahr,<lb/>
und das iſt auch dein Glück, ſonſt wäre dir ſehr Uebles<lb/>
widerfahren. Komm her und ſieh einmal in das Loch<lb/>
hinab!“</p><lb/><p>Wir ſchritten den Gang entlang. Die Zellenthüre<lb/>
war geöffnet, und in dem Loche war nichts zu ſehen, als<lb/>
das Loch.</p><lb/><p>„Fort!“ meinte der Agha.</p><lb/><p>„Ja, fort!“ zürnte der Muteſſelim.</p><lb/><p>„Wer hat ihm aufgemacht?“</p><lb/><p>„Ja, wer? Sage es, Agha!“</p><lb/><p>„Ich nicht, Herr!“</p><lb/><p>„Ich auch nicht! Nur die Wächter waren da.“</p><lb/><p>Der Agha drehte ſich nach dieſen um.</p><lb/><p>„Kommt einmal her, ihr Hunde!“</p><lb/><p>Sie traten zögernd näher.</p><lb/><p>„Ihr habt hier geöffnet!“</p><lb/><p>Der Sergeant wagte es, zu antworten:</p><lb/><p>„Agha, es hat keiner von uns einen Riegel berührt.<lb/>
Wir haben die Thüren erſt am Nachmittage zu öffnen,<lb/>
wenn das Eſſen gegeben wird, und ſo iſt nicht eine einzige<lb/>
geöffnet worden.“</p><lb/><p>„So war ich der erſte, welcher dieſe Thüre hier<lb/>
öffnete?“ fragte der Kommandant.</p><lb/><p>„Ja, Effendi!“</p><lb/><p>„Und als ich öffnete, war das Loch leer. Er iſt<lb/>
entflohen. Aber wie hätte er herausgekonnt? Geſtern<lb/>
abend war er noch da; jetzt iſt er fort. Zwiſchen dieſer<lb/>
Zeit ſeid nur ihr dageweſen. Einer von euch hat ihn<lb/>
herausgelaſſen!“</p><lb/><p>„Ich ſchwöre bei Allah, daß wir dieſe Thüre nicht<lb/>
geöffnet haben!“ verſicherte zitternd der Sergeant.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[327/0341]
„Ich hatte ja keinen Schlüſſel!“ fügte der Agha hinzu.
„Keinen Schlüſſel — — —! Ja, Agha, das iſt wahr,
und das iſt auch dein Glück, ſonſt wäre dir ſehr Uebles
widerfahren. Komm her und ſieh einmal in das Loch
hinab!“
Wir ſchritten den Gang entlang. Die Zellenthüre
war geöffnet, und in dem Loche war nichts zu ſehen, als
das Loch.
„Fort!“ meinte der Agha.
„Ja, fort!“ zürnte der Muteſſelim.
„Wer hat ihm aufgemacht?“
„Ja, wer? Sage es, Agha!“
„Ich nicht, Herr!“
„Ich auch nicht! Nur die Wächter waren da.“
Der Agha drehte ſich nach dieſen um.
„Kommt einmal her, ihr Hunde!“
Sie traten zögernd näher.
„Ihr habt hier geöffnet!“
Der Sergeant wagte es, zu antworten:
„Agha, es hat keiner von uns einen Riegel berührt.
Wir haben die Thüren erſt am Nachmittage zu öffnen,
wenn das Eſſen gegeben wird, und ſo iſt nicht eine einzige
geöffnet worden.“
„So war ich der erſte, welcher dieſe Thüre hier
öffnete?“ fragte der Kommandant.
„Ja, Effendi!“
„Und als ich öffnete, war das Loch leer. Er iſt
entflohen. Aber wie hätte er herausgekonnt? Geſtern
abend war er noch da; jetzt iſt er fort. Zwiſchen dieſer
Zeit ſeid nur ihr dageweſen. Einer von euch hat ihn
herausgelaſſen!“
„Ich ſchwöre bei Allah, daß wir dieſe Thüre nicht
geöffnet haben!“ verſicherte zitternd der Sergeant.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/341>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.