"Hier liegt es," meinte er, "und Allah verdamme den, der es nimmt!"
"Du hast recht gesagt, Makredsch," antwortete sein früherer Verbündeter und jetziger Gegner sehr ruhig. "Dieser Agha der Arnauten wird das Geld nicht nehmen."
"Warum?"
"Es sind nur die fünf Tausend. Du hast vergessen, die zwei Tausend daraufzulegen."
Der Makredsch machte eine Bewegung, als wolle er sich auf den Kommandanten stürzen; aber er besann sich noch.
"Ich habe nichts mehr als diese drei Papiere."
"So schließe ich dich ein. Vielleicht besinnst du dich dann, daß du noch mehr Geld bei dir trägst. Komm!"
Der Makredsch machte eine Miene, als ob er ersticken wolle, dann langte er abermals in die Tasche und zog einen Beutel hervor, den er so hielt, daß nur er selbst den Inhalt sehen konnte.
"So will ich versuchen, ob ich es noch zusammen- bringe! Dein Herz ist von Stein, und deine Seele hat sich in einen Felsen verwandelt. Ich habe hier nur kleine Silberstücke mit einigen goldenen Medschidje darunter. Diese letzteren sollst du erhalten, wenn sie reichen."
Er legte die drei Scheine hin und dann sehr langsam ein Goldstück nach dem andern hinzu.
"Hier! Nun bin ich arm, denn ich habe höchstens noch vierzig Piaster bei mir, und diese muß ich haben, wenn ich nicht verhungern will!"
Ich muß gestehen, daß ich mit dem Manne Bedauern empfand; aber ich sah vorher, daß er auch den letzten Heller werde geben müssen. Es war als ob der Anblick des Geldes den Mutesselim vollständig ernüchtert hätte. Und auch an dem Agha war nicht die Spur eines Rausches
„Hier liegt es,“ meinte er, „und Allah verdamme den, der es nimmt!“
„Du haſt recht geſagt, Makredſch,“ antwortete ſein früherer Verbündeter und jetziger Gegner ſehr ruhig. „Dieſer Agha der Arnauten wird das Geld nicht nehmen.“
„Warum?“
„Es ſind nur die fünf Tauſend. Du haſt vergeſſen, die zwei Tauſend daraufzulegen.“
Der Makredſch machte eine Bewegung, als wolle er ſich auf den Kommandanten ſtürzen; aber er beſann ſich noch.
„Ich habe nichts mehr als dieſe drei Papiere.“
„So ſchließe ich dich ein. Vielleicht beſinnſt du dich dann, daß du noch mehr Geld bei dir trägſt. Komm!“
Der Makredſch machte eine Miene, als ob er erſticken wolle, dann langte er abermals in die Taſche und zog einen Beutel hervor, den er ſo hielt, daß nur er ſelbſt den Inhalt ſehen konnte.
„So will ich verſuchen, ob ich es noch zuſammen- bringe! Dein Herz iſt von Stein, und deine Seele hat ſich in einen Felſen verwandelt. Ich habe hier nur kleine Silberſtücke mit einigen goldenen Medſchidje darunter. Dieſe letzteren ſollſt du erhalten, wenn ſie reichen.“
Er legte die drei Scheine hin und dann ſehr langſam ein Goldſtück nach dem andern hinzu.
„Hier! Nun bin ich arm, denn ich habe höchſtens noch vierzig Piaſter bei mir, und dieſe muß ich haben, wenn ich nicht verhungern will!“
Ich muß geſtehen, daß ich mit dem Manne Bedauern empfand; aber ich ſah vorher, daß er auch den letzten Heller werde geben müſſen. Es war als ob der Anblick des Geldes den Muteſſelim vollſtändig ernüchtert hätte. Und auch an dem Agha war nicht die Spur eines Rauſches
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0331"n="317"/><p>„Hier liegt es,“ meinte er, „und Allah verdamme<lb/>
den, der es nimmt!“</p><lb/><p>„Du haſt recht geſagt, Makredſch,“ antwortete ſein<lb/>
früherer Verbündeter und jetziger Gegner ſehr ruhig.<lb/>„Dieſer Agha der Arnauten wird das Geld nicht nehmen.“</p><lb/><p>„Warum?“</p><lb/><p>„Es ſind nur die fünf Tauſend. Du haſt vergeſſen,<lb/>
die zwei Tauſend daraufzulegen.“</p><lb/><p>Der Makredſch machte eine Bewegung, als wolle<lb/>
er ſich auf den Kommandanten ſtürzen; aber er beſann<lb/>ſich noch.</p><lb/><p>„Ich habe nichts mehr als dieſe drei Papiere.“</p><lb/><p>„So ſchließe ich dich ein. Vielleicht beſinnſt du dich<lb/>
dann, daß du noch mehr Geld bei dir trägſt. Komm!“</p><lb/><p>Der Makredſch machte eine Miene, als ob er erſticken<lb/>
wolle, dann langte er abermals in die Taſche und zog<lb/>
einen Beutel hervor, den er ſo hielt, daß nur er ſelbſt<lb/>
den Inhalt ſehen konnte.</p><lb/><p>„So will ich verſuchen, ob ich es noch zuſammen-<lb/>
bringe! Dein Herz iſt von Stein, und deine Seele hat<lb/>ſich in einen Felſen verwandelt. Ich habe hier nur kleine<lb/>
Silberſtücke mit einigen goldenen Medſchidje darunter.<lb/>
Dieſe letzteren ſollſt du erhalten, wenn ſie reichen.“</p><lb/><p>Er legte die drei Scheine hin und dann ſehr langſam<lb/>
ein Goldſtück nach dem andern hinzu.</p><lb/><p>„Hier! Nun bin ich arm, denn ich habe höchſtens<lb/>
noch vierzig Piaſter bei mir, und dieſe muß ich haben,<lb/>
wenn ich nicht verhungern will!“</p><lb/><p>Ich muß geſtehen, daß ich mit dem Manne Bedauern<lb/>
empfand; aber ich ſah vorher, daß er auch den letzten<lb/>
Heller werde geben müſſen. Es war als ob der Anblick<lb/>
des Geldes den Muteſſelim vollſtändig ernüchtert hätte.<lb/>
Und auch an dem Agha war nicht die Spur eines Rauſches<lb/></p></div></body></text></TEI>
[317/0331]
„Hier liegt es,“ meinte er, „und Allah verdamme
den, der es nimmt!“
„Du haſt recht geſagt, Makredſch,“ antwortete ſein
früherer Verbündeter und jetziger Gegner ſehr ruhig.
„Dieſer Agha der Arnauten wird das Geld nicht nehmen.“
„Warum?“
„Es ſind nur die fünf Tauſend. Du haſt vergeſſen,
die zwei Tauſend daraufzulegen.“
Der Makredſch machte eine Bewegung, als wolle
er ſich auf den Kommandanten ſtürzen; aber er beſann
ſich noch.
„Ich habe nichts mehr als dieſe drei Papiere.“
„So ſchließe ich dich ein. Vielleicht beſinnſt du dich
dann, daß du noch mehr Geld bei dir trägſt. Komm!“
Der Makredſch machte eine Miene, als ob er erſticken
wolle, dann langte er abermals in die Taſche und zog
einen Beutel hervor, den er ſo hielt, daß nur er ſelbſt
den Inhalt ſehen konnte.
„So will ich verſuchen, ob ich es noch zuſammen-
bringe! Dein Herz iſt von Stein, und deine Seele hat
ſich in einen Felſen verwandelt. Ich habe hier nur kleine
Silberſtücke mit einigen goldenen Medſchidje darunter.
Dieſe letzteren ſollſt du erhalten, wenn ſie reichen.“
Er legte die drei Scheine hin und dann ſehr langſam
ein Goldſtück nach dem andern hinzu.
„Hier! Nun bin ich arm, denn ich habe höchſtens
noch vierzig Piaſter bei mir, und dieſe muß ich haben,
wenn ich nicht verhungern will!“
Ich muß geſtehen, daß ich mit dem Manne Bedauern
empfand; aber ich ſah vorher, daß er auch den letzten
Heller werde geben müſſen. Es war als ob der Anblick
des Geldes den Muteſſelim vollſtändig ernüchtert hätte.
Und auch an dem Agha war nicht die Spur eines Rauſches
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/331>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.