"So ist es richtig. Dieses Geld gehört in die Kasse des Mutesselim, welcher dem Agha der Arnauten ein sehr gutes Bakschisch giebt."
"Wie viel, Herr?"
"Das kann ich jetzt noch nicht wissen, denn ich muß erst sehen, wie viel er bei sich führt."
Wir kamen bei dem Gefängnisse an.
"Schließe auf, Selim Agha!"
"Herr, du selbst hast doch den Schlüssel!"
"Ja, richtig!"
Er langte in den Gürtel und zog den Schlüssel her- vor, um zu öffnen. Er probierte und probierte, fand aber das Schlüsselloch nicht.
Darauf hatte ich allerdings gerechnet. Darum bat ich:
"Erlaube, Effendi, daß ich dir öffne!"
Ich nahm den Schlüssel aus seiner Hand, machte auf, zog ihn wieder ab, trat in den Flur und steckte den Schlüssel von innen wieder in das Schloß.
"Tretet ein. Ich werde wieder verschließen!"
Sie kamen herein. Ich that, als ob ich zuschließen wolle, drehte aber den Schlüssel schnell wieder zurück und versuchte scheinbar, ob auch wirklich fest zugeschlossen sei.
"Es ist zu. Hier hast du deinen Schlüssel, Mutesselim!"
Er nahm ihn. Da kamen aus der hintern Zelle und auch von oben die Arnauten herbei, mit den Lampen in der Hand.
"Ist alles in Ordnung?" fragte der Mutesselim mit Würde.
"Ja, Herr."
"Ist keiner entwischt?"
"Nein."
"Auch der Araber nicht?"
„Sie bleiben eingeriegelt.“
„So iſt es richtig. Dieſes Geld gehört in die Kaſſe des Muteſſelim, welcher dem Agha der Arnauten ein ſehr gutes Bakſchiſch giebt.“
„Wie viel, Herr?“
„Das kann ich jetzt noch nicht wiſſen, denn ich muß erſt ſehen, wie viel er bei ſich führt.“
Wir kamen bei dem Gefängniſſe an.
„Schließe auf, Selim Agha!“
„Herr, du ſelbſt haſt doch den Schlüſſel!“
„Ja, richtig!“
Er langte in den Gürtel und zog den Schlüſſel her- vor, um zu öffnen. Er probierte und probierte, fand aber das Schlüſſelloch nicht.
Darauf hatte ich allerdings gerechnet. Darum bat ich:
„Erlaube, Effendi, daß ich dir öffne!“
Ich nahm den Schlüſſel aus ſeiner Hand, machte auf, zog ihn wieder ab, trat in den Flur und ſteckte den Schlüſſel von innen wieder in das Schloß.
„Tretet ein. Ich werde wieder verſchließen!“
Sie kamen herein. Ich that, als ob ich zuſchließen wolle, drehte aber den Schlüſſel ſchnell wieder zurück und verſuchte ſcheinbar, ob auch wirklich feſt zugeſchloſſen ſei.
„Es iſt zu. Hier haſt du deinen Schlüſſel, Muteſſelim!“
Er nahm ihn. Da kamen aus der hintern Zelle und auch von oben die Arnauten herbei, mit den Lampen in der Hand.
„Iſt alles in Ordnung?“ fragte der Muteſſelim mit Würde.
„Ja, Herr.“
„Iſt keiner entwiſcht?“
„Nein.“
„Auch der Araber nicht?“
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[308/0322]
„Sie bleiben eingeriegelt.“
„So iſt es richtig. Dieſes Geld gehört in die Kaſſe
des Muteſſelim, welcher dem Agha der Arnauten ein ſehr
gutes Bakſchiſch giebt.“
„Wie viel, Herr?“
„Das kann ich jetzt noch nicht wiſſen, denn ich muß
erſt ſehen, wie viel er bei ſich führt.“
Wir kamen bei dem Gefängniſſe an.
„Schließe auf, Selim Agha!“
„Herr, du ſelbſt haſt doch den Schlüſſel!“
„Ja, richtig!“
Er langte in den Gürtel und zog den Schlüſſel her-
vor, um zu öffnen. Er probierte und probierte, fand aber
das Schlüſſelloch nicht.
Darauf hatte ich allerdings gerechnet. Darum bat ich:
„Erlaube, Effendi, daß ich dir öffne!“
Ich nahm den Schlüſſel aus ſeiner Hand, machte
auf, zog ihn wieder ab, trat in den Flur und ſteckte den
Schlüſſel von innen wieder in das Schloß.
„Tretet ein. Ich werde wieder verſchließen!“
Sie kamen herein. Ich that, als ob ich zuſchließen
wolle, drehte aber den Schlüſſel ſchnell wieder zurück und
verſuchte ſcheinbar, ob auch wirklich feſt zugeſchloſſen ſei.
„Es iſt zu. Hier haſt du deinen Schlüſſel, Muteſſelim!“
Er nahm ihn. Da kamen aus der hintern Zelle und
auch von oben die Arnauten herbei, mit den Lampen in
der Hand.
„Iſt alles in Ordnung?“ fragte der Muteſſelim mit
Würde.
„Ja, Herr.“
„Iſt keiner entwiſcht?“
„Nein.“
„Auch der Araber nicht?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/322>, abgerufen am 28.11.2024.
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