"Emir, dieser Makredsch ist eigentlich auch dein Ge- fangener," meinte er.
"Wenn man es recht betrachtet, ja."
"So mußt du dich auch überzeugen, ob er noch da ist!"
"Ich werde euch begleiten."
"So komm, gieb mir deinen Arm!"
"Du hast zwei Arme, Effendi," meinte der Agha; "gieb mir den andern!"
Die beiden Männer hingen schwer an mir, aber ihr Rausch befand sich doch noch immer innerhalb desjenigen Stadiums, in welchem man noch leidlich Herr seiner selbst ist. Ihr Gang war unsicher, doch kamen wir rasch vor- wärts. Die Gassen lagen finster und öde da. Kein Mensch begegnete uns.
"Deine Arnauten werden erschrecken, wenn ich komme," sagte der Mutesselim zum Agha.
"Und ich mit dir!" brüstete sich dieser.
"Und ich mit euch!" vervollständigte ich.
"Ist der Araber noch da?"
"Herr, glaubst du, ich lasse solche Leute ausreißen?" fragte Selim Agha sehr beleidigt.
"Ich werde auch nach ihm sehen. Hat er auch Geld gehabt?"
"Nein."
"Wie viel denkst du, daß der Makredsch bei sich hat?"
"Ich weiß es nicht."
"Er muß es hergeben. Aber, Selim, deine Arnauten sollten dann eigentlich nicht dabei sein."
"So gebiete ich ihnen, fortzugehen."
"Und wenn sie lauschen?"
"Ich riegele sie ein."
"Gut. Aber wenn wir fort sind, werden sie mit dem Gefangenen reden."
„Emir, dieſer Makredſch iſt eigentlich auch dein Ge- fangener,“ meinte er.
„Wenn man es recht betrachtet, ja.“
„So mußt du dich auch überzeugen, ob er noch da iſt!“
„Ich werde euch begleiten.“
„So komm, gieb mir deinen Arm!“
„Du haſt zwei Arme, Effendi,“ meinte der Agha; „gieb mir den andern!“
Die beiden Männer hingen ſchwer an mir, aber ihr Rauſch befand ſich doch noch immer innerhalb desjenigen Stadiums, in welchem man noch leidlich Herr ſeiner ſelbſt iſt. Ihr Gang war unſicher, doch kamen wir raſch vor- wärts. Die Gaſſen lagen finſter und öde da. Kein Menſch begegnete uns.
„Deine Arnauten werden erſchrecken, wenn ich komme,“ ſagte der Muteſſelim zum Agha.
„Und ich mit dir!“ brüſtete ſich dieſer.
„Und ich mit euch!“ vervollſtändigte ich.
„Iſt der Araber noch da?“
„Herr, glaubſt du, ich laſſe ſolche Leute ausreißen?“ fragte Selim Agha ſehr beleidigt.
„Ich werde auch nach ihm ſehen. Hat er auch Geld gehabt?“
„Nein.“
„Wie viel denkſt du, daß der Makredſch bei ſich hat?“
„Ich weiß es nicht.“
„Er muß es hergeben. Aber, Selim, deine Arnauten ſollten dann eigentlich nicht dabei ſein.“
„So gebiete ich ihnen, fortzugehen.“
„Und wenn ſie lauſchen?“
„Ich riegele ſie ein.“
„Gut. Aber wenn wir fort ſind, werden ſie mit dem Gefangenen reden.“
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„Emir, dieſer Makredſch iſt eigentlich auch dein Ge-
fangener,“ meinte er.
„Wenn man es recht betrachtet, ja.“
„So mußt du dich auch überzeugen, ob er noch da iſt!“
„Ich werde euch begleiten.“
„So komm, gieb mir deinen Arm!“
„Du haſt zwei Arme, Effendi,“ meinte der Agha;
„gieb mir den andern!“
Die beiden Männer hingen ſchwer an mir, aber ihr
Rauſch befand ſich doch noch immer innerhalb desjenigen
Stadiums, in welchem man noch leidlich Herr ſeiner ſelbſt
iſt. Ihr Gang war unſicher, doch kamen wir raſch vor-
wärts. Die Gaſſen lagen finſter und öde da. Kein Menſch
begegnete uns.
„Deine Arnauten werden erſchrecken, wenn ich komme,“
ſagte der Muteſſelim zum Agha.
„Und ich mit dir!“ brüſtete ſich dieſer.
„Und ich mit euch!“ vervollſtändigte ich.
„Iſt der Araber noch da?“
„Herr, glaubſt du, ich laſſe ſolche Leute ausreißen?“
fragte Selim Agha ſehr beleidigt.
„Ich werde auch nach ihm ſehen. Hat er auch Geld
gehabt?“
„Nein.“
„Wie viel denkſt du, daß der Makredſch bei ſich hat?“
„Ich weiß es nicht.“
„Er muß es hergeben. Aber, Selim, deine Arnauten
ſollten dann eigentlich nicht dabei ſein.“
„So gebiete ich ihnen, fortzugehen.“
„Und wenn ſie lauſchen?“
„Ich riegele ſie ein.“
„Gut. Aber wenn wir fort ſind, werden ſie mit dem
Gefangenen reden.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/321>, abgerufen am 28.11.2024.
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