"Sage mir ganz genau, Effendi, ob es Wein ist oder Medizin!"
"Dieser Trank ist die beste Medizin, die ich heute kenne. Trinke sie und sage mir, ob sie nicht deine Seele erfreut!"
Er kostete und kostete abermals. Ueber seine scharfen, aber matten Züge legte sich ein Schein der Verklärung.
"Hast du selbst diesen Trank erfunden?"
"Nein, sondern Allah giebt ihn denen, die er am liebsten hat."
"So meinst du, daß er uns lieb hat?"
"Gewiß."
"Von dir weiß ich es, daß du ein Liebling des Pro- pheten bist. Hast du noch mehr von diesem Tranke?"
"Hier. Trinke aus!"
Ich schenkte wieder ein.
Seine Augen funkelten noch vergnügter als vorher.
"Effendi, was ist Ladakia, Djebeli und Tabak von Schiras gegen diese Arznei! Sie ist besser als der feinste Duft des Kaffees. Willst du mir das Rezept geben, wie sie bereitet wird?"
"Erinnere mich daran, so werde ich es aufschreiben, noch ehe ich Amadijah verlasse. Aber hier steht der Krug. Trinkt! Ich muß hinab zur Küche, um die andere Arznei zu bereiten."
Ich ging mit Vorbedacht sehr leise zur Treppe hinab und öffnete unhörbar die Küchenthüre ein wenig. Richtig! Da stand die ,Myrte' vor meinem Topfe und schöpfte mit einer kleinen türkischen Kaffeetasse den jetzt bereits ziemlich heißen Wein unaufhaltsam zwischen ihre weit geöffneten Lippen, welche nach jeder Tasse mit einem herzlich schmatzen- den Laute zusammenklappten.
"Mersinah, verbrenne deine Zähne nicht!"
„Sage mir ganz genau, Effendi, ob es Wein iſt oder Medizin!“
„Dieſer Trank iſt die beſte Medizin, die ich heute kenne. Trinke ſie und ſage mir, ob ſie nicht deine Seele erfreut!“
Er koſtete und koſtete abermals. Ueber ſeine ſcharfen, aber matten Züge legte ſich ein Schein der Verklärung.
„Haſt du ſelbſt dieſen Trank erfunden?“
„Nein, ſondern Allah giebt ihn denen, die er am liebſten hat.“
„So meinſt du, daß er uns lieb hat?“
„Gewiß.“
„Von dir weiß ich es, daß du ein Liebling des Pro- pheten biſt. Haſt du noch mehr von dieſem Tranke?“
„Hier. Trinke aus!“
Ich ſchenkte wieder ein.
Seine Augen funkelten noch vergnügter als vorher.
„Effendi, was iſt Ladakia, Djebeli und Tabak von Schiras gegen dieſe Arznei! Sie iſt beſſer als der feinſte Duft des Kaffees. Willſt du mir das Rezept geben, wie ſie bereitet wird?“
„Erinnere mich daran, ſo werde ich es aufſchreiben, noch ehe ich Amadijah verlaſſe. Aber hier ſteht der Krug. Trinkt! Ich muß hinab zur Küche, um die andere Arznei zu bereiten.“
Ich ging mit Vorbedacht ſehr leiſe zur Treppe hinab und öffnete unhörbar die Küchenthüre ein wenig. Richtig! Da ſtand die ‚Myrte‘ vor meinem Topfe und ſchöpfte mit einer kleinen türkiſchen Kaffeetaſſe den jetzt bereits ziemlich heißen Wein unaufhaltſam zwiſchen ihre weit geöffneten Lippen, welche nach jeder Taſſe mit einem herzlich ſchmatzen- den Laute zuſammenklappten.
„Merſinah, verbrenne deine Zähne nicht!“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0315"n="301"/><p>„Sage mir ganz genau, Effendi, ob es Wein iſt oder<lb/>
Medizin!“</p><lb/><p>„Dieſer Trank iſt die beſte Medizin, die ich heute<lb/>
kenne. Trinke ſie und ſage mir, ob ſie nicht deine Seele<lb/>
erfreut!“</p><lb/><p>Er koſtete und koſtete abermals. Ueber ſeine ſcharfen,<lb/>
aber matten Züge legte ſich ein Schein der Verklärung.</p><lb/><p>„Haſt du ſelbſt dieſen Trank erfunden?“</p><lb/><p>„Nein, ſondern Allah giebt ihn denen, die er am<lb/>
liebſten hat.“</p><lb/><p>„So meinſt du, daß er uns lieb hat?“</p><lb/><p>„Gewiß.“</p><lb/><p>„Von dir weiß ich es, daß du ein Liebling des Pro-<lb/>
pheten biſt. Haſt du noch mehr von dieſem Tranke?“</p><lb/><p>„Hier. Trinke aus!“</p><lb/><p>Ich ſchenkte wieder ein.</p><lb/><p>Seine Augen funkelten noch vergnügter als vorher.</p><lb/><p>„Effendi, was iſt Ladakia, Djebeli und Tabak von<lb/>
Schiras gegen dieſe Arznei! Sie iſt beſſer als der feinſte<lb/>
Duft des Kaffees. Willſt du mir das Rezept geben, wie<lb/>ſie bereitet wird?“</p><lb/><p>„Erinnere mich daran, ſo werde ich es aufſchreiben,<lb/>
noch ehe ich Amadijah verlaſſe. Aber hier ſteht der Krug.<lb/>
Trinkt! Ich muß hinab zur Küche, um die andere Arznei<lb/>
zu bereiten.“</p><lb/><p>Ich ging mit Vorbedacht ſehr leiſe zur Treppe hinab<lb/>
und öffnete unhörbar die Küchenthüre ein wenig. Richtig!<lb/>
Da ſtand die ‚Myrte‘ vor meinem Topfe und ſchöpfte mit<lb/>
einer kleinen türkiſchen Kaffeetaſſe den jetzt bereits ziemlich<lb/>
heißen Wein unaufhaltſam zwiſchen ihre weit geöffneten<lb/>
Lippen, welche nach jeder Taſſe mit einem herzlich ſchmatzen-<lb/>
den Laute zuſammenklappten.</p><lb/><p>„Merſinah, verbrenne deine Zähne nicht!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[301/0315]
„Sage mir ganz genau, Effendi, ob es Wein iſt oder
Medizin!“
„Dieſer Trank iſt die beſte Medizin, die ich heute
kenne. Trinke ſie und ſage mir, ob ſie nicht deine Seele
erfreut!“
Er koſtete und koſtete abermals. Ueber ſeine ſcharfen,
aber matten Züge legte ſich ein Schein der Verklärung.
„Haſt du ſelbſt dieſen Trank erfunden?“
„Nein, ſondern Allah giebt ihn denen, die er am
liebſten hat.“
„So meinſt du, daß er uns lieb hat?“
„Gewiß.“
„Von dir weiß ich es, daß du ein Liebling des Pro-
pheten biſt. Haſt du noch mehr von dieſem Tranke?“
„Hier. Trinke aus!“
Ich ſchenkte wieder ein.
Seine Augen funkelten noch vergnügter als vorher.
„Effendi, was iſt Ladakia, Djebeli und Tabak von
Schiras gegen dieſe Arznei! Sie iſt beſſer als der feinſte
Duft des Kaffees. Willſt du mir das Rezept geben, wie
ſie bereitet wird?“
„Erinnere mich daran, ſo werde ich es aufſchreiben,
noch ehe ich Amadijah verlaſſe. Aber hier ſteht der Krug.
Trinkt! Ich muß hinab zur Küche, um die andere Arznei
zu bereiten.“
Ich ging mit Vorbedacht ſehr leiſe zur Treppe hinab
und öffnete unhörbar die Küchenthüre ein wenig. Richtig!
Da ſtand die ‚Myrte‘ vor meinem Topfe und ſchöpfte mit
einer kleinen türkiſchen Kaffeetaſſe den jetzt bereits ziemlich
heißen Wein unaufhaltſam zwiſchen ihre weit geöffneten
Lippen, welche nach jeder Taſſe mit einem herzlich ſchmatzen-
den Laute zuſammenklappten.
„Merſinah, verbrenne deine Zähne nicht!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/315>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.