Auch der Kommandant richtete eine wohlgemeinte Vorstellung an mich; da ich aber nicht auf dieselbe hörte, so klatschte er in die Hände, und die drei Offiziere er- schienen wieder.
"Führt ihn ab!" gebot er ihnen. "Ich hoffe, Effendi, daß du dich nicht weigern wirst, mit ihnen zu gehen. Draußen stehen genug Leute, um jeden Widerstand zu überwinden. Du sollst es während deiner Haft hier gut haben und -- -- --"
"Schweige, Mutesselim!" unterbrach ich ihn. "Ich möchte den Mann hier sehen, der das Zeug hätte, mich zu überwältigen. Euch fünf thut ein Nemtsche in drei Sekunden ab, und deine fieberkranken Arnauten reißen vor meinem Blick aus; darauf kannst du dich verlassen! Daß ich es gut haben würde als Gefangener, versteht sich ganz von selbst; das gebietet euch ja euer eignes Interesse. Nach Mossul werde ich nicht geschickt, denn das kann dem Makredsch nichts nützen; er will bloß, daß ich mich los- kaufe, denn er braucht Geld, um über die Grenze zu kommen."
"Ueber die Grenze?" fragte der Mutesselim. "Wie soll ich deine Worte verstehen?"
"Frage ihn selbst!"
Er blickte den Makredsch an, der sich plötzlich verfärbte.
"Was meint er?" fragte er ihn.
"Ich verstehe ihn nicht!" antwortete der Beamte.
"Er versteht mich nur zu gut," entgegnete ich. "Mu- tesselim, du hast mich beleidigt; du willst mich gefangen nehmen; du hast mir einen Antrag gemacht, der sehr schwere Folgen für dich hätte, wenn ich davon sprechen wollte. Ihr beide habt mich bedroht; aber jetzt werde ich die Waffe selbst auch in die Hand nehmen, nachdem ich
„So müſſen wir dich feſtnehmen.“
„Verſucht es!“
Auch der Kommandant richtete eine wohlgemeinte Vorſtellung an mich; da ich aber nicht auf dieſelbe hörte, ſo klatſchte er in die Hände, und die drei Offiziere er- ſchienen wieder.
„Führt ihn ab!“ gebot er ihnen. „Ich hoffe, Effendi, daß du dich nicht weigern wirſt, mit ihnen zu gehen. Draußen ſtehen genug Leute, um jeden Widerſtand zu überwinden. Du ſollſt es während deiner Haft hier gut haben und — — —“
„Schweige, Muteſſelim!“ unterbrach ich ihn. „Ich möchte den Mann hier ſehen, der das Zeug hätte, mich zu überwältigen. Euch fünf thut ein Nemtſche in drei Sekunden ab, und deine fieberkranken Arnauten reißen vor meinem Blick aus; darauf kannſt du dich verlaſſen! Daß ich es gut haben würde als Gefangener, verſteht ſich ganz von ſelbſt; das gebietet euch ja euer eignes Intereſſe. Nach Moſſul werde ich nicht geſchickt, denn das kann dem Makredſch nichts nützen; er will bloß, daß ich mich los- kaufe, denn er braucht Geld, um über die Grenze zu kommen.“
„Ueber die Grenze?“ fragte der Muteſſelim. „Wie ſoll ich deine Worte verſtehen?“
„Frage ihn ſelbſt!“
Er blickte den Makredſch an, der ſich plötzlich verfärbte.
„Was meint er?“ fragte er ihn.
„Ich verſtehe ihn nicht!“ antwortete der Beamte.
„Er verſteht mich nur zu gut,“ entgegnete ich. „Mu- teſſelim, du haſt mich beleidigt; du willſt mich gefangen nehmen; du haſt mir einen Antrag gemacht, der ſehr ſchwere Folgen für dich hätte, wenn ich davon ſprechen wollte. Ihr beide habt mich bedroht; aber jetzt werde ich die Waffe ſelbſt auch in die Hand nehmen, nachdem ich
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„So müſſen wir dich feſtnehmen.“
„Verſucht es!“
Auch der Kommandant richtete eine wohlgemeinte
Vorſtellung an mich; da ich aber nicht auf dieſelbe hörte,
ſo klatſchte er in die Hände, und die drei Offiziere er-
ſchienen wieder.
„Führt ihn ab!“ gebot er ihnen. „Ich hoffe, Effendi,
daß du dich nicht weigern wirſt, mit ihnen zu gehen.
Draußen ſtehen genug Leute, um jeden Widerſtand zu
überwinden. Du ſollſt es während deiner Haft hier gut
haben und — — —“
„Schweige, Muteſſelim!“ unterbrach ich ihn. „Ich
möchte den Mann hier ſehen, der das Zeug hätte, mich
zu überwältigen. Euch fünf thut ein Nemtſche in drei
Sekunden ab, und deine fieberkranken Arnauten reißen
vor meinem Blick aus; darauf kannſt du dich verlaſſen!
Daß ich es gut haben würde als Gefangener, verſteht ſich
ganz von ſelbſt; das gebietet euch ja euer eignes Intereſſe.
Nach Moſſul werde ich nicht geſchickt, denn das kann dem
Makredſch nichts nützen; er will bloß, daß ich mich los-
kaufe, denn er braucht Geld, um über die Grenze zu kommen.“
„Ueber die Grenze?“ fragte der Muteſſelim. „Wie
ſoll ich deine Worte verſtehen?“
„Frage ihn ſelbſt!“
Er blickte den Makredſch an, der ſich plötzlich verfärbte.
„Was meint er?“ fragte er ihn.
„Ich verſtehe ihn nicht!“ antwortete der Beamte.
„Er verſteht mich nur zu gut,“ entgegnete ich. „Mu-
teſſelim, du haſt mich beleidigt; du willſt mich gefangen
nehmen; du haſt mir einen Antrag gemacht, der ſehr
ſchwere Folgen für dich hätte, wenn ich davon ſprechen
wollte. Ihr beide habt mich bedroht; aber jetzt werde ich
die Waffe ſelbſt auch in die Hand nehmen, nachdem ich
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/298>, abgerufen am 23.12.2024.
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