ein Mann, von dem ich dir noch mehr erzählen werde. Wenn Hadschi Lindsay-Bey spricht, so hat er dies mit seinem Gewissen abzumachen, aber einen andern geht dies gar nichts an!"
"Du hättest recht, wenn ich von ihm allein nur dieses wüßte."
"Was giebt es noch?"
"Er ist der Freund eines Mannes, der mir sehr ver- dächtig ist."
"Wer ist dieser Mann?"
"Du selbst bist es!"
Ich that sehr erstaunt.
"Ich! Allah kehrim, Gott ist gnädig; er wird auch dir barmherzig sein!"
"Du hast zu mir von dem Mutessarif gesprochen und gesagt, daß er dein Freund sei."
"Ich sagte die Wahrheit."
"Es ist nicht wahr!"
"Was! Du zeihst mich der Lüge! So kann meines Bleibens hier nicht länger sein. Ich werde dir Gelegen- heit geben, diese Beleidigung zu vertreten."
Ich erhob mich und that, als ob ich das Selamlük verlassen wollte.
"Halt," rief der Kommandant. "Du bleibst!"
Ich drehte mich zu ihm um.
"Du befiehlst es mir?"
"Ja."
"Hast du mir zu befehlen?"
"Hier stehest du unter mir, und wenn ich dir gebiete, zu bleiben, so wirst du gehorchen!"
"Und wenn ich nicht bleibe?"
"So zwinge ich dich! Du bist mein Gefangener!"
Die beiden Lieutenants erhoben sich; auch Selim Agha
ein Mann, von dem ich dir noch mehr erzählen werde. Wenn Hadſchi Lindſay-Bey ſpricht, ſo hat er dies mit ſeinem Gewiſſen abzumachen, aber einen andern geht dies gar nichts an!“
„Du hätteſt recht, wenn ich von ihm allein nur dieſes wüßte.“
„Was giebt es noch?“
„Er iſt der Freund eines Mannes, der mir ſehr ver- dächtig iſt.“
„Wer iſt dieſer Mann?“
„Du ſelbſt biſt es!“
Ich that ſehr erſtaunt.
„Ich! Allah kehrim, Gott iſt gnädig; er wird auch dir barmherzig ſein!“
„Du haſt zu mir von dem Muteſſarif geſprochen und geſagt, daß er dein Freund ſei.“
„Ich ſagte die Wahrheit.“
„Es iſt nicht wahr!“
„Was! Du zeihſt mich der Lüge! So kann meines Bleibens hier nicht länger ſein. Ich werde dir Gelegen- heit geben, dieſe Beleidigung zu vertreten.“
Ich erhob mich und that, als ob ich das Selamlük verlaſſen wollte.
„Halt,“ rief der Kommandant. „Du bleibſt!“
Ich drehte mich zu ihm um.
„Du befiehlſt es mir?“
„Ja.“
„Haſt du mir zu befehlen?“
„Hier ſteheſt du unter mir, und wenn ich dir gebiete, zu bleiben, ſo wirſt du gehorchen!“
„Und wenn ich nicht bleibe?“
„So zwinge ich dich! Du biſt mein Gefangener!“
Die beiden Lieutenants erhoben ſich; auch Selim Agha
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ein Mann, von dem ich dir noch mehr erzählen werde.
Wenn Hadſchi Lindſay-Bey ſpricht, ſo hat er dies mit
ſeinem Gewiſſen abzumachen, aber einen andern geht dies
gar nichts an!“
„Du hätteſt recht, wenn ich von ihm allein nur dieſes
wüßte.“
„Was giebt es noch?“
„Er iſt der Freund eines Mannes, der mir ſehr ver-
dächtig iſt.“
„Wer iſt dieſer Mann?“
„Du ſelbſt biſt es!“
Ich that ſehr erſtaunt.
„Ich! Allah kehrim, Gott iſt gnädig; er wird auch
dir barmherzig ſein!“
„Du haſt zu mir von dem Muteſſarif geſprochen und
geſagt, daß er dein Freund ſei.“
„Ich ſagte die Wahrheit.“
„Es iſt nicht wahr!“
„Was! Du zeihſt mich der Lüge! So kann meines
Bleibens hier nicht länger ſein. Ich werde dir Gelegen-
heit geben, dieſe Beleidigung zu vertreten.“
Ich erhob mich und that, als ob ich das Selamlük
verlaſſen wollte.
„Halt,“ rief der Kommandant. „Du bleibſt!“
Ich drehte mich zu ihm um.
„Du befiehlſt es mir?“
„Ja.“
„Haſt du mir zu befehlen?“
„Hier ſteheſt du unter mir, und wenn ich dir gebiete,
zu bleiben, ſo wirſt du gehorchen!“
„Und wenn ich nicht bleibe?“
„So zwinge ich dich! Du biſt mein Gefangener!“
Die beiden Lieutenants erhoben ſich; auch Selim Agha
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/292>, abgerufen am 29.11.2024.
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