"Gut, Selim Agha, ich sehe nun, daß du mein Freund bist und mich liebst!"
"Ja, ich liebe dich, Emir; aber der Dienst erfordert, daß ich gehorche."
"So sage ich dir, daß ich dir noch heute Befehle geben werde, denen du grad so gehorchen wirst, als ob du sie von dem Kommandanten erhieltest! Seit wann ist der Makredsch hier?"
"Seit fast zwei Stunden."
"Und so lange Zeit wartest du bereits auf mich?"
"Nein. Der Makredsch kam allein, ganz heimlich und ohne alles Gefolge. Ich war grad beim Komman- danten, als er eintrat. Er sagte, daß er heimlich komme, weil er in einer sehr wichtigen Sache reise, von welcher niemand eine Ahnung haben dürfe. Sie unterhielten sich weiter, und da erwähnte der Kommandant auch dich und deine Gefährten. Der Makredsch muß dich kennen, denn er wurde sehr aufmerksam, und der Mutesselim mußte dich ihm beschreiben. "Er ist's!" rief er dann und bat den Kommandanten, mich hinauszuschicken. Nachher wurde ich gerufen und erhielt den Befehl, dich zu holen und -- -- --"
"Nun, und -- -- --"
"Und -- -- Emir, es ist gewiß wahr, daß ich dich lieb habe, und darum will ich es dir sagen. Aber, wirst du mich verraten?"
"Nein. Ich verspreche es dir!"
"Ich mußte mehrere Arnauten mitnehmen, um den Platz zu besetzen, daß deine Gefährten sich nicht entfernen können. Und auch für dich stehen im Palaste einige meiner Arnauten bereit. Ich soll dich festnehmen und in das Gefängnis schaffen."
II. 18
„Warum?“
„Ich muß darüber ſchweigen.“
„Gut, Selim Agha, ich ſehe nun, daß du mein Freund biſt und mich liebſt!“
„Ja, ich liebe dich, Emir; aber der Dienſt erfordert, daß ich gehorche.“
„So ſage ich dir, daß ich dir noch heute Befehle geben werde, denen du grad ſo gehorchen wirſt, als ob du ſie von dem Kommandanten erhielteſt! Seit wann iſt der Makredſch hier?“
„Seit faſt zwei Stunden.“
„Und ſo lange Zeit warteſt du bereits auf mich?“
„Nein. Der Makredſch kam allein, ganz heimlich und ohne alles Gefolge. Ich war grad beim Komman- danten, als er eintrat. Er ſagte, daß er heimlich komme, weil er in einer ſehr wichtigen Sache reiſe, von welcher niemand eine Ahnung haben dürfe. Sie unterhielten ſich weiter, und da erwähnte der Kommandant auch dich und deine Gefährten. Der Makredſch muß dich kennen, denn er wurde ſehr aufmerkſam, und der Muteſſelim mußte dich ihm beſchreiben. „Er iſt's!“ rief er dann und bat den Kommandanten, mich hinauszuſchicken. Nachher wurde ich gerufen und erhielt den Befehl, dich zu holen und — — —“
„Nun, und — — —“
„Und — — Emir, es iſt gewiß wahr, daß ich dich lieb habe, und darum will ich es dir ſagen. Aber, wirſt du mich verraten?“
„Nein. Ich verſpreche es dir!“
„Ich mußte mehrere Arnauten mitnehmen, um den Platz zu beſetzen, daß deine Gefährten ſich nicht entfernen können. Und auch für dich ſtehen im Palaſte einige meiner Arnauten bereit. Ich ſoll dich feſtnehmen und in das Gefängnis ſchaffen.“
II. 18
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0287"n="273"/><p>„Warum?“</p><lb/><p>„Ich muß darüber ſchweigen.“</p><lb/><p>„Gut, Selim Agha, ich ſehe nun, daß du mein Freund<lb/>
biſt und mich liebſt!“</p><lb/><p>„Ja, ich liebe dich, Emir; aber der Dienſt erfordert,<lb/>
daß ich gehorche.“</p><lb/><p>„So ſage ich dir, daß ich dir noch heute Befehle<lb/>
geben werde, denen du grad ſo gehorchen wirſt, als ob<lb/>
du ſie von dem Kommandanten erhielteſt! Seit wann iſt<lb/>
der Makredſch hier?“</p><lb/><p>„Seit faſt zwei Stunden.“</p><lb/><p>„Und ſo lange Zeit warteſt du bereits auf mich?“</p><lb/><p>„Nein. Der Makredſch kam allein, ganz heimlich<lb/>
und ohne alles Gefolge. Ich war grad beim Komman-<lb/>
danten, als er eintrat. Er ſagte, daß er heimlich komme,<lb/>
weil er in einer ſehr wichtigen Sache reiſe, von welcher<lb/>
niemand eine Ahnung haben dürfe. Sie unterhielten ſich<lb/>
weiter, und da erwähnte der Kommandant auch dich und<lb/>
deine Gefährten. Der Makredſch muß dich kennen, denn<lb/>
er wurde ſehr aufmerkſam, und der Muteſſelim mußte<lb/>
dich ihm beſchreiben. „Er iſt's!“ rief er dann und bat<lb/>
den Kommandanten, mich hinauszuſchicken. Nachher wurde<lb/>
ich gerufen und erhielt den Befehl, dich zu holen und ———“</p><lb/><p>„Nun, und ———“</p><lb/><p>„Und —— Emir, es iſt gewiß wahr, daß ich dich<lb/>
lieb habe, und darum will ich es dir ſagen. Aber, wirſt<lb/>
du mich verraten?“</p><lb/><p>„Nein. Ich verſpreche es dir!“</p><lb/><p>„Ich mußte mehrere Arnauten mitnehmen, um den<lb/>
Platz zu beſetzen, daß deine Gefährten ſich nicht entfernen<lb/>
können. Und auch für dich ſtehen im Palaſte einige<lb/>
meiner Arnauten bereit. Ich ſoll dich feſtnehmen und in<lb/>
das Gefängnis ſchaffen.“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">II. 18</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[273/0287]
„Warum?“
„Ich muß darüber ſchweigen.“
„Gut, Selim Agha, ich ſehe nun, daß du mein Freund
biſt und mich liebſt!“
„Ja, ich liebe dich, Emir; aber der Dienſt erfordert,
daß ich gehorche.“
„So ſage ich dir, daß ich dir noch heute Befehle
geben werde, denen du grad ſo gehorchen wirſt, als ob
du ſie von dem Kommandanten erhielteſt! Seit wann iſt
der Makredſch hier?“
„Seit faſt zwei Stunden.“
„Und ſo lange Zeit warteſt du bereits auf mich?“
„Nein. Der Makredſch kam allein, ganz heimlich
und ohne alles Gefolge. Ich war grad beim Komman-
danten, als er eintrat. Er ſagte, daß er heimlich komme,
weil er in einer ſehr wichtigen Sache reiſe, von welcher
niemand eine Ahnung haben dürfe. Sie unterhielten ſich
weiter, und da erwähnte der Kommandant auch dich und
deine Gefährten. Der Makredſch muß dich kennen, denn
er wurde ſehr aufmerkſam, und der Muteſſelim mußte
dich ihm beſchreiben. „Er iſt's!“ rief er dann und bat
den Kommandanten, mich hinauszuſchicken. Nachher wurde
ich gerufen und erhielt den Befehl, dich zu holen und — — —“
„Nun, und — — —“
„Und — — Emir, es iſt gewiß wahr, daß ich dich
lieb habe, und darum will ich es dir ſagen. Aber, wirſt
du mich verraten?“
„Nein. Ich verſpreche es dir!“
„Ich mußte mehrere Arnauten mitnehmen, um den
Platz zu beſetzen, daß deine Gefährten ſich nicht entfernen
können. Und auch für dich ſtehen im Palaſte einige
meiner Arnauten bereit. Ich ſoll dich feſtnehmen und in
das Gefängnis ſchaffen.“
II. 18
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/287>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.