daß ihr trotz der Nacht hier diesen Platz nicht verfehlt, denn das Loch da oben soll dem Haddedihn zum Verstecke dienen, bis wir ihn von hier abholen. Darum gehest du von hier aus links hinauf, um den Weg, den ihr heute abend zu nehmen habt, richtig kennen zu lernen, und kehrst dann zu uns zurück. Präge dir das Terrain gut ein. Wenn er sich in Sicherheit befindet, hast du dafür zu sorgen, ungesehen wieder in unsere Wohnung zu gelangen; denn niemand darf wissen, daß einer von uns die Stadt verlassen hat."
"Sihdi, ich danke dir!"
"Wofür?"
"Dafür, daß du mir erlaubst, wieder einmal auch selbst etwas zu thun; denn seit langer Zeit habe ich zu- sehen müssen."
Er ging, und ich kehrte zu Lindsay zurück, der lang ausgestreckt im Moose lag und gen Himmel blickte.
"Prachtvoll in Kurdistan! Fehlt nur an Ruinen!" sagte er.
"Ruinen giebt es hier genug, wenn auch keine tausend- jährigen wie am Tigris. Vielleicht sind wir gezwungen, Gegenden aufzusuchen, in denen Ihr Euch von dem Vor- handensein von Ruinen überzeugen könnt. Aus den Thälern Kurdistans ist der Qualm brennender Dörfer und der Geruch von Strömen vergossenen Blutes zum Himmel gestiegen. Wir befinden uns in einem Lande, in welchem Leben, Freiheit und Eigentum mehr gefährdet sind, als in jedem anderen. Wünschen wir, daß wir uns nicht aus eigener Erfahrung davon überzeugen müssen!"
"Will mich aber davon überzeugen, Sir! Will Aben- teuer haben! Möchte kämpfen, boxen, schießen! Werde bezahlen."
"Dazu giebt es vielleicht auch ohne Bezahlung Ge-
daß ihr trotz der Nacht hier dieſen Platz nicht verfehlt, denn das Loch da oben ſoll dem Haddedihn zum Verſtecke dienen, bis wir ihn von hier abholen. Darum geheſt du von hier aus links hinauf, um den Weg, den ihr heute abend zu nehmen habt, richtig kennen zu lernen, und kehrſt dann zu uns zurück. Präge dir das Terrain gut ein. Wenn er ſich in Sicherheit befindet, haſt du dafür zu ſorgen, ungeſehen wieder in unſere Wohnung zu gelangen; denn niemand darf wiſſen, daß einer von uns die Stadt verlaſſen hat.“
„Sihdi, ich danke dir!“
„Wofür?“
„Dafür, daß du mir erlaubſt, wieder einmal auch ſelbſt etwas zu thun; denn ſeit langer Zeit habe ich zu- ſehen müſſen.“
Er ging, und ich kehrte zu Lindſay zurück, der lang ausgeſtreckt im Mooſe lag und gen Himmel blickte.
„Prachtvoll in Kurdiſtan! Fehlt nur an Ruinen!“ ſagte er.
„Ruinen giebt es hier genug, wenn auch keine tauſend- jährigen wie am Tigris. Vielleicht ſind wir gezwungen, Gegenden aufzuſuchen, in denen Ihr Euch von dem Vor- handenſein von Ruinen überzeugen könnt. Aus den Thälern Kurdiſtans iſt der Qualm brennender Dörfer und der Geruch von Strömen vergoſſenen Blutes zum Himmel geſtiegen. Wir befinden uns in einem Lande, in welchem Leben, Freiheit und Eigentum mehr gefährdet ſind, als in jedem anderen. Wünſchen wir, daß wir uns nicht aus eigener Erfahrung davon überzeugen müſſen!“
„Will mich aber davon überzeugen, Sir! Will Aben- teuer haben! Möchte kämpfen, boxen, ſchießen! Werde bezahlen.“
„Dazu giebt es vielleicht auch ohne Bezahlung Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0284"n="270"/>
daß ihr trotz der Nacht hier dieſen Platz nicht verfehlt,<lb/>
denn das Loch da oben ſoll dem Haddedihn zum Verſtecke<lb/>
dienen, bis wir ihn von hier abholen. Darum geheſt du<lb/>
von hier aus links hinauf, um den Weg, den ihr heute<lb/>
abend zu nehmen habt, richtig kennen zu lernen, und kehrſt<lb/>
dann zu uns zurück. Präge dir das Terrain gut ein.<lb/>
Wenn er ſich in Sicherheit befindet, haſt du dafür zu<lb/>ſorgen, ungeſehen wieder in unſere Wohnung zu gelangen;<lb/>
denn niemand darf wiſſen, daß einer von uns die Stadt<lb/>
verlaſſen hat.“</p><lb/><p>„Sihdi, ich danke dir!“</p><lb/><p>„Wofür?“</p><lb/><p>„Dafür, daß du mir erlaubſt, wieder einmal auch<lb/>ſelbſt etwas zu thun; denn ſeit langer Zeit habe ich zu-<lb/>ſehen müſſen.“</p><lb/><p>Er ging, und ich kehrte zu Lindſay zurück, der lang<lb/>
ausgeſtreckt im Mooſe lag und gen Himmel blickte.</p><lb/><p>„Prachtvoll in Kurdiſtan! Fehlt nur an Ruinen!“<lb/>ſagte er.</p><lb/><p>„Ruinen giebt es hier genug, wenn auch keine tauſend-<lb/>
jährigen wie am Tigris. Vielleicht ſind wir gezwungen,<lb/>
Gegenden aufzuſuchen, in denen Ihr Euch von dem Vor-<lb/>
handenſein von Ruinen überzeugen könnt. Aus den<lb/>
Thälern Kurdiſtans iſt der Qualm brennender Dörfer<lb/>
und der Geruch von Strömen vergoſſenen Blutes zum<lb/>
Himmel geſtiegen. Wir befinden uns in einem Lande,<lb/>
in welchem Leben, Freiheit und Eigentum mehr gefährdet<lb/>ſind, als in jedem anderen. Wünſchen wir, daß wir uns<lb/>
nicht aus eigener Erfahrung davon überzeugen müſſen!“</p><lb/><p>„Will mich aber davon überzeugen, Sir! Will Aben-<lb/>
teuer haben! Möchte kämpfen, boxen, ſchießen! Werde<lb/>
bezahlen.“</p><lb/><p>„Dazu giebt es vielleicht auch ohne Bezahlung Ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[270/0284]
daß ihr trotz der Nacht hier dieſen Platz nicht verfehlt,
denn das Loch da oben ſoll dem Haddedihn zum Verſtecke
dienen, bis wir ihn von hier abholen. Darum geheſt du
von hier aus links hinauf, um den Weg, den ihr heute
abend zu nehmen habt, richtig kennen zu lernen, und kehrſt
dann zu uns zurück. Präge dir das Terrain gut ein.
Wenn er ſich in Sicherheit befindet, haſt du dafür zu
ſorgen, ungeſehen wieder in unſere Wohnung zu gelangen;
denn niemand darf wiſſen, daß einer von uns die Stadt
verlaſſen hat.“
„Sihdi, ich danke dir!“
„Wofür?“
„Dafür, daß du mir erlaubſt, wieder einmal auch
ſelbſt etwas zu thun; denn ſeit langer Zeit habe ich zu-
ſehen müſſen.“
Er ging, und ich kehrte zu Lindſay zurück, der lang
ausgeſtreckt im Mooſe lag und gen Himmel blickte.
„Prachtvoll in Kurdiſtan! Fehlt nur an Ruinen!“
ſagte er.
„Ruinen giebt es hier genug, wenn auch keine tauſend-
jährigen wie am Tigris. Vielleicht ſind wir gezwungen,
Gegenden aufzuſuchen, in denen Ihr Euch von dem Vor-
handenſein von Ruinen überzeugen könnt. Aus den
Thälern Kurdiſtans iſt der Qualm brennender Dörfer
und der Geruch von Strömen vergoſſenen Blutes zum
Himmel geſtiegen. Wir befinden uns in einem Lande,
in welchem Leben, Freiheit und Eigentum mehr gefährdet
ſind, als in jedem anderen. Wünſchen wir, daß wir uns
nicht aus eigener Erfahrung davon überzeugen müſſen!“
„Will mich aber davon überzeugen, Sir! Will Aben-
teuer haben! Möchte kämpfen, boxen, ſchießen! Werde
bezahlen.“
„Dazu giebt es vielleicht auch ohne Bezahlung Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/284>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.