Wir kehrten jetzt zu Halef zurück, der bereits Sorge um uns hegte, weil wir so lange Zeit fortgeblieben waren.
"Master Lindsay, jetzt bleibt Ihr bei den Pferden zurück, denn ich muß nun zuvor auch unserem Hadschi Halef Omar das Versteck zeigen!" sagte ich.
"Well! Doch bald wiederkommen! Yes!"
"Kannst du klettern?" fragte ich Halef, als wir bei den Eichen angekommen waren.
"Ja, Sihdi. Ich habe ja von mancher Palme die Datteln herabgeholt. Warum?"
"Das ist ein ganz anderes Klettern. Hier giebt es einen glatten Stamm, der keine Stütze bietet, und auch kein Klettertuch, wie man es beim Ernten der Datteln in Anwendung bringt. Siehst du das Loch an dem Stamme der Eiche, dort grad über dem Aste?"
"Ja, Sihdi."
"Klettere einmal hinauf und siehe dir es an! Du mußt hier an der Pinie empor und dann den Eichenast entlang."
Er versuchte es, und siehe da, es ging recht leidlich.
"Effendi, das ist ja ein Kiosk," meinte er, als er unten wieder anlangte. "Den habt ihr wohl jetzt gebaut?"
"Ja. Weißt du, wo das Fort von Amadijah liegt?"
"Hier links hinauf."
"So höre, was ich dir sage! Ich glaube heute abend Amad el Ghandur aus dem Gefängnisse holen zu können. Er muß noch während der Nacht aus der Stadt gebracht werden, und das sollst du thun."
"Herr, die Wachen werden uns sehen!"
"Nein. Es giebt eine Stelle, an welcher die Mauer so beschädigt ist, daß ihr sehr leicht unbemerkt in das Freie gelangen könnt. Ich werde dir diese Stelle bei unserer Rückkehr zeigen. Nun aber handelt es sich darum,
Wir kehrten jetzt zu Halef zurück, der bereits Sorge um uns hegte, weil wir ſo lange Zeit fortgeblieben waren.
„Maſter Lindſay, jetzt bleibt Ihr bei den Pferden zurück, denn ich muß nun zuvor auch unſerem Hadſchi Halef Omar das Verſteck zeigen!“ ſagte ich.
„Well! Doch bald wiederkommen! Yes!“
„Kannſt du klettern?“ fragte ich Halef, als wir bei den Eichen angekommen waren.
„Ja, Sihdi. Ich habe ja von mancher Palme die Datteln herabgeholt. Warum?“
„Das iſt ein ganz anderes Klettern. Hier giebt es einen glatten Stamm, der keine Stütze bietet, und auch kein Klettertuch, wie man es beim Ernten der Datteln in Anwendung bringt. Siehſt du das Loch an dem Stamme der Eiche, dort grad über dem Aſte?“
„Ja, Sihdi.“
„Klettere einmal hinauf und ſiehe dir es an! Du mußt hier an der Pinie empor und dann den Eichenaſt entlang.“
Er verſuchte es, und ſiehe da, es ging recht leidlich.
„Effendi, das iſt ja ein Kiosk,“ meinte er, als er unten wieder anlangte. „Den habt ihr wohl jetzt gebaut?“
„Ja. Weißt du, wo das Fort von Amadijah liegt?“
„Hier links hinauf.“
„So höre, was ich dir ſage! Ich glaube heute abend Amad el Ghandur aus dem Gefängniſſe holen zu können. Er muß noch während der Nacht aus der Stadt gebracht werden, und das ſollſt du thun.“
„Herr, die Wachen werden uns ſehen!“
„Nein. Es giebt eine Stelle, an welcher die Mauer ſo beſchädigt iſt, daß ihr ſehr leicht unbemerkt in das Freie gelangen könnt. Ich werde dir dieſe Stelle bei unſerer Rückkehr zeigen. Nun aber handelt es ſich darum,
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Wir kehrten jetzt zu Halef zurück, der bereits Sorge
um uns hegte, weil wir ſo lange Zeit fortgeblieben waren.
„Maſter Lindſay, jetzt bleibt Ihr bei den Pferden
zurück, denn ich muß nun zuvor auch unſerem Hadſchi
Halef Omar das Verſteck zeigen!“ ſagte ich.
„Well! Doch bald wiederkommen! Yes!“
„Kannſt du klettern?“ fragte ich Halef, als wir bei
den Eichen angekommen waren.
„Ja, Sihdi. Ich habe ja von mancher Palme die
Datteln herabgeholt. Warum?“
„Das iſt ein ganz anderes Klettern. Hier giebt es
einen glatten Stamm, der keine Stütze bietet, und auch
kein Klettertuch, wie man es beim Ernten der Datteln
in Anwendung bringt. Siehſt du das Loch an dem
Stamme der Eiche, dort grad über dem Aſte?“
„Ja, Sihdi.“
„Klettere einmal hinauf und ſiehe dir es an! Du
mußt hier an der Pinie empor und dann den Eichenaſt
entlang.“
Er verſuchte es, und ſiehe da, es ging recht leidlich.
„Effendi, das iſt ja ein Kiosk,“ meinte er, als er unten
wieder anlangte. „Den habt ihr wohl jetzt gebaut?“
„Ja. Weißt du, wo das Fort von Amadijah liegt?“
„Hier links hinauf.“
„So höre, was ich dir ſage! Ich glaube heute abend
Amad el Ghandur aus dem Gefängniſſe holen zu können.
Er muß noch während der Nacht aus der Stadt gebracht
werden, und das ſollſt du thun.“
„Herr, die Wachen werden uns ſehen!“
„Nein. Es giebt eine Stelle, an welcher die Mauer
ſo beſchädigt iſt, daß ihr ſehr leicht unbemerkt in das
Freie gelangen könnt. Ich werde dir dieſe Stelle bei
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/283>, abgerufen am 23.12.2024.
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