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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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ganz erpicht war, da oben eine Villa zu bauen. Wir
schnitten ein Dutzend etwas mehr als vier Fuß langer
Stämmchen aus den Büschen, aber so, daß wir dabei jede
Spur vermieden, und dann wand ich den Gürtelshwal
von der Hüfte, unter welchem ich den Lasso um den Leib
geschlungen trug. Bis zum ersten Ast der Pinie reichte
er. Während der Engländer die Stämmchen zusammen-
legte und mit dem einen Ende des achtfach zusammen-
geflochtenen, unzerreißbaren Riemens umwand, nahm ich
das andere zwischen die Zähne und kletterte empor. Die
hindernden Kleidungsstücke hatte ich natürlich abgelegt.
Auf dem ersten Aste angekommen, zog ich das Bündel in
die Höhe. Lindsay kam nachgeklettert, und so brachten
wir die ,Knüppel' bis vor die Oeffnung, wo sie ange-
bunden wurden. Ich untersuchte die Höhlung. Sie hatte
die angegebene Weite, wurde nach unten immer größer
und reichte bis zur Erde hinab.

Nun begannen wir die Stämmchen einzuklemmen,
um aus ihnen einen Fußboden zu bilden. Das mußte
sehr sorgfältig geschehen, damit er ja nicht hinunterbrechen
konnte. Mit Hilfe der Messer brachten wir es nach einiger
Anstrengung fertig. Der Boden war fest und sicher.

"Nun Moos, Streu und Laub mit dem Lasso herauf!"

Wir kletterten nun wieder hinab und hatten bald
so viel gesammelt, wie wir brauchten. Es wurde in
meinen Haik und das Ueberkleid Lindsays geschlungen,
und nach zweimaligem Auf- und Niederklettern war die
Höhlung in ein Versteck umgewandelt, in welchem es sich
ganz weich und sicher liegen ließ.

"Wacker gearbeitet," meinte der Engländer, indem er
sich den Schweiß von der Stirn wischte. "Amad wird
gut wohnen. Nun noch Essen und Trinken, Pfeife und
Tabak, so ist der Diwan fertig!"

ganz erpicht war, da oben eine Villa zu bauen. Wir
ſchnitten ein Dutzend etwas mehr als vier Fuß langer
Stämmchen aus den Büſchen, aber ſo, daß wir dabei jede
Spur vermieden, und dann wand ich den Gürtelſhwal
von der Hüfte, unter welchem ich den Laſſo um den Leib
geſchlungen trug. Bis zum erſten Aſt der Pinie reichte
er. Während der Engländer die Stämmchen zuſammen-
legte und mit dem einen Ende des achtfach zuſammen-
geflochtenen, unzerreißbaren Riemens umwand, nahm ich
das andere zwiſchen die Zähne und kletterte empor. Die
hindernden Kleidungsſtücke hatte ich natürlich abgelegt.
Auf dem erſten Aſte angekommen, zog ich das Bündel in
die Höhe. Lindſay kam nachgeklettert, und ſo brachten
wir die ‚Knüppel‘ bis vor die Oeffnung, wo ſie ange-
bunden wurden. Ich unterſuchte die Höhlung. Sie hatte
die angegebene Weite, wurde nach unten immer größer
und reichte bis zur Erde hinab.

Nun begannen wir die Stämmchen einzuklemmen,
um aus ihnen einen Fußboden zu bilden. Das mußte
ſehr ſorgfältig geſchehen, damit er ja nicht hinunterbrechen
konnte. Mit Hilfe der Meſſer brachten wir es nach einiger
Anſtrengung fertig. Der Boden war feſt und ſicher.

„Nun Moos, Streu und Laub mit dem Laſſo herauf!“

Wir kletterten nun wieder hinab und hatten bald
ſo viel geſammelt, wie wir brauchten. Es wurde in
meinen Haïk und das Ueberkleid Lindſays geſchlungen,
und nach zweimaligem Auf- und Niederklettern war die
Höhlung in ein Verſteck umgewandelt, in welchem es ſich
ganz weich und ſicher liegen ließ.

„Wacker gearbeitet,“ meinte der Engländer, indem er
ſich den Schweiß von der Stirn wiſchte. „Amad wird
gut wohnen. Nun noch Eſſen und Trinken, Pfeife und
Tabak, ſo iſt der Diwan fertig!“

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[268/0282] ganz erpicht war, da oben eine Villa zu bauen. Wir ſchnitten ein Dutzend etwas mehr als vier Fuß langer Stämmchen aus den Büſchen, aber ſo, daß wir dabei jede Spur vermieden, und dann wand ich den Gürtelſhwal von der Hüfte, unter welchem ich den Laſſo um den Leib geſchlungen trug. Bis zum erſten Aſt der Pinie reichte er. Während der Engländer die Stämmchen zuſammen- legte und mit dem einen Ende des achtfach zuſammen- geflochtenen, unzerreißbaren Riemens umwand, nahm ich das andere zwiſchen die Zähne und kletterte empor. Die hindernden Kleidungsſtücke hatte ich natürlich abgelegt. Auf dem erſten Aſte angekommen, zog ich das Bündel in die Höhe. Lindſay kam nachgeklettert, und ſo brachten wir die ‚Knüppel‘ bis vor die Oeffnung, wo ſie ange- bunden wurden. Ich unterſuchte die Höhlung. Sie hatte die angegebene Weite, wurde nach unten immer größer und reichte bis zur Erde hinab. Nun begannen wir die Stämmchen einzuklemmen, um aus ihnen einen Fußboden zu bilden. Das mußte ſehr ſorgfältig geſchehen, damit er ja nicht hinunterbrechen konnte. Mit Hilfe der Meſſer brachten wir es nach einiger Anſtrengung fertig. Der Boden war feſt und ſicher. „Nun Moos, Streu und Laub mit dem Laſſo herauf!“ Wir kletterten nun wieder hinab und hatten bald ſo viel geſammelt, wie wir brauchten. Es wurde in meinen Haïk und das Ueberkleid Lindſays geſchlungen, und nach zweimaligem Auf- und Niederklettern war die Höhlung in ein Verſteck umgewandelt, in welchem es ſich ganz weich und ſicher liegen ließ. „Wacker gearbeitet,“ meinte der Engländer, indem er ſich den Schweiß von der Stirn wiſchte. „Amad wird gut wohnen. Nun noch Eſſen und Trinken, Pfeife und Tabak, ſo iſt der Diwan fertig!“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/282>, abgerufen am 23.12.2024.