"Kannst du den Gefangenen Kaffee kochen?" erkun- digte ich mich bei ihr.
"Ja."
"Und ihnen Brot dazu geben, eine sehr reichliche Portion?"
"Ja."
"Wie viel kostet das?"
"Dreißig Piaster, Effendi."
Also zwei Thaler ungefähr. Die Gefangenen erhielten wohl kaum für eine Mark davon. Ich zog das Geld her- aus und gab es ihr.
"Hier. Aber ich wünsche, daß alle davon erhalten."
"Sie sollen alle haben, Effendi."
Ich gab der Alten und dem Sergeanten je fünfzehn und den Arnauten je zehn Piaster, ein Trinkgeld, wie sie es wohl nicht erwartet hatten. Daher erschöpften sie sich in außerordentlichen Danksagungen, und als ich das Haus verließ, exekutierten sie ihre Verbeugungen selbst dann noch, als ich bereits die Gasse erreicht hatte und sie nur noch meinen Rücken sehen konnten.
Heimgekommen, suchte ich Mohammed Emin auf. Ich traf Halef bei ihm, welcher den Anzug gebracht hatte. Dies war unbemerkt geschehen, weil ja weder der Agha noch Mersinah zu Hause war.
Ich beschrieb dem Haddedihn meinen Besuch.
"Also heute abend!" meinte er erfreut.
"Wenn es möglich ist," fügte ich hinzu.
"Aber wie willst du es machen?"
"Ich werde, wenn nicht ein Zufall etwas Besseres bringt, von dem Agha den Schlüssel zu erhalten suchen und -- -- --"
"Er wird dir ihn nicht geben!"
"Ich nehme ihn! Dann warte ich, bis die Wächter schlafen und öffne Amad die Zelle."
„Kannſt du den Gefangenen Kaffee kochen?“ erkun- digte ich mich bei ihr.
„Ja.“
„Und ihnen Brot dazu geben, eine ſehr reichliche Portion?“
„Ja.“
„Wie viel koſtet das?“
„Dreißig Piaſter, Effendi.“
Alſo zwei Thaler ungefähr. Die Gefangenen erhielten wohl kaum für eine Mark davon. Ich zog das Geld her- aus und gab es ihr.
„Hier. Aber ich wünſche, daß alle davon erhalten.“
„Sie ſollen alle haben, Effendi.“
Ich gab der Alten und dem Sergeanten je fünfzehn und den Arnauten je zehn Piaſter, ein Trinkgeld, wie ſie es wohl nicht erwartet hatten. Daher erſchöpften ſie ſich in außerordentlichen Dankſagungen, und als ich das Haus verließ, exekutierten ſie ihre Verbeugungen ſelbſt dann noch, als ich bereits die Gaſſe erreicht hatte und ſie nur noch meinen Rücken ſehen konnten.
Heimgekommen, ſuchte ich Mohammed Emin auf. Ich traf Halef bei ihm, welcher den Anzug gebracht hatte. Dies war unbemerkt geſchehen, weil ja weder der Agha noch Merſinah zu Hauſe war.
Ich beſchrieb dem Haddedihn meinen Beſuch.
„Alſo heute abend!“ meinte er erfreut.
„Wenn es möglich iſt,“ fügte ich hinzu.
„Aber wie willſt du es machen?“
„Ich werde, wenn nicht ein Zufall etwas Beſſeres bringt, von dem Agha den Schlüſſel zu erhalten ſuchen und — — —“
„Er wird dir ihn nicht geben!“
„Ich nehme ihn! Dann warte ich, bis die Wächter ſchlafen und öffne Amad die Zelle.“
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„Kannſt du den Gefangenen Kaffee kochen?“ erkun-
digte ich mich bei ihr.
„Ja.“
„Und ihnen Brot dazu geben, eine ſehr reichliche Portion?“
„Ja.“
„Wie viel koſtet das?“
„Dreißig Piaſter, Effendi.“
Alſo zwei Thaler ungefähr. Die Gefangenen erhielten
wohl kaum für eine Mark davon. Ich zog das Geld her-
aus und gab es ihr.
„Hier. Aber ich wünſche, daß alle davon erhalten.“
„Sie ſollen alle haben, Effendi.“
Ich gab der Alten und dem Sergeanten je fünfzehn
und den Arnauten je zehn Piaſter, ein Trinkgeld, wie ſie
es wohl nicht erwartet hatten. Daher erſchöpften ſie ſich
in außerordentlichen Dankſagungen, und als ich das Haus
verließ, exekutierten ſie ihre Verbeugungen ſelbſt dann
noch, als ich bereits die Gaſſe erreicht hatte und ſie nur
noch meinen Rücken ſehen konnten.
Heimgekommen, ſuchte ich Mohammed Emin auf. Ich
traf Halef bei ihm, welcher den Anzug gebracht hatte.
Dies war unbemerkt geſchehen, weil ja weder der Agha
noch Merſinah zu Hauſe war.
Ich beſchrieb dem Haddedihn meinen Beſuch.
„Alſo heute abend!“ meinte er erfreut.
„Wenn es möglich iſt,“ fügte ich hinzu.
„Aber wie willſt du es machen?“
„Ich werde, wenn nicht ein Zufall etwas Beſſeres
bringt, von dem Agha den Schlüſſel zu erhalten ſuchen
und — — —“
„Er wird dir ihn nicht geben!“
„Ich nehme ihn! Dann warte ich, bis die Wächter
ſchlafen und öffne Amad die Zelle.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/276>, abgerufen am 23.12.2024.
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