"Stets. Es soll mich niemand erkennen, weil ich sonst vielleicht verraten werden möchte. Was hast du neues er- fahren?"
Ich teilte ihm alles mit. Als ich geendet hatte, deutete er auf seine Waffen, welche vor ihm lagen.
"Wir werden sie empfangen!"
"Du wirst dieser Waffen nicht bedürfen."
"Nicht? Soll ich mich und unsere Freunde nicht ver- teidigen?"
"Sie sind stark genug. Willst du vielleicht in die Hände der Türken, denen du kaum entgangen bist, fallen, oder soll dich eine Kugel, ein Messerstich treffen, damit dein Sohn noch länger in der Gefangenschaft von Amadijah schmachtet?"
"Emir, du sprichst wie ein kluger, aber nicht wie ein tapferer Mann!"
"Scheik, du weißt, daß ich mich vor keinem Feinde fürchte; es ist nicht die Angst, welche aus mir spricht. Ali Bey hat von uns verlangt, daß wir uns vor dem Kampfe hüten sollen. Er hegt übrigens die Ueberzeugung, daß es gar nicht zum Kampfe kommen werde, und ich bin ganz derselben Meinung wie er."
"Du denkst, die Türken ergeben sich ohne Widerstand?"
"Wenn sie es nicht thun, so werden sie zusammen- geschossen."
"Die Offiziere der Türken taugen nichts, aber die Soldaten sind tapfer. Sie werden die Höhen stürmen und sich befreien."
"Fünfzehnhundert gegen vielleicht sechstausend Mann?"
"Wenn es gelingt, sie zu umzingeln!"
"Es wird gelingen."
"So müssen wir also mit den Frauen nach dem Thale Idiz gehen?"
„Stets. Es ſoll mich niemand erkennen, weil ich ſonſt vielleicht verraten werden möchte. Was haſt du neues er- fahren?“
Ich teilte ihm alles mit. Als ich geendet hatte, deutete er auf ſeine Waffen, welche vor ihm lagen.
„Wir werden ſie empfangen!“
„Du wirſt dieſer Waffen nicht bedürfen.“
„Nicht? Soll ich mich und unſere Freunde nicht ver- teidigen?“
„Sie ſind ſtark genug. Willſt du vielleicht in die Hände der Türken, denen du kaum entgangen biſt, fallen, oder ſoll dich eine Kugel, ein Meſſerſtich treffen, damit dein Sohn noch länger in der Gefangenſchaft von Amadijah ſchmachtet?“
„Emir, du ſprichſt wie ein kluger, aber nicht wie ein tapferer Mann!“
„Scheik, du weißt, daß ich mich vor keinem Feinde fürchte; es iſt nicht die Angſt, welche aus mir ſpricht. Ali Bey hat von uns verlangt, daß wir uns vor dem Kampfe hüten ſollen. Er hegt übrigens die Ueberzeugung, daß es gar nicht zum Kampfe kommen werde, und ich bin ganz derſelben Meinung wie er.“
„Du denkſt, die Türken ergeben ſich ohne Widerſtand?“
„Wenn ſie es nicht thun, ſo werden ſie zuſammen- geſchoſſen.“
„Die Offiziere der Türken taugen nichts, aber die Soldaten ſind tapfer. Sie werden die Höhen ſtürmen und ſich befreien.“
„Fünfzehnhundert gegen vielleicht ſechstauſend Mann?“
„Wenn es gelingt, ſie zu umzingeln!“
„Es wird gelingen.“
„So müſſen wir alſo mit den Frauen nach dem Thale Idiz gehen?“
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„Stets. Es ſoll mich niemand erkennen, weil ich ſonſt
vielleicht verraten werden möchte. Was haſt du neues er-
fahren?“
Ich teilte ihm alles mit. Als ich geendet hatte, deutete
er auf ſeine Waffen, welche vor ihm lagen.
„Wir werden ſie empfangen!“
„Du wirſt dieſer Waffen nicht bedürfen.“
„Nicht? Soll ich mich und unſere Freunde nicht ver-
teidigen?“
„Sie ſind ſtark genug. Willſt du vielleicht in die Hände
der Türken, denen du kaum entgangen biſt, fallen, oder
ſoll dich eine Kugel, ein Meſſerſtich treffen, damit dein
Sohn noch länger in der Gefangenſchaft von Amadijah
ſchmachtet?“
„Emir, du ſprichſt wie ein kluger, aber nicht wie ein
tapferer Mann!“
„Scheik, du weißt, daß ich mich vor keinem Feinde
fürchte; es iſt nicht die Angſt, welche aus mir ſpricht.
Ali Bey hat von uns verlangt, daß wir uns vor dem
Kampfe hüten ſollen. Er hegt übrigens die Ueberzeugung,
daß es gar nicht zum Kampfe kommen werde, und ich bin
ganz derſelben Meinung wie er.“
„Du denkſt, die Türken ergeben ſich ohne Widerſtand?“
„Wenn ſie es nicht thun, ſo werden ſie zuſammen-
geſchoſſen.“
„Die Offiziere der Türken taugen nichts, aber die
Soldaten ſind tapfer. Sie werden die Höhen ſtürmen und
ſich befreien.“
„Fünfzehnhundert gegen vielleicht ſechstauſend Mann?“
„Wenn es gelingt, ſie zu umzingeln!“
„Es wird gelingen.“
„So müſſen wir alſo mit den Frauen nach dem Thale
Idiz gehen?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/21>, abgerufen am 22.12.2024.
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