"Wenn dies der Fall wäre, so dürfte ich es doch nicht behaupten. Sonst könnte ich diesen Einfluß doch sehr leicht verlieren."
"Emir, du machst mich besorgt!"
"Warum?"
"Ich weiß, daß die Gnade des Mutessarif nicht über mir leuchtet. Sage mir, ob du wirklich sein Freund und Vertrauter bist!"
"Er hat mir mitgeteilt, was er andern vielleicht nicht sagen würde, sogar von seinem Zuge gegen die Dschesidi hat er mir vorher gesagt; ob ich aber sein Freund bin, das ist eine Frage, deren Beantwortung du mir erlassen mußt."
"Ich werde dich auf die Probe stellen, ob du wirk- lich mehr weißt, als andere!"
"Thue es!" sagte ich zuversichtlich, obgleich ich inner- lich einige Besorgnis fühlte.
"Auf welchen Stamm der Araber hat er es besonders abgesehen?"
"Auf die Schammar."
"Und auf welche Abteilung derselben?"
"Auf die Haddedihn."
Jetzt nahm sein scharfes Gesicht einen lauernden Ausdruck an.
"Wie heißt der Scheik derselben?"
"Mohammed Emin. Kennst du ihn?"
"Nein. Aber ich hörte, der Mutessarif soll ihn ge- fangen genommen haben. Er hat doch sicher davon zu dir gesprochen, da er dir sein Vertrauen schenkte und dich zu den Arabern senden will!"
Dieser gute Mann machte wirklich eine Anstrengung, diplomatisch zu sein! Ich aber lachte ihm in das Gesicht.
"O Mutesselim, du stellst mich da sehr hart auf die
„Wenn dies der Fall wäre, ſo dürfte ich es doch nicht behaupten. Sonſt könnte ich dieſen Einfluß doch ſehr leicht verlieren.“
„Emir, du machſt mich beſorgt!“
„Warum?“
„Ich weiß, daß die Gnade des Muteſſarif nicht über mir leuchtet. Sage mir, ob du wirklich ſein Freund und Vertrauter biſt!“
„Er hat mir mitgeteilt, was er andern vielleicht nicht ſagen würde, ſogar von ſeinem Zuge gegen die Dſcheſidi hat er mir vorher geſagt; ob ich aber ſein Freund bin, das iſt eine Frage, deren Beantwortung du mir erlaſſen mußt.“
„Ich werde dich auf die Probe ſtellen, ob du wirk- lich mehr weißt, als andere!“
„Thue es!“ ſagte ich zuverſichtlich, obgleich ich inner- lich einige Beſorgnis fühlte.
„Auf welchen Stamm der Araber hat er es beſonders abgeſehen?“
„Auf die Schammar.“
„Und auf welche Abteilung derſelben?“
„Auf die Haddedihn.“
Jetzt nahm ſein ſcharfes Geſicht einen lauernden Ausdruck an.
„Wie heißt der Scheik derſelben?“
„Mohammed Emin. Kennſt du ihn?“
„Nein. Aber ich hörte, der Muteſſarif ſoll ihn ge- fangen genommen haben. Er hat doch ſicher davon zu dir geſprochen, da er dir ſein Vertrauen ſchenkte und dich zu den Arabern ſenden will!“
Dieſer gute Mann machte wirklich eine Anſtrengung, diplomatiſch zu ſein! Ich aber lachte ihm in das Geſicht.
„O Muteſſelim, du ſtellſt mich da ſehr hart auf die
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„Wenn dies der Fall wäre, ſo dürfte ich es doch
nicht behaupten. Sonſt könnte ich dieſen Einfluß doch
ſehr leicht verlieren.“
„Emir, du machſt mich beſorgt!“
„Warum?“
„Ich weiß, daß die Gnade des Muteſſarif nicht über
mir leuchtet. Sage mir, ob du wirklich ſein Freund und
Vertrauter biſt!“
„Er hat mir mitgeteilt, was er andern vielleicht nicht
ſagen würde, ſogar von ſeinem Zuge gegen die Dſcheſidi
hat er mir vorher geſagt; ob ich aber ſein Freund bin,
das iſt eine Frage, deren Beantwortung du mir erlaſſen
mußt.“
„Ich werde dich auf die Probe ſtellen, ob du wirk-
lich mehr weißt, als andere!“
„Thue es!“ ſagte ich zuverſichtlich, obgleich ich inner-
lich einige Beſorgnis fühlte.
„Auf welchen Stamm der Araber hat er es beſonders
abgeſehen?“
„Auf die Schammar.“
„Und auf welche Abteilung derſelben?“
„Auf die Haddedihn.“
Jetzt nahm ſein ſcharfes Geſicht einen lauernden
Ausdruck an.
„Wie heißt der Scheik derſelben?“
„Mohammed Emin. Kennſt du ihn?“
„Nein. Aber ich hörte, der Muteſſarif ſoll ihn ge-
fangen genommen haben. Er hat doch ſicher davon zu
dir geſprochen, da er dir ſein Vertrauen ſchenkte und dich
zu den Arabern ſenden will!“
Dieſer gute Mann machte wirklich eine Anſtrengung,
diplomatiſch zu ſein! Ich aber lachte ihm in das Geſicht.
„O Muteſſelim, du ſtellſt mich da ſehr hart auf die
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/204>, abgerufen am 23.12.2024.
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