"Hast du einmal etwas von Politik und Diplomatik gehört, Mutesselim?"
Er lächelte überlegen.
"Wäre ich Kommandant von Amadijah, wenn ich nicht ein Diplomat wäre?"
"Du hast sehr recht! Aber warum zeigst du mir es nicht, daß du ein solcher bist?"
"Bin ich undiplomatisch gewesen?"
"Sehr!"
"Inwiefern?"
"Weil du mich nach meiner Aufgabe in so direkter Weise fragst, daß ich erstaunen muß. Ich darf von ihr nicht sprechen, und du hättest es nur durch eine feine und kluge Ausforschung erfahren können."
"Warum dürftest du es mir nicht sagen? Der Mu- tessarif hat kein Geheimnis vor mir!"
"Du mußtest mich fragen, um etwas über diese An- gelegenheit zu erfahren; dies ist doch der sicherste Beweis, daß der Mutessarif gegen mich offenherziger gewesen ist, als gegen dich. Wie nun, wenn ich grad in einer Sache, die auf seinen Einfall in das Gebiet der Araber Bezug hat, nach Amadijah gekommen wäre?"
"Das ist nicht möglich!"
"Das ist sehr möglich! Ich will dir nur soviel ver- trauen, daß der Gouverneur mich nach meiner Rückkehr von Amadijah zu den Weideplätzen der Araber senden wird. Ich soll dort heimlich das Terrain studieren, da- mit ich ihm meine Vorschläge machen kann."
"Ist dies wahr?"
"Ich sage es dir im Vertrauen, folglich ist es wahr."
"Dann bist du ein großer Vertrauter von ihm!"
"Vermutlich!"
"Und hast Einfluß auf ihn!"
„Haſt du einmal etwas von Politik und Diplomatik gehört, Muteſſelim?“
Er lächelte überlegen.
„Wäre ich Kommandant von Amadijah, wenn ich nicht ein Diplomat wäre?“
„Du haſt ſehr recht! Aber warum zeigſt du mir es nicht, daß du ein ſolcher biſt?“
„Bin ich undiplomatiſch geweſen?“
„Sehr!“
„Inwiefern?“
„Weil du mich nach meiner Aufgabe in ſo direkter Weiſe fragſt, daß ich erſtaunen muß. Ich darf von ihr nicht ſprechen, und du hätteſt es nur durch eine feine und kluge Ausforſchung erfahren können.“
„Warum dürfteſt du es mir nicht ſagen? Der Mu- teſſarif hat kein Geheimnis vor mir!“
„Du mußteſt mich fragen, um etwas über dieſe An- gelegenheit zu erfahren; dies iſt doch der ſicherſte Beweis, daß der Muteſſarif gegen mich offenherziger geweſen iſt, als gegen dich. Wie nun, wenn ich grad in einer Sache, die auf ſeinen Einfall in das Gebiet der Araber Bezug hat, nach Amadijah gekommen wäre?“
„Das iſt nicht möglich!“
„Das iſt ſehr möglich! Ich will dir nur ſoviel ver- trauen, daß der Gouverneur mich nach meiner Rückkehr von Amadijah zu den Weideplätzen der Araber ſenden wird. Ich ſoll dort heimlich das Terrain ſtudieren, da- mit ich ihm meine Vorſchläge machen kann.“
„Iſt dies wahr?“
„Ich ſage es dir im Vertrauen, folglich iſt es wahr.“
„Dann biſt du ein großer Vertrauter von ihm!“
„Vermutlich!“
„Und haſt Einfluß auf ihn!“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0203"n="189"/><p>„Haſt du einmal etwas von Politik und Diplomatik<lb/>
gehört, Muteſſelim?“</p><lb/><p>Er lächelte überlegen.</p><lb/><p>„Wäre ich Kommandant von Amadijah, wenn ich<lb/>
nicht ein Diplomat wäre?“</p><lb/><p>„Du haſt ſehr recht! Aber warum zeigſt du mir es<lb/>
nicht, daß du ein ſolcher biſt?“</p><lb/><p>„Bin ich undiplomatiſch geweſen?“</p><lb/><p>„Sehr!“</p><lb/><p>„Inwiefern?“</p><lb/><p>„Weil du mich nach meiner Aufgabe in ſo direkter<lb/>
Weiſe fragſt, daß ich erſtaunen muß. Ich darf von ihr<lb/>
nicht ſprechen, und du hätteſt es nur durch eine feine und<lb/>
kluge Ausforſchung erfahren können.“</p><lb/><p>„Warum dürfteſt du es mir nicht ſagen? Der Mu-<lb/>
teſſarif hat kein Geheimnis vor mir!“</p><lb/><p>„Du mußteſt mich fragen, um etwas über dieſe An-<lb/>
gelegenheit zu erfahren; dies iſt doch der ſicherſte Beweis,<lb/>
daß der Muteſſarif gegen mich offenherziger geweſen iſt,<lb/>
als gegen dich. Wie nun, wenn ich grad in einer Sache,<lb/>
die auf ſeinen Einfall in das Gebiet der Araber Bezug<lb/>
hat, nach Amadijah gekommen wäre?“</p><lb/><p>„Das iſt nicht möglich!“</p><lb/><p>„Das iſt ſehr möglich! Ich will dir nur ſoviel ver-<lb/>
trauen, daß der Gouverneur mich nach meiner Rückkehr<lb/>
von Amadijah zu den Weideplätzen der Araber ſenden<lb/>
wird. Ich ſoll dort heimlich das Terrain ſtudieren, da-<lb/>
mit ich ihm meine Vorſchläge machen kann.“</p><lb/><p>„Iſt dies wahr?“</p><lb/><p>„Ich ſage es dir im Vertrauen, folglich iſt es wahr.“</p><lb/><p>„Dann biſt du ein großer Vertrauter von ihm!“</p><lb/><p>„Vermutlich!“</p><lb/><p>„Und haſt Einfluß auf ihn!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[189/0203]
„Haſt du einmal etwas von Politik und Diplomatik
gehört, Muteſſelim?“
Er lächelte überlegen.
„Wäre ich Kommandant von Amadijah, wenn ich
nicht ein Diplomat wäre?“
„Du haſt ſehr recht! Aber warum zeigſt du mir es
nicht, daß du ein ſolcher biſt?“
„Bin ich undiplomatiſch geweſen?“
„Sehr!“
„Inwiefern?“
„Weil du mich nach meiner Aufgabe in ſo direkter
Weiſe fragſt, daß ich erſtaunen muß. Ich darf von ihr
nicht ſprechen, und du hätteſt es nur durch eine feine und
kluge Ausforſchung erfahren können.“
„Warum dürfteſt du es mir nicht ſagen? Der Mu-
teſſarif hat kein Geheimnis vor mir!“
„Du mußteſt mich fragen, um etwas über dieſe An-
gelegenheit zu erfahren; dies iſt doch der ſicherſte Beweis,
daß der Muteſſarif gegen mich offenherziger geweſen iſt,
als gegen dich. Wie nun, wenn ich grad in einer Sache,
die auf ſeinen Einfall in das Gebiet der Araber Bezug
hat, nach Amadijah gekommen wäre?“
„Das iſt nicht möglich!“
„Das iſt ſehr möglich! Ich will dir nur ſoviel ver-
trauen, daß der Gouverneur mich nach meiner Rückkehr
von Amadijah zu den Weideplätzen der Araber ſenden
wird. Ich ſoll dort heimlich das Terrain ſtudieren, da-
mit ich ihm meine Vorſchläge machen kann.“
„Iſt dies wahr?“
„Ich ſage es dir im Vertrauen, folglich iſt es wahr.“
„Dann biſt du ein großer Vertrauter von ihm!“
„Vermutlich!“
„Und haſt Einfluß auf ihn!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/203>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.