"Ich bin der Basch Kiatib *) des Kommandanten. Er läßt dich bitten, einige Augenblicke zu warten."
"Warum? Ich bin nicht gewohnt, zu warten, und er hat gewußt, daß ich komme!"
"Er hat eine wichtige Abhaltung, die nicht lange währen wird."
Was dies für eine wichtige Abhaltung war, konnte ich bald bemerken. Nämlich ein Diener kam äußerst eil- fertig aus dem Zimmer des Mutesselim gestürzt und kehrte nach einiger Zeit mit zwei Büchsen zurück, auf denen die Deckel fehlten. Die größere enthielt Tabak und die kleinere gebrannte Kaffeebohnen. Der Kommandant hatte diese notwendigen Sachen erst nach Empfang unseres Geldes holen lassen können. Vor der Rückkehr seines Dieners trat der Agha aus dem Zimmer des Mutesselim.
"Effendi, verziehe noch einen Augenblick! Du wirst sofort eintreten können!"
Da wandte sich der am Fenster stehende Kurde zu ihm:
"Und wann endlich werde ich eintreten dürfen?"
"Du wirst noch heute vorgelassen."
"Noch heute? Ich bin eher dagewesen als dieser Effendi, und auch eher als alle diese andern. Meine Sache ist notwendig, und ich muß noch heute wieder auf- brechen!"
Selim Agha rollte die Augen.
"Diese Effendis sind ein Emir und ein Bey, du aber bist nur ein Kurde. Du kommst erst nach ihnen!"
"Ich habe ein gleiches Recht wie sie, denn ich bin der Abgesandte eines tapfern Mannes, der auch ein Bey ist!"
Das freimütige, furchtlose Wesen dieses Kurden gefiel
*) Gerichtsschreiber.
„Ja.“
„Ich bin der Baſch Kiatib *) des Kommandanten. Er läßt dich bitten, einige Augenblicke zu warten.“
„Warum? Ich bin nicht gewohnt, zu warten, und er hat gewußt, daß ich komme!“
„Er hat eine wichtige Abhaltung, die nicht lange währen wird.“
Was dies für eine wichtige Abhaltung war, konnte ich bald bemerken. Nämlich ein Diener kam äußerſt eil- fertig aus dem Zimmer des Muteſſelim geſtürzt und kehrte nach einiger Zeit mit zwei Büchſen zurück, auf denen die Deckel fehlten. Die größere enthielt Tabak und die kleinere gebrannte Kaffeebohnen. Der Kommandant hatte dieſe notwendigen Sachen erſt nach Empfang unſeres Geldes holen laſſen können. Vor der Rückkehr ſeines Dieners trat der Agha aus dem Zimmer des Muteſſelim.
„Effendi, verziehe noch einen Augenblick! Du wirſt ſofort eintreten können!“
Da wandte ſich der am Fenſter ſtehende Kurde zu ihm:
„Und wann endlich werde ich eintreten dürfen?“
„Du wirſt noch heute vorgelaſſen.“
„Noch heute? Ich bin eher dageweſen als dieſer Effendi, und auch eher als alle dieſe andern. Meine Sache iſt notwendig, und ich muß noch heute wieder auf- brechen!“
Selim Agha rollte die Augen.
„Dieſe Effendis ſind ein Emir und ein Bey, du aber biſt nur ein Kurde. Du kommſt erſt nach ihnen!“
„Ich habe ein gleiches Recht wie ſie, denn ich bin der Abgeſandte eines tapfern Mannes, der auch ein Bey iſt!“
Das freimütige, furchtloſe Weſen dieſes Kurden gefiel
*) Gerichtsſchreiber.
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„Ja.“
„Ich bin der Baſch Kiatib *) des Kommandanten.
Er läßt dich bitten, einige Augenblicke zu warten.“
„Warum? Ich bin nicht gewohnt, zu warten, und
er hat gewußt, daß ich komme!“
„Er hat eine wichtige Abhaltung, die nicht lange
währen wird.“
Was dies für eine wichtige Abhaltung war, konnte
ich bald bemerken. Nämlich ein Diener kam äußerſt eil-
fertig aus dem Zimmer des Muteſſelim geſtürzt und
kehrte nach einiger Zeit mit zwei Büchſen zurück, auf
denen die Deckel fehlten. Die größere enthielt Tabak und
die kleinere gebrannte Kaffeebohnen. Der Kommandant
hatte dieſe notwendigen Sachen erſt nach Empfang unſeres
Geldes holen laſſen können. Vor der Rückkehr ſeines
Dieners trat der Agha aus dem Zimmer des Muteſſelim.
„Effendi, verziehe noch einen Augenblick! Du wirſt
ſofort eintreten können!“
Da wandte ſich der am Fenſter ſtehende Kurde zu
ihm:
„Und wann endlich werde ich eintreten dürfen?“
„Du wirſt noch heute vorgelaſſen.“
„Noch heute? Ich bin eher dageweſen als dieſer
Effendi, und auch eher als alle dieſe andern. Meine
Sache iſt notwendig, und ich muß noch heute wieder auf-
brechen!“
Selim Agha rollte die Augen.
„Dieſe Effendis ſind ein Emir und ein Bey, du aber
biſt nur ein Kurde. Du kommſt erſt nach ihnen!“
„Ich habe ein gleiches Recht wie ſie, denn ich bin
der Abgeſandte eines tapfern Mannes, der auch ein Bey iſt!“
Das freimütige, furchtloſe Weſen dieſes Kurden gefiel
*) Gerichtsſchreiber.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/196>, abgerufen am 29.11.2024.
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