Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

ungefähr hundert Mark. Hm, ich war ja durch das Geld,
welches ich bei dem Tiere von Abu-Seif gefunden hatte,
nicht ganz mittellos, und für unsern Zweck konnte das
Wohlwollen des Mutesselim von großem Vorteile sein.
Fünfhundert Piaster konnte ich allenfalls geben, und eben-
soviel rechnete ich auf Master Lindsay, der für ein Aben-
teuer sehr gern diese für ihn so geringfügige Summe ver-
ausgabte. Daher begab ich mich in die Stube des Eng-
länders, während der Agha auf mich warten mußte.

Sir David war grad mit dem Umkleiden beschäftigt.
Sein langes Angesicht strahlte vor Vergnügen.

"Master, wie sehe ich aus?" fragte er.

"Ganz Kurde!"

"Well; gut, sehr gut! Ausgezeichnet!"

"Aber wie wickeln Turban?"

"Gebt her das Zeug!"

Er hatte in seinem Leben noch kein Turbantuch in
der Hand gehabt. Ich setzte ihm die Mütze auf das strah-
lende Haupt und schlang ihm das rotschwarze Zeug kunst-
voll um dieselbe herum. So brachte ich einen jener rie-
sigen Turbane fertig, wie sie hierzulande von Würden-
trägern und vornehmen Männern getragen werden. Eine
solche Kopfbedeckung hat oft vier Fuß im Durchmesser.

"So, nun ist ein kurdischer Großkhan fertig!"

"Vortrefflich! Herrlich! Schönes Abenteuer! Amad
el Ghandur befreien! Alles bezahlen; sehr gut bezahlen!"

"Ist dies Euer Ernst, Sir?"

"Warum nicht Ernst?"

"Ich weiß allerdings, daß Ihr sehr wohlhabend seid
und das zur richtigen Zeit auch anzuwenden wißt -- -- --"

Er blickte mich schnell und forschend an und fragte
dann:

"Wollt Geld haben?"

II. 12

ungefähr hundert Mark. Hm, ich war ja durch das Geld,
welches ich bei dem Tiere von Abu-Seïf gefunden hatte,
nicht ganz mittellos, und für unſern Zweck konnte das
Wohlwollen des Muteſſelim von großem Vorteile ſein.
Fünfhundert Piaſter konnte ich allenfalls geben, und eben-
ſoviel rechnete ich auf Maſter Lindſay, der für ein Aben-
teuer ſehr gern dieſe für ihn ſo geringfügige Summe ver-
ausgabte. Daher begab ich mich in die Stube des Eng-
länders, während der Agha auf mich warten mußte.

Sir David war grad mit dem Umkleiden beſchäftigt.
Sein langes Angeſicht ſtrahlte vor Vergnügen.

„Maſter, wie ſehe ich aus?“ fragte er.

„Ganz Kurde!“

Well; gut, ſehr gut! Ausgezeichnet!“

„Aber wie wickeln Turban?“

„Gebt her das Zeug!“

Er hatte in ſeinem Leben noch kein Turbantuch in
der Hand gehabt. Ich ſetzte ihm die Mütze auf das ſtrah-
lende Haupt und ſchlang ihm das rotſchwarze Zeug kunſt-
voll um dieſelbe herum. So brachte ich einen jener rie-
ſigen Turbane fertig, wie ſie hierzulande von Würden-
trägern und vornehmen Männern getragen werden. Eine
ſolche Kopfbedeckung hat oft vier Fuß im Durchmeſſer.

„So, nun iſt ein kurdiſcher Großkhan fertig!“

„Vortrefflich! Herrlich! Schönes Abenteuer! Amad
el Ghandur befreien! Alles bezahlen; ſehr gut bezahlen!“

„Iſt dies Euer Ernſt, Sir?“

„Warum nicht Ernſt?“

„Ich weiß allerdings, daß Ihr ſehr wohlhabend ſeid
und das zur richtigen Zeit auch anzuwenden wißt — — —“

Er blickte mich ſchnell und forſchend an und fragte
dann:

„Wollt Geld haben?“

II. 12
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="177"/>
ungefähr hundert Mark. Hm, ich war ja durch das Geld,<lb/>
welches ich bei dem Tiere von Abu-Seïf gefunden hatte,<lb/>
nicht ganz mittellos, und für un&#x017F;ern Zweck konnte das<lb/>
Wohlwollen des Mute&#x017F;&#x017F;elim von großem Vorteile &#x017F;ein.<lb/>
Fünfhundert Pia&#x017F;ter konnte ich allenfalls geben, und eben-<lb/>
&#x017F;oviel rechnete ich auf Ma&#x017F;ter Lind&#x017F;ay, der für ein Aben-<lb/>
teuer &#x017F;ehr gern die&#x017F;e für ihn &#x017F;o geringfügige Summe ver-<lb/>
ausgabte. Daher begab ich mich in die Stube des Eng-<lb/>
länders, während der Agha auf mich warten mußte.</p><lb/>
        <p>Sir David war grad mit dem Umkleiden be&#x017F;chäftigt.<lb/>
Sein langes Ange&#x017F;icht &#x017F;trahlte vor Vergnügen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ma&#x017F;ter, wie &#x017F;ehe ich aus?&#x201C; fragte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ganz Kurde!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Well;</hi> gut, &#x017F;ehr gut! Ausgezeichnet!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber wie wickeln Turban?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gebt her das Zeug!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er hatte in &#x017F;einem Leben noch kein Turbantuch in<lb/>
der Hand gehabt. Ich &#x017F;etzte ihm die Mütze auf das &#x017F;trah-<lb/>
lende Haupt und &#x017F;chlang ihm das rot&#x017F;chwarze Zeug kun&#x017F;t-<lb/>
voll um die&#x017F;elbe herum. So brachte ich einen jener rie-<lb/>
&#x017F;igen Turbane fertig, wie &#x017F;ie hierzulande von Würden-<lb/>
trägern und vornehmen Männern getragen werden. Eine<lb/>
&#x017F;olche Kopfbedeckung hat oft vier Fuß im Durchme&#x017F;&#x017F;er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So, nun i&#x017F;t ein kurdi&#x017F;cher Großkhan fertig!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vortrefflich! Herrlich! Schönes Abenteuer! Amad<lb/>
el Ghandur befreien! Alles bezahlen; &#x017F;ehr gut bezahlen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t dies Euer Ern&#x017F;t, Sir?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum nicht Ern&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich weiß allerdings, daß Ihr &#x017F;ehr wohlhabend &#x017F;eid<lb/>
und das zur richtigen Zeit auch anzuwenden wißt &#x2014; &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er blickte mich &#x017F;chnell und for&#x017F;chend an und fragte<lb/>
dann:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wollt Geld haben?&#x201C;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">II. 12</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0191] ungefähr hundert Mark. Hm, ich war ja durch das Geld, welches ich bei dem Tiere von Abu-Seïf gefunden hatte, nicht ganz mittellos, und für unſern Zweck konnte das Wohlwollen des Muteſſelim von großem Vorteile ſein. Fünfhundert Piaſter konnte ich allenfalls geben, und eben- ſoviel rechnete ich auf Maſter Lindſay, der für ein Aben- teuer ſehr gern dieſe für ihn ſo geringfügige Summe ver- ausgabte. Daher begab ich mich in die Stube des Eng- länders, während der Agha auf mich warten mußte. Sir David war grad mit dem Umkleiden beſchäftigt. Sein langes Angeſicht ſtrahlte vor Vergnügen. „Maſter, wie ſehe ich aus?“ fragte er. „Ganz Kurde!“ „Well; gut, ſehr gut! Ausgezeichnet!“ „Aber wie wickeln Turban?“ „Gebt her das Zeug!“ Er hatte in ſeinem Leben noch kein Turbantuch in der Hand gehabt. Ich ſetzte ihm die Mütze auf das ſtrah- lende Haupt und ſchlang ihm das rotſchwarze Zeug kunſt- voll um dieſelbe herum. So brachte ich einen jener rie- ſigen Turbane fertig, wie ſie hierzulande von Würden- trägern und vornehmen Männern getragen werden. Eine ſolche Kopfbedeckung hat oft vier Fuß im Durchmeſſer. „So, nun iſt ein kurdiſcher Großkhan fertig!“ „Vortrefflich! Herrlich! Schönes Abenteuer! Amad el Ghandur befreien! Alles bezahlen; ſehr gut bezahlen!“ „Iſt dies Euer Ernſt, Sir?“ „Warum nicht Ernſt?“ „Ich weiß allerdings, daß Ihr ſehr wohlhabend ſeid und das zur richtigen Zeit auch anzuwenden wißt — — —“ Er blickte mich ſchnell und forſchend an und fragte dann: „Wollt Geld haben?“ II. 12

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/191
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/191>, abgerufen am 29.11.2024.