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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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nis zu besuchen und denen, welche dies erlauben, ein gutes
Bakschisch zu geben."

"Es schickt sich, Herr; es schickt sich sehr. Du wirst
vielleicht deine Gnade leuchten lassen auch über die Ge-
fangenen, daß sie mir einige Speisen und auch Tabak ab-
kaufen können, was sie sonst nicht haben!"

Nichts konnte mir lieber sein als die Erfahrung,
welche ich hier machte; aber ich war so vorsichtig, ein-
gehendere Fragen jetzt noch zu vermeiden, da ich durch
dieselben leicht hätte Verdacht erregen können. Halef, der
Buluk Emini und der Kurde aus Spandareh wurden ge-
rufen, uns zu begleiten; dann gingen wir.

Die Bazars waren wie ausgestorben. Kaum daß wir
eine Kaffeeschänke fanden, wo uns ein Trank gereicht
wurde, der mir sehr nach gebrannten Gerstenkörnern
schmeckte. Dort erfuhren wir auch, was die Ursache der
jetzigen Leblosigkeit in Amadijah war. Trotz der hohen
und freien Berge dieser Stadt ist sie nämlich außerordent-
lich ungesund, so daß sich bei Anbruch der wärmeren
Jahreszeit schleichende Fieber erzeugen. Dann verlassen
die Einwohner den Ort und begeben sich in die benach-
barten Wälder, um dort in Sommerwohnungen zu leben,
welche Jilaks genannt werden.

Nachdem wir den mysteriösen Trank überwunden und
uns die Pfeifen neu gestopft hatten, begaben wir uns auf
den Kleiderhandel. Der Kaffeewirt hatte uns einen Ort
beschrieben, an dem wir das Gesuchte finden konnten. Der
Handel wurde unter der schweigsamen Assistenz des Eng-
länders und zu seiner sichtbaren Befriedigung abgeschlossen.
Er erhielt ein vollständiges, rot und schwarz karriertes
Gewand für einen verhältnismäßig billigen Preis. Dann
wurden auch die übrigen Einkäufe besorgt und die Diener
mit denselben nach Hause geschickt. Der Kurde erhielt

nis zu beſuchen und denen, welche dies erlauben, ein gutes
Bakſchiſch zu geben.“

„Es ſchickt ſich, Herr; es ſchickt ſich ſehr. Du wirſt
vielleicht deine Gnade leuchten laſſen auch über die Ge-
fangenen, daß ſie mir einige Speiſen und auch Tabak ab-
kaufen können, was ſie ſonſt nicht haben!“

Nichts konnte mir lieber ſein als die Erfahrung,
welche ich hier machte; aber ich war ſo vorſichtig, ein-
gehendere Fragen jetzt noch zu vermeiden, da ich durch
dieſelben leicht hätte Verdacht erregen können. Halef, der
Buluk Emini und der Kurde aus Spandareh wurden ge-
rufen, uns zu begleiten; dann gingen wir.

Die Bazars waren wie ausgeſtorben. Kaum daß wir
eine Kaffeeſchänke fanden, wo uns ein Trank gereicht
wurde, der mir ſehr nach gebrannten Gerſtenkörnern
ſchmeckte. Dort erfuhren wir auch, was die Urſache der
jetzigen Lebloſigkeit in Amadijah war. Trotz der hohen
und freien Berge dieſer Stadt iſt ſie nämlich außerordent-
lich ungeſund, ſo daß ſich bei Anbruch der wärmeren
Jahreszeit ſchleichende Fieber erzeugen. Dann verlaſſen
die Einwohner den Ort und begeben ſich in die benach-
barten Wälder, um dort in Sommerwohnungen zu leben,
welche Jilaks genannt werden.

Nachdem wir den myſteriöſen Trank überwunden und
uns die Pfeifen neu geſtopft hatten, begaben wir uns auf
den Kleiderhandel. Der Kaffeewirt hatte uns einen Ort
beſchrieben, an dem wir das Geſuchte finden konnten. Der
Handel wurde unter der ſchweigſamen Aſſiſtenz des Eng-
länders und zu ſeiner ſichtbaren Befriedigung abgeſchloſſen.
Er erhielt ein vollſtändiges, rot und ſchwarz karriertes
Gewand für einen verhältnismäßig billigen Preis. Dann
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[174/0188] nis zu beſuchen und denen, welche dies erlauben, ein gutes Bakſchiſch zu geben.“ „Es ſchickt ſich, Herr; es ſchickt ſich ſehr. Du wirſt vielleicht deine Gnade leuchten laſſen auch über die Ge- fangenen, daß ſie mir einige Speiſen und auch Tabak ab- kaufen können, was ſie ſonſt nicht haben!“ Nichts konnte mir lieber ſein als die Erfahrung, welche ich hier machte; aber ich war ſo vorſichtig, ein- gehendere Fragen jetzt noch zu vermeiden, da ich durch dieſelben leicht hätte Verdacht erregen können. Halef, der Buluk Emini und der Kurde aus Spandareh wurden ge- rufen, uns zu begleiten; dann gingen wir. Die Bazars waren wie ausgeſtorben. Kaum daß wir eine Kaffeeſchänke fanden, wo uns ein Trank gereicht wurde, der mir ſehr nach gebrannten Gerſtenkörnern ſchmeckte. Dort erfuhren wir auch, was die Urſache der jetzigen Lebloſigkeit in Amadijah war. Trotz der hohen und freien Berge dieſer Stadt iſt ſie nämlich außerordent- lich ungeſund, ſo daß ſich bei Anbruch der wärmeren Jahreszeit ſchleichende Fieber erzeugen. Dann verlaſſen die Einwohner den Ort und begeben ſich in die benach- barten Wälder, um dort in Sommerwohnungen zu leben, welche Jilaks genannt werden. Nachdem wir den myſteriöſen Trank überwunden und uns die Pfeifen neu geſtopft hatten, begaben wir uns auf den Kleiderhandel. Der Kaffeewirt hatte uns einen Ort beſchrieben, an dem wir das Geſuchte finden konnten. Der Handel wurde unter der ſchweigſamen Aſſiſtenz des Eng- länders und zu ſeiner ſichtbaren Befriedigung abgeſchloſſen. Er erhielt ein vollſtändiges, rot und ſchwarz karriertes Gewand für einen verhältnismäßig billigen Preis. Dann wurden auch die übrigen Einkäufe beſorgt und die Diener mit denſelben nach Hauſe geſchickt. Der Kurde erhielt

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/188>, abgerufen am 29.11.2024.