Namens Bebadi; es sah sehr ärmlich aus und hatte ne- storianische Bewohner, wie ich zu bemerken glaubte. Wir machten da eine kurze Rast und hatten Mühe zu unserm Proviant einen Schluck Scherbet zu erhalten.
Nun hatten wir den kegelförmigen Berg vor uns, auf welchem Amadijah liegt. Wir erreichten es sehr bald. Zur Rechten und zur Linken des Weges, der uns empor- führte, bemerkten wir Fruchtgärten, die eine leidliche Pflege zu genießen schienen; der Ort selbst aber machte schon von außen keinen sehr imponierenden Eindruck auf uns. Wir ritten durch ein Thor, das jedenfalls ein- mal ganz verfallen und dann nur notdürftig ausgebessert worden war. Einige zerlumpte Arnauten standen da, um Sorge zu tragen, daß kein Feind die Stadt überfalle. Einer von ihnen ergriff mein Pferd, und ein anderer das des Haddedihn beim Zügel.
"Halt! Wer seid ihr?" fragte er mich.
Ich deutete auf den Buluk Emini.
"Siehst du nicht, daß wir einen Soldaten des Groß- herrn bei uns haben? Er wird dir Antwort geben."
"Ich habe dich gefragt, aber nicht ihn!"
"Fort, auf die Seite!"
Bei diesen Worten nahm ich mein Pferd in die Höhe; es that einen Sprung, und der Mann fiel auf die Erde. Mohammed folgte meinem Beispiele, und wir ritten da- von. Hinter uns aber hörten wir die Arnauten fluchen und den Baschi-Bozuk sich mit ihnen zanken. Ein Mann begegnete uns, der einen langen Kaftan trug und ein altes Tuch um den Kopf geschlungen hatte.
"Wer bist du, Mann?" fragte ich ihn.
"Herr, ich bin ein Jehudi *). Was befiehlst du mir?"
"Weißt du, wo der Mutesselim **) wohnt?"
*) Jude.
**) Kommandant.
Namens Bebadi; es ſah ſehr ärmlich aus und hatte ne- ſtorianiſche Bewohner, wie ich zu bemerken glaubte. Wir machten da eine kurze Raſt und hatten Mühe zu unſerm Proviant einen Schluck Scherbet zu erhalten.
Nun hatten wir den kegelförmigen Berg vor uns, auf welchem Amadijah liegt. Wir erreichten es ſehr bald. Zur Rechten und zur Linken des Weges, der uns empor- führte, bemerkten wir Fruchtgärten, die eine leidliche Pflege zu genießen ſchienen; der Ort ſelbſt aber machte ſchon von außen keinen ſehr imponierenden Eindruck auf uns. Wir ritten durch ein Thor, das jedenfalls ein- mal ganz verfallen und dann nur notdürftig ausgebeſſert worden war. Einige zerlumpte Arnauten ſtanden da, um Sorge zu tragen, daß kein Feind die Stadt überfalle. Einer von ihnen ergriff mein Pferd, und ein anderer das des Haddedihn beim Zügel.
„Halt! Wer ſeid ihr?“ fragte er mich.
Ich deutete auf den Buluk Emini.
„Siehſt du nicht, daß wir einen Soldaten des Groß- herrn bei uns haben? Er wird dir Antwort geben.“
„Ich habe dich gefragt, aber nicht ihn!“
„Fort, auf die Seite!“
Bei dieſen Worten nahm ich mein Pferd in die Höhe; es that einen Sprung, und der Mann fiel auf die Erde. Mohammed folgte meinem Beiſpiele, und wir ritten da- von. Hinter uns aber hörten wir die Arnauten fluchen und den Baſchi-Bozuk ſich mit ihnen zanken. Ein Mann begegnete uns, der einen langen Kaftan trug und ein altes Tuch um den Kopf geſchlungen hatte.
„Wer biſt du, Mann?“ fragte ich ihn.
„Herr, ich bin ein Jehudi *). Was befiehlſt du mir?“
„Weißt du, wo der Muteſſelim **) wohnt?“
*) Jude.
**) Kommandant.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0170"n="156"/>
Namens Bebadi; es ſah ſehr ärmlich aus und hatte ne-<lb/>ſtorianiſche Bewohner, wie ich zu bemerken glaubte. Wir<lb/>
machten da eine kurze Raſt und hatten Mühe zu unſerm<lb/>
Proviant einen Schluck Scherbet zu erhalten.</p><lb/><p>Nun hatten wir den kegelförmigen Berg vor uns,<lb/>
auf welchem Amadijah liegt. Wir erreichten es ſehr bald.<lb/>
Zur Rechten und zur Linken des Weges, der uns empor-<lb/>
führte, bemerkten wir Fruchtgärten, die eine leidliche<lb/>
Pflege zu genießen ſchienen; der Ort ſelbſt aber machte<lb/>ſchon von außen keinen ſehr imponierenden Eindruck auf<lb/>
uns. Wir ritten durch ein Thor, das jedenfalls ein-<lb/>
mal ganz verfallen und dann nur notdürftig ausgebeſſert<lb/>
worden war. Einige zerlumpte Arnauten ſtanden da, um<lb/>
Sorge zu tragen, daß kein Feind die Stadt überfalle.<lb/>
Einer von ihnen ergriff mein Pferd, und ein anderer<lb/>
das des Haddedihn beim Zügel.</p><lb/><p>„Halt! Wer ſeid ihr?“ fragte er mich.</p><lb/><p>Ich deutete auf den Buluk Emini.</p><lb/><p>„Siehſt du nicht, daß wir einen Soldaten des Groß-<lb/>
herrn bei uns haben? Er wird dir Antwort geben.“</p><lb/><p>„Ich habe dich gefragt, aber nicht ihn!“</p><lb/><p>„Fort, auf die Seite!“</p><lb/><p>Bei dieſen Worten nahm ich mein Pferd in die Höhe;<lb/>
es that einen Sprung, und der Mann fiel auf die Erde.<lb/>
Mohammed folgte meinem Beiſpiele, und wir ritten da-<lb/>
von. Hinter uns aber hörten wir die Arnauten fluchen<lb/>
und den Baſchi-Bozuk ſich mit ihnen zanken. Ein Mann<lb/>
begegnete uns, der einen langen Kaftan trug und ein altes<lb/>
Tuch um den Kopf geſchlungen hatte.</p><lb/><p>„Wer biſt du, Mann?“ fragte ich ihn.</p><lb/><p>„Herr, ich bin ein Jehudi <noteplace="foot"n="*)">Jude.</note>. Was befiehlſt du mir?“</p><lb/><p>„Weißt du, wo der Muteſſelim <noteplace="foot"n="**)">Kommandant.</note> wohnt?“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[156/0170]
Namens Bebadi; es ſah ſehr ärmlich aus und hatte ne-
ſtorianiſche Bewohner, wie ich zu bemerken glaubte. Wir
machten da eine kurze Raſt und hatten Mühe zu unſerm
Proviant einen Schluck Scherbet zu erhalten.
Nun hatten wir den kegelförmigen Berg vor uns,
auf welchem Amadijah liegt. Wir erreichten es ſehr bald.
Zur Rechten und zur Linken des Weges, der uns empor-
führte, bemerkten wir Fruchtgärten, die eine leidliche
Pflege zu genießen ſchienen; der Ort ſelbſt aber machte
ſchon von außen keinen ſehr imponierenden Eindruck auf
uns. Wir ritten durch ein Thor, das jedenfalls ein-
mal ganz verfallen und dann nur notdürftig ausgebeſſert
worden war. Einige zerlumpte Arnauten ſtanden da, um
Sorge zu tragen, daß kein Feind die Stadt überfalle.
Einer von ihnen ergriff mein Pferd, und ein anderer
das des Haddedihn beim Zügel.
„Halt! Wer ſeid ihr?“ fragte er mich.
Ich deutete auf den Buluk Emini.
„Siehſt du nicht, daß wir einen Soldaten des Groß-
herrn bei uns haben? Er wird dir Antwort geben.“
„Ich habe dich gefragt, aber nicht ihn!“
„Fort, auf die Seite!“
Bei dieſen Worten nahm ich mein Pferd in die Höhe;
es that einen Sprung, und der Mann fiel auf die Erde.
Mohammed folgte meinem Beiſpiele, und wir ritten da-
von. Hinter uns aber hörten wir die Arnauten fluchen
und den Baſchi-Bozuk ſich mit ihnen zanken. Ein Mann
begegnete uns, der einen langen Kaftan trug und ein altes
Tuch um den Kopf geſchlungen hatte.
„Wer biſt du, Mann?“ fragte ich ihn.
„Herr, ich bin ein Jehudi *). Was befiehlſt du mir?“
„Weißt du, wo der Muteſſelim **) wohnt?“
*) Jude.
**) Kommandant.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/170>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.