Bei dem letzten Worte blickte er auf das Windspiel, welches neben meinem Pferde hertrabte; ich war so vor- sichtig gewesen, es mittels einer Leine an meinen Steig- bügel zu binden. Uebrigens hatte der Hund bereits Freundschaft mit meinem Pferde geschlossen und schien es genau zu wissen, daß ich sein Herr geworden sei. Er blickte mit seinen großen, klugen Augen sehr aufmerksam zu mir empor.
"Ja," antwortete ich. "Alles war schön, besonders das Essen."
"Excellent! Sogar Taube und Beefsteaks!"
"Hm! Glaubt Ihr wirklich an die Taube?"
"Well! Warum nicht?"
"Weil es keine war."
"Nicht? Keine Taube. War welche!"
"War keine!"
"Was sonst?"
"Es war das Tier, das von den Zoologen den la- teinischen Namen Vespertilio murinus oder myotis er- halten hat."
"Bin kein Zoolog. Auch nicht Latein!"
"Diese Taube heißt gewöhnlich Fledermaus."
"Fleder -- -- --"
Er hielt inne. Seine Geschmacks- und Verdauungs- nerven wurden beim Klange dieses Wortes in eine An- strengung versetzt, durch welche sein Mund in eine tra- pezoide und perennierende Höhlenöffnung verwandelt wurde, in welcher man die schönste Entdeckungsreise vornehmen konnte. Sogar die lange Nase schien in Mitleidenschaft gezogen zu sein, denn ihre Spitze bekam jene weiße Fär-
Bei dem letzten Worte blickte er auf das Windſpiel, welches neben meinem Pferde hertrabte; ich war ſo vor- ſichtig geweſen, es mittels einer Leine an meinen Steig- bügel zu binden. Uebrigens hatte der Hund bereits Freundſchaft mit meinem Pferde geſchloſſen und ſchien es genau zu wiſſen, daß ich ſein Herr geworden ſei. Er blickte mit ſeinen großen, klugen Augen ſehr aufmerkſam zu mir empor.
„Ja,“ antwortete ich. „Alles war ſchön, beſonders das Eſſen.“
„Excellent! Sogar Taube und Beefſteaks!“
„Hm! Glaubt Ihr wirklich an die Taube?“
„Well! Warum nicht?“
„Weil es keine war.“
„Nicht? Keine Taube. War welche!“
„War keine!“
„Was ſonſt?“
„Es war das Tier, das von den Zoologen den la- teiniſchen Namen Vespertilio murinus oder myotis er- halten hat.“
„Bin kein Zoolog. Auch nicht Latein!“
„Dieſe Taube heißt gewöhnlich Fledermaus.“
„Fleder — — —“
Er hielt inne. Seine Geſchmacks- und Verdauungs- nerven wurden beim Klange dieſes Wortes in eine An- ſtrengung verſetzt, durch welche ſein Mund in eine tra- pezoïde und perennierende Höhlenöffnung verwandelt wurde, in welcher man die ſchönſte Entdeckungsreiſe vornehmen konnte. Sogar die lange Naſe ſchien in Mitleidenſchaft gezogen zu ſein, denn ihre Spitze bekam jene weiße Fär-
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„Sehr. Und Euch, Sir?“
„Prächtig! Guter Wirt, gute Wirtin, feines Eſſen,
ſchöner Tanz, prachtvoller Hund!“
Bei dem letzten Worte blickte er auf das Windſpiel,
welches neben meinem Pferde hertrabte; ich war ſo vor-
ſichtig geweſen, es mittels einer Leine an meinen Steig-
bügel zu binden. Uebrigens hatte der Hund bereits
Freundſchaft mit meinem Pferde geſchloſſen und ſchien es
genau zu wiſſen, daß ich ſein Herr geworden ſei. Er
blickte mit ſeinen großen, klugen Augen ſehr aufmerkſam
zu mir empor.
„Ja,“ antwortete ich. „Alles war ſchön, beſonders
das Eſſen.“
„Excellent! Sogar Taube und Beefſteaks!“
„Hm! Glaubt Ihr wirklich an die Taube?“
„Well! Warum nicht?“
„Weil es keine war.“
„Nicht? Keine Taube. War welche!“
„War keine!“
„Was ſonſt?“
„Es war das Tier, das von den Zoologen den la-
teiniſchen Namen Vespertilio murinus oder myotis er-
halten hat.“
„Bin kein Zoolog. Auch nicht Latein!“
„Dieſe Taube heißt gewöhnlich Fledermaus.“
„Fleder — — —“
Er hielt inne. Seine Geſchmacks- und Verdauungs-
nerven wurden beim Klange dieſes Wortes in eine An-
ſtrengung verſetzt, durch welche ſein Mund in eine tra-
pezoïde und perennierende Höhlenöffnung verwandelt wurde,
in welcher man die ſchönſte Entdeckungsreiſe vornehmen
konnte. Sogar die lange Naſe ſchien in Mitleidenſchaft
gezogen zu ſein, denn ihre Spitze bekam jene weiße Fär-
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/163>, abgerufen am 26.11.2024.
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