"Keine! Nämlich nur dann, wenn wir beobachtet sind. Befinden wir uns aber allein, so könnt Ihr reden nach Herzenslust."
"Ist gut! Nicht ganz übel! Werde Gelübde thun! Wann geht es an?"
"Sofort, nachdem wir Spandareh verlassen haben."
"Well! Einverstanden!"
Nach dem Morgenkaffee erhielten wir noch allerhand Proviant eingepackt; dann stiegen wir zu Pferde. Wir hatten Abschied von allen Mitgliedern des Hauses, außer dem Hausherrn selbst, genommen und sagten auch den andern, die sich versammelt hatten, lebewohl. Der Vor- steher hatte satteln lassen, um uns eine Strecke Weges zu begleiten.
Hinter Spandareh gab es einen sehr beschwerlichen, kaum reitbaren Weg, der uns zu den Tura-Ghara- Bergen emporführte. Es gehörten fast die Füße von Gemsen dazu, diesen Felsenpfad zu überwinden, aber wir langten glücklich auf der Höhe an. Hier hielt der Vor- steher sein Pferd an, nahm aus der Satteltasche ein Paket und sagte:
"Nimm dies und gieb es dem Manne meiner Tochter, wenn du nach Gumri kommen solltest. Ich habe ihr ein persisches Tuch und ihrem Manne für seine Mehin *) einen Dizgin **) versprochen, wie ihn die Kurden von Pir Mani führen. Wenn du ihnen diese Sachen bringst, so wissen sie, daß du mein Freund und Bruder bist, und werden dich so aufnehmen, als ob ich es selber wäre. Aber ich wünsche um deinetwillen dennoch, daß du wieder zu mir zurückkehren mögest."
*) Stute.
**) Zügel, Zaum.
„Kein einziges!“
„Keine Silbe?“
„Keine! Nämlich nur dann, wenn wir beobachtet ſind. Befinden wir uns aber allein, ſo könnt Ihr reden nach Herzensluſt.“
„Iſt gut! Nicht ganz übel! Werde Gelübde thun! Wann geht es an?“
„Sofort, nachdem wir Spandareh verlaſſen haben.“
„Well! Einverſtanden!“
Nach dem Morgenkaffee erhielten wir noch allerhand Proviant eingepackt; dann ſtiegen wir zu Pferde. Wir hatten Abſchied von allen Mitgliedern des Hauſes, außer dem Hausherrn ſelbſt, genommen und ſagten auch den andern, die ſich verſammelt hatten, lebewohl. Der Vor- ſteher hatte ſatteln laſſen, um uns eine Strecke Weges zu begleiten.
Hinter Spandareh gab es einen ſehr beſchwerlichen, kaum reitbaren Weg, der uns zu den Tura-Ghara- Bergen emporführte. Es gehörten faſt die Füße von Gemſen dazu, dieſen Felſenpfad zu überwinden, aber wir langten glücklich auf der Höhe an. Hier hielt der Vor- ſteher ſein Pferd an, nahm aus der Satteltaſche ein Paket und ſagte:
„Nimm dies und gieb es dem Manne meiner Tochter, wenn du nach Gumri kommen ſollteſt. Ich habe ihr ein perſiſches Tuch und ihrem Manne für ſeine Mehin *) einen Dizgin **) verſprochen, wie ihn die Kurden von Pir Mani führen. Wenn du ihnen dieſe Sachen bringſt, ſo wiſſen ſie, daß du mein Freund und Bruder biſt, und werden dich ſo aufnehmen, als ob ich es ſelber wäre. Aber ich wünſche um deinetwillen dennoch, daß du wieder zu mir zurückkehren mögeſt.“
*) Stute.
**) Zügel, Zaum.
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„Kein einziges!“
„Keine Silbe?“
„Keine! Nämlich nur dann, wenn wir beobachtet
ſind. Befinden wir uns aber allein, ſo könnt Ihr reden
nach Herzensluſt.“
„Iſt gut! Nicht ganz übel! Werde Gelübde thun!
Wann geht es an?“
„Sofort, nachdem wir Spandareh verlaſſen haben.“
„Well! Einverſtanden!“
Nach dem Morgenkaffee erhielten wir noch allerhand
Proviant eingepackt; dann ſtiegen wir zu Pferde. Wir
hatten Abſchied von allen Mitgliedern des Hauſes, außer
dem Hausherrn ſelbſt, genommen und ſagten auch den
andern, die ſich verſammelt hatten, lebewohl. Der Vor-
ſteher hatte ſatteln laſſen, um uns eine Strecke Weges zu
begleiten.
Hinter Spandareh gab es einen ſehr beſchwerlichen,
kaum reitbaren Weg, der uns zu den Tura-Ghara-
Bergen emporführte. Es gehörten faſt die Füße von
Gemſen dazu, dieſen Felſenpfad zu überwinden, aber wir
langten glücklich auf der Höhe an. Hier hielt der Vor-
ſteher ſein Pferd an, nahm aus der Satteltaſche ein Paket
und ſagte:
„Nimm dies und gieb es dem Manne meiner Tochter,
wenn du nach Gumri kommen ſollteſt. Ich habe ihr ein
perſiſches Tuch und ihrem Manne für ſeine Mehin *) einen
Dizgin **) verſprochen, wie ihn die Kurden von Pir Mani
führen. Wenn du ihnen dieſe Sachen bringſt, ſo wiſſen
ſie, daß du mein Freund und Bruder biſt, und werden
dich ſo aufnehmen, als ob ich es ſelber wäre. Aber ich
wünſche um deinetwillen dennoch, daß du wieder zu mir
zurückkehren mögeſt.“
*) Stute.
**) Zügel, Zaum.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/160>, abgerufen am 26.11.2024.
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