"Weil ich der Tochter des Ortsvorstehers das Arm- band geschenkt habe."
"Schrecklicher Kerl! Kolossales Glück! Erst Pferd von Mohammed Emin, gar nichts zu bezahlen, und nun auch Windhund! Ich Pech dagegen. Nicht einen einzigen Fowling-bull gefunden. Schauderhaft!"
Auch Mohammed bewunderte den Hund, und ich glaube gern, daß er ein klein wenig eifersüchtig auf mich war. Ich muß gestehen, ich hatte Glück. Kurz bevor ich mich zur Ruhe begab, ging ich noch einmal zu den Pferden. Der Vorsteher traf mich dort.
"Emir," fragte er halblaut, "darf ich eine Frage aus- sprechen?"
"Sprich!"
"Du willst nach Amadijah?"
"Ja."
"Und noch weiter?"
"Das weiß ich noch nicht."
"Es ist ein Geheimnis dabei?"
"Das vermutest du?"
"Ich vermute es."
"Warum?"
"Du hast einen Araber bei dir, der nicht vorsichtig ist. Er schlug den Aermel seines Gewandes zurück, und dabei habe ich die Tättowirung seines Armes gesehen. Er ist ein Feind der Kurden und auch ein Feind des Mu- tessarif; er ist ein Haddedihn. Habe ich richtig gesehen?"
"Er ist ein Feind des Mutessarif, aber nicht ein Feind der Kurden," antwortete ich.
Dieser Mann war ehrlich; ich konnte ihn nicht be- lügen. Es war jedenfalls besser, ihm zu vertrauen, als ihm eine Unwahrheit zu sagen, die er doch nicht geglaubt hätte.
„Warum?“
„Weil ich der Tochter des Ortsvorſtehers das Arm- band geſchenkt habe.“
„Schrecklicher Kerl! Koloſſales Glück! Erſt Pferd von Mohammed Emin, gar nichts zu bezahlen, und nun auch Windhund! Ich Pech dagegen. Nicht einen einzigen Fowling-bull gefunden. Schauderhaft!“
Auch Mohammed bewunderte den Hund, und ich glaube gern, daß er ein klein wenig eiferſüchtig auf mich war. Ich muß geſtehen, ich hatte Glück. Kurz bevor ich mich zur Ruhe begab, ging ich noch einmal zu den Pferden. Der Vorſteher traf mich dort.
„Emir,“ fragte er halblaut, „darf ich eine Frage aus- ſprechen?“
„Sprich!“
„Du willſt nach Amadijah?“
„Ja.“
„Und noch weiter?“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Es iſt ein Geheimnis dabei?“
„Das vermuteſt du?“
„Ich vermute es.“
„Warum?“
„Du haſt einen Araber bei dir, der nicht vorſichtig iſt. Er ſchlug den Aermel ſeines Gewandes zurück, und dabei habe ich die Tättowirung ſeines Armes geſehen. Er iſt ein Feind der Kurden und auch ein Feind des Mu- teſſarif; er iſt ein Haddedihn. Habe ich richtig geſehen?“
„Er iſt ein Feind des Muteſſarif, aber nicht ein Feind der Kurden,“ antwortete ich.
Dieſer Mann war ehrlich; ich konnte ihn nicht be- lügen. Es war jedenfalls beſſer, ihm zu vertrauen, als ihm eine Unwahrheit zu ſagen, die er doch nicht geglaubt hätte.
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„Warum?“
„Weil ich der Tochter des Ortsvorſtehers das Arm-
band geſchenkt habe.“
„Schrecklicher Kerl! Koloſſales Glück! Erſt Pferd
von Mohammed Emin, gar nichts zu bezahlen, und nun
auch Windhund! Ich Pech dagegen. Nicht einen einzigen
Fowling-bull gefunden. Schauderhaft!“
Auch Mohammed bewunderte den Hund, und ich
glaube gern, daß er ein klein wenig eiferſüchtig auf mich war.
Ich muß geſtehen, ich hatte Glück. Kurz bevor ich mich
zur Ruhe begab, ging ich noch einmal zu den Pferden.
Der Vorſteher traf mich dort.
„Emir,“ fragte er halblaut, „darf ich eine Frage aus-
ſprechen?“
„Sprich!“
„Du willſt nach Amadijah?“
„Ja.“
„Und noch weiter?“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Es iſt ein Geheimnis dabei?“
„Das vermuteſt du?“
„Ich vermute es.“
„Warum?“
„Du haſt einen Araber bei dir, der nicht vorſichtig
iſt. Er ſchlug den Aermel ſeines Gewandes zurück, und
dabei habe ich die Tättowirung ſeines Armes geſehen. Er
iſt ein Feind der Kurden und auch ein Feind des Mu-
teſſarif; er iſt ein Haddedihn. Habe ich richtig geſehen?“
„Er iſt ein Feind des Muteſſarif, aber nicht ein
Feind der Kurden,“ antwortete ich.
Dieſer Mann war ehrlich; ich konnte ihn nicht be-
lügen. Es war jedenfalls beſſer, ihm zu vertrauen, als ihm
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/156>, abgerufen am 26.11.2024.
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