Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

kein Szrbin *) und kein Turcschin? Obictz-i dschawo-wraga
-- fahre zum Teufel!"

Er erhob blitzschnell die Pistole und drückte los.
Hätte ich nicht das Auge fest auf die Mündung der
Waffe gehalten, so wäre mir die Kugel in den Kopf ge-
gangen; so aber fuhr ich mit dem Kopf rasch zur Seite
nieder, und die Kugel ging über mich hinweg. Ehe er
den zweiten Lauf abfeuern konnte, hatte ich ihn unter-
laufen und preßte ihm die Arme an den Leib.

"Soll ich ihn erschießen, Sihdi?" fragte Halef.

"Nein. Bindet ihn!"

Um seine Arme nach hinten zu bekommen, mußte ich
sie einen Augenblick freigeben. Das benutzte er, riß sich
los und sprang davon. Im nächsten Augenblicke war
er zwischen den Bäumen, welche die Häuser trennten, ver-
schwunden. Alle Anwesenden eilten ihm nach, aber sie
kehrten bald wieder zurück, ohne ihn gesehen zu haben.

Der Schuß hatte auch die andern herbeigelockt.

"Wer hat geschossen, Sir?" fragte Lindsay.

"Euer Khawaß."

"Auf wen?"

"Auf mich."

"Ah! Fürchterlich! Weshalb?"

"Aus Rache."

"Ist richtiger Arnaut! Hat getroffen?"

"Nein."

"Ihn erschießen, Sir; sofort!"

"Er ist entflohen."

"Well; laufen lassen! Kein Schade!"

Damit hatte er allerdings sehr recht. Der Arnaute hatte
mich nicht getroffen, warum also blutdürstig sein? Zurück

*) Serbe.

kein Szrbin *) und kein Turcſchin? Obictz-i dſchawo-wraga
— fahre zum Teufel!“

Er erhob blitzſchnell die Piſtole und drückte los.
Hätte ich nicht das Auge feſt auf die Mündung der
Waffe gehalten, ſo wäre mir die Kugel in den Kopf ge-
gangen; ſo aber fuhr ich mit dem Kopf raſch zur Seite
nieder, und die Kugel ging über mich hinweg. Ehe er
den zweiten Lauf abfeuern konnte, hatte ich ihn unter-
laufen und preßte ihm die Arme an den Leib.

„Soll ich ihn erſchießen, Sihdi?“ fragte Halef.

„Nein. Bindet ihn!“

Um ſeine Arme nach hinten zu bekommen, mußte ich
ſie einen Augenblick freigeben. Das benutzte er, riß ſich
los und ſprang davon. Im nächſten Augenblicke war
er zwiſchen den Bäumen, welche die Häuſer trennten, ver-
ſchwunden. Alle Anweſenden eilten ihm nach, aber ſie
kehrten bald wieder zurück, ohne ihn geſehen zu haben.

Der Schuß hatte auch die andern herbeigelockt.

„Wer hat geſchoſſen, Sir?“ fragte Lindſay.

„Euer Khawaß.“

„Auf wen?“

„Auf mich.“

„Ah! Fürchterlich! Weshalb?“

„Aus Rache.“

„Iſt richtiger Arnaut! Hat getroffen?“

„Nein.“

„Ihn erſchießen, Sir; ſofort!“

„Er iſt entflohen.“

Well; laufen laſſen! Kein Schade!“

Damit hatte er allerdings ſehr recht. Der Arnaute hatte
mich nicht getroffen, warum alſo blutdürſtig ſein? Zurück

*) Serbe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0150" n="136"/>
kein Szrbin <note place="foot" n="*)">Serbe.</note> und kein Turc&#x017F;chin? Obictz-i d&#x017F;chawo-wraga<lb/>
&#x2014; fahre zum Teufel!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er erhob blitz&#x017F;chnell die Pi&#x017F;tole und drückte los.<lb/>
Hätte ich nicht das Auge fe&#x017F;t auf die Mündung der<lb/>
Waffe gehalten, &#x017F;o wäre mir die Kugel in den Kopf ge-<lb/>
gangen; &#x017F;o aber fuhr ich mit dem Kopf ra&#x017F;ch zur Seite<lb/>
nieder, und die Kugel ging über mich hinweg. Ehe er<lb/>
den zweiten Lauf abfeuern konnte, hatte ich ihn unter-<lb/>
laufen und preßte ihm die Arme an den Leib.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Soll ich ihn er&#x017F;chießen, Sihdi?&#x201C; fragte Halef.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein. Bindet ihn!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Um &#x017F;eine Arme nach hinten zu bekommen, mußte ich<lb/>
&#x017F;ie einen Augenblick freigeben. Das benutzte er, riß &#x017F;ich<lb/>
los und &#x017F;prang davon. Im näch&#x017F;ten Augenblicke war<lb/>
er zwi&#x017F;chen den Bäumen, welche die Häu&#x017F;er trennten, ver-<lb/>
&#x017F;chwunden. Alle Anwe&#x017F;enden eilten ihm nach, aber &#x017F;ie<lb/>
kehrten bald wieder zurück, ohne ihn ge&#x017F;ehen zu haben.</p><lb/>
        <p>Der Schuß hatte auch die andern herbeigelockt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer hat ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, Sir?&#x201C; fragte Lind&#x017F;ay.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Euer Khawaß.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auf wen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auf mich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ah! Fürchterlich! Weshalb?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aus Rache.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t richtiger Arnaut! Hat getroffen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihn er&#x017F;chießen, Sir; &#x017F;ofort!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er i&#x017F;t entflohen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Well;</hi> laufen la&#x017F;&#x017F;en! Kein Schade!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Damit hatte er allerdings &#x017F;ehr recht. Der Arnaute hatte<lb/>
mich nicht getroffen, warum al&#x017F;o blutdür&#x017F;tig &#x017F;ein? Zurück<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0150] kein Szrbin *) und kein Turcſchin? Obictz-i dſchawo-wraga — fahre zum Teufel!“ Er erhob blitzſchnell die Piſtole und drückte los. Hätte ich nicht das Auge feſt auf die Mündung der Waffe gehalten, ſo wäre mir die Kugel in den Kopf ge- gangen; ſo aber fuhr ich mit dem Kopf raſch zur Seite nieder, und die Kugel ging über mich hinweg. Ehe er den zweiten Lauf abfeuern konnte, hatte ich ihn unter- laufen und preßte ihm die Arme an den Leib. „Soll ich ihn erſchießen, Sihdi?“ fragte Halef. „Nein. Bindet ihn!“ Um ſeine Arme nach hinten zu bekommen, mußte ich ſie einen Augenblick freigeben. Das benutzte er, riß ſich los und ſprang davon. Im nächſten Augenblicke war er zwiſchen den Bäumen, welche die Häuſer trennten, ver- ſchwunden. Alle Anweſenden eilten ihm nach, aber ſie kehrten bald wieder zurück, ohne ihn geſehen zu haben. Der Schuß hatte auch die andern herbeigelockt. „Wer hat geſchoſſen, Sir?“ fragte Lindſay. „Euer Khawaß.“ „Auf wen?“ „Auf mich.“ „Ah! Fürchterlich! Weshalb?“ „Aus Rache.“ „Iſt richtiger Arnaut! Hat getroffen?“ „Nein.“ „Ihn erſchießen, Sir; ſofort!“ „Er iſt entflohen.“ „Well; laufen laſſen! Kein Schade!“ Damit hatte er allerdings ſehr recht. Der Arnaute hatte mich nicht getroffen, warum alſo blutdürſtig ſein? Zurück *) Serbe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/150
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/150>, abgerufen am 23.12.2024.